65. Mum

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"Du musst nachher alleine zum Dojo kommen, ich fahre schon früher hin, ich habe etwas zu erledigen.", sagte mein Dad, als wir beim Mittagessen saßen.
"Was hast du denn so Wichtiges zu erledigen?", fragte ich ihn mit vollem Mund, doch er antwortete nicht.

Ruckartig stand er auf und stellte seine Schale in die Küche, "Sei pünktlich, stell keinen Mist an und nutz deinen Tag für irgendetwas sinnvolles.", er schnappte sich seinen Autoschlüssel und verschwand auch schon zur Tür hinaus.

Also beschloss ich mich fertig zu machen, um in die Mall zu gehen. Doch gerade, als ich dabei war meine Schuhe anzuziehen, klopfte es wie verrückt an der Wohnungstür.
Ruckartig riss ich sie wütend auf und war entsetzt.
"Wo ist er?", fragte meine Mum, die vor der Tür stand.

Ich hatte sie Monate lang nicht gesehen und plötzlich stand sie einfach so hier vor der Tür.
Außerdem war sie nicht gerade nüchtern, als sie mich zur Seite schob und in die Wohnung trat.

"Dad ist nicht da.", sagte ich sofort, als sie sich suchend umsah.
"Das sieht ihm ähnlich.", flüsterte sie ein wenig gruselig und begann die Schubladen von einem Schrank im Wohnzimmer aufzureißen.

"Was tust du da?", ich versuchte ruhig zu bleiben und trat näher, "Mum? Was suchst du?"
Doch als sie weiter wühlte und keine Antwort für mich hatte, riss mir der Faden, "Verdammte Scheiße, Mum, lass das und verschwinde wieder!", schrie ich sie agressiv an.

Erst jetzt sah sie auf. Ein wenig entsetzt über meinen Ton kam sie zu mir herüber, "Ich wusste es schon immer. Du bist ihm einfach viel zu ähnlich.", sie musterte mich ganz genau und schüttelte mit dem Kopf, bevor sie sich etwas krallte und wieder raus stürmte.

Entsetzt, was gerade geschehen war, sah ich ihr hinterher.
Im nächsten Moment riss ich sofort mein Handy vom Küchentisch und rief meinen Dad an, um ihn zu fragen, was Mum bei uns wollte.
"Du hast sie rein gelassen?", fragte er empört, "Wieso tust du das? Das ist doch gar keine Frage, sie wollte Geld wie immer! Oder hat sie dich gefragt, wie es dir geht?", sarkastisch lachte er auf und merkte nicht, wie sehr mir dies wehtat.

Ohne ihm auf seine Frage zu antworten sprach ich weiter, "Darf ich heute früher ins Dojo kommen?"
Doch mein Vater lehnte ab, da er wichtige Sachen zutun hatte, bei der er seine Ruhe braucht.

"Sprich mit Miguel.", sagte er schließlich, als er endlich bemerkte, dass mich der Besuch meiner Mutter durcheinander gebracht hatte, "Er ist dein bester Freund."
"Da bin ich mir nicht mehr so sicher.", ich versuchte das verbitterte zu überspielen.
"Nur weil er jetzt eine Freundin hat? Fängst du jetzt an zu heulen?"

"Nein, das ist es nicht...", murmelte ich leise. Doch schließlich wimmelte mich mein Vater ab, da er weiter arbeiten musste.

Langsam scrollte ich durch die Kontakte in meinem Handy.
Immer wieder blieb ich bei der Nummer meines Bruders stehen.
Doch ich konnte nicht. Ich war zu stolz, um bei ihm angekrochen zu kommen und mit ihm über unsere Mum zu reden.

Also entschloss ich mich doch zu Miguel rüber zu gehen.
Es dauerte eine Weile, bis die Tür nach dem Klopfen geöffnet wurde.
"Enna. Miguel ist nicht da.", sagte Miguels Mum freundlich lächelnd, "Geht es dir gut? Ist etwas passiert?"

Ich wusste nicht, was ich nun tun sollte.
Ich konnte doch nicht mit Miguels Mutter über meine Mutter reden. Also brachte ich kein Wort heraus, denn ich musste nachdenken.

Schließlich öffnete ich doch den Mund, um zu sagen, was passiert war.
"Ich muss gleich zur Arbeit, aber einen Moment habe ich bestimmt für dich Zeit.", sie öffnete mir die Tür und deutete einzutreten.

Besorgt schaute sie mich an, als ich mich auf das Sofa setzte.
Es fiel mir schon schwer mit meinem Dad über meine Mum zu sprechen. Doch nun wollte ich es einer Frau erzählen, die ich gar nicht so gut kannte.

Zögernd sah ich sie an und erhob mich wieder, "Meine Mum war eben da.", ich ballte immer wieder die Hände zu einer Faust und schüttelte sie anschließend wieder aus.

Ich erzählte Mrs. Diaz alles, was passiert war und sie hörte ohne mich zu unterbrechen zu.
"Das klingt, als würde deine Mutter Hilfe brauchen.", sanft aber ernst sah sie mich an, "Du darfst ihr nicht die Schuld geben, sie hat ein großes Problem, welches sie nicht alleine bewältigen kann."
Ich sah auf meine geballte Faust, "Ihr ist es egal, wie es mir geht. Auch Robby ist ihr egal, sonst wäre er noch bei ihr."

Ich sprach noch eine Weile mit Mrs. Diaz. Nicht nur über meine Mum und meinen Bruder, sonder  auch über das Training, die Schule und vieles andere. Schließlich bekam ich von ihr sogar noch etwas kleines zum Essen und trinken.

Ich aß gerade den letzten Rest auf, als Miguel herein kam.
"Enna.", sagte er feststellend, doch er freute sich mich zu sehen, "Gehen wir gleich gemeinsam ins Dojo?", fragte er, als er sich die Schuhe auszog, um seine Sachen zu holen.

Schnell sah ich auf die Uhr. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie viel Zeit schon vergangen war und nickte, während ich schon aufstand, "Ich muss noch meine Sachen packen. Und danke Mrs. Diaz.", rief ich, während ich schon durch die Tür heraus lief.

Drüben packte ich schnell meine Sachen zusammen, zog mir ordentliche Kleidung an und zog meine Zimmertür wieder zu. Wir waren bereits spät dran, denn auch Miguel war verspätet nach Hause gekommen.

Seine Mutter hatte sich bereits auf den Weg zur Arbeit gemacht, die in der anderen Richtung lag, also hätte sie uns auch nicht mitnehmen können.

Da Miguel und ich die Strafen meines Vaters nur zu gut kannten, beschlossen wir, dass wir rennen mussten und machten zum Spaß ein kleines Wettrennen daraus.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt