26. Cobra im Blut

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Doch bevor meine Gedanken kreisen konnten, kam er wieder.
Er faltete stolz einen Gi auseinander und zeigte ihn mir.
Auf dem Rücken war die Kobra des Dojos abgebildet und darunter der Name geschrieben, "Das hast du dir verdient.", ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht.

"Du hast mich die Runde wirklich nicht gewinnen lassen?", sagte ich überrascht. Er schüttelte den Kopf, "Wer weiß vielleicht war es auch nur ein Glückstreffer."

Mein geglückter Treffer motivierte mich und ich trainierte die nächsten Tage härter als sonst.
Miguel war sichtlich neidisch auf mein Gi, doch er hatte sich seinen eigenen nun mal noch nicht verdient.

"Wie hast du es nur geschafft den Sensei zu schlagen?", fragte er immer wieder fassungslos, während er seine Tritttechnik übte.
Ich zuckte mit den Schultern, "Ich bin der Meinung es war einfach nur Glück."

"Schluss damit. Miguel komm her.", mein Vater kam in den Raum und Miguel ging sofort zu ihm.
"Ja Sensei?", fragte er ihn respektvoll.
"Du wiederholst mit mir die Schläge. Enna, geh an den Dummy."

Ich tat was mein Dad sagte und trainierte alleine die Schlagtechniken, bis die Tür geöffnet wurde und ein Mädchen aus meiner Schule im Dojo stand. Ich hatte sie schon oft gesehen, sie wurde von vielen Mitschülern verarscht.

"Yoga gibt es nicht vor fünf Uhr.", rief mein Vater ihr sofort zu.
"Ich bin auch hier, weil ich Karate lernen will.", sagte sie unsicher.
Mein Vater legte abgeneigt den Kopf zur Seite, "Cobra Kai ist nichts für Mädchen."
Sofort sahen Miguel und ich ihn an, "Aber Sensei, Enna trainiert auch.", sagte Miguel sofort.

"Sie ist meine Tochter, das war etwas anderes.", redete er sich sofort heraus.
"Für Mädchen wie dich hat das einfach keinen Sinn.", sagte er zu ihr.
Miguel schüttelte den Kopf und bat meinen Dad um ein Gespräch unter vier Augen.

Sie zogen sich zurück und das Mädchen und ich sahen uns an, "Ich bin Aisha.", sage sie mit einem kurzen Lächeln.
"Enna.", stellte ich mich knapp vor, denn mein Dad kam mit Miguel zurück.

"Okay, Schuhe aus und ab auf die Matte.", fordernd sah er Aisha an und blieb bei mir stehen, "Ich erlaube also weibliche Schüler. Aber führ dich nicht wie ein Mädchen auf, wenn du hierbleiben willst.", er wirkte ein wenig wütend.

"Wie führen die sich denn auf?", fragte sie.
"Sie heulen rum, sind emotional, sowas halt."
"Ach, ein paar Jungs aus der Schule, die führen sich genau so auf."

"Sei still!", rief mein Vater so laut, dass selbst Miguel und ich zusammenzuckten.
"Miguel sagte mir, du wirst in der Schule gehänselt."
"Ja, ich will da schon gar nicht mehr hin. Sie schicken SMS oder stellen Sachen ins Internet."
Mein Dad regte sich kurz auf und erzählte, dass man in seiner Jugend so etwas den Leuten noch ins Gesicht sagen musste.

Am nächsten Tag durfte Aisha am Training teilnehmen.
Doch es kam anders, als wir uns es vorgestellt hatten. Mein Dad forderte Miguel auf ihr alles zu zeigen, was er uns beigebracht hatte. Doch Miguel zögerte.
"Stell dich nicht wieder so an, wie bei Enna. Na los.", forderte er ihn auf.

"Tut mir leid.", flüsterte er in Richtung Aisha, bevor er sie von den Beinen riss. Sie landete auf dem Boden und sofort entschuldigte Miguel sich und gab ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen.

Doch sie ignorierte sie und riss nun Miguel Wrestling mäßig von den Beinen.
Belustigt sah ich zu meinem Dad, der jedoch alles mit ernster Mine verfolgte.
Stöhnend lag Miguel auf dem Boden.

"Du hast die Cobra im Blut.", sagte mein Vater überrasch.
Plötzlich hörten wir lautes Geschrei und mein Vater verließ den Laden, um zu sehen was los war.

Belustigt bot ich Miguel meine Hand an, "Du kriegst wohl Konkurrenz, Diaz."
Er nahm sie und zog sich mit schmerzverzehrtem Gesicht hoch.
"Du ja wohl auch.", keuchte er.

"Ich habe schon meinen Gi, du nicht.", sagte ich eingebildet.
"Nur weil er dein Dad ist."
"Niemals, er hat mich kein bisschen geschont!"
Miguel ging zu einer Wand und hielt sich daran fest.
"Klar.", sagte er ruhig, doch es klang eher sarkastisch.

"Er ist also wirklich dein Dad.", meldete sich Aisha zu Wort. Ich nickte nur knapp, denn ich wusste oftmals noch nicht, ob es nun etwas Gutes oder Schlechtes war.

Mein Dad platze wieder herein, "Diaz, Lawrence, wir gehen.", sagte er etwas geladen, "Wie kommst du nach Hause.", er nickte Aisha zu.
"Meine Mum kann mich abholen.", sagte sie unsicher.
"Dann ruf sie an.", sagte mein Dad knapp und distanziert. Irgendetwas musste passiert sein.

Fragend sah mich Miguel an, doch ich signalisierte ihm, dass ich keine Ahnung hatte, was los war.
Keine zehn Minuten später saß ich mit Miguel und meinem Dad im Auto. Niemand sagte ein Wort, bis wir uns vor der Tür von Miguel verabschiedeten.

Mein Vater knallte die Tür laut zu und ging wie so oft direkt an den Kühlschrank, um sich eine Dose Bier zu holen.
Er öffnete sie und sah dabei auf die Uhr, "Du kannst dir nachher...", er wühlte im Schrank herum, "...Cornflakes machen...", sagte er ein wenig enttäuscht, "Ich muss noch einmal los.", er trank in einem Zug die Dose leer, nahm sich seinen Schlüssel vom Esstisch und verschwand wieder einmal.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt