16. Disziplin und Respekt

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Ich sah den beiden beim Training zu, bis das Telefon meines Vaters klingelte und er im Büro verschwand.

Ich musste zugeben, mein Dad hatte wohl wirklich was drauf. Doch von Miguel konnte man das nicht behaupten.
Ich erhob mich und ging zu ihm rüber.
Er schlug den Dummy eher ungekonnt oder lustlos, ich konnte es nicht einschätzen.

Belustigt blieb ich neben ihm stehen und lachte ihn ein wenig aus, "Was ist?", unsicher hörte er auf und sah mich an.
"Glaubst du wirklich, dass du das richtig machst?", ich konnte nicht anders, als zu grinsen.

Schnell sah ich über die Schulter, um abzusichern, dass mein Dad noch am telefonieren war.
"Ich zeig's dir.", ich schob Miguel zur Seite und stellte mich in Kampfposition vor den Dummy.

Mit Kraft schlug ich auf ihn ein, so wie mein Vater es ihm auch eigentlich gezeigt hatte.
"Mit deinem Schlag hättest du nicht ein mal einen 6-Jährigen umhauen können.", erneut zeigte ich es ihm.

Als ich aufblickte sah Miguel mich entschlossen an und nickte verstehend.
"Mach das noch Mal.", hörte ich plötzlich meinen Vater auffordernd sagen, der das Telefonat beendet hatte und wieder zurück war.

Nun war ich die, die sich unsicher fühlte, also ging ich einige Schritte zurück und schüttelte mit dem Kopf.
"Das sah gut aus, wirklich.", er nickte in Richtung Dummy, doch ich zog mich zurück und sah ihnen wieder zu.
Zwischendurch beantwortete ich Nachrichten auf meinem Handy oder scrollte durch Apps durch.

Es war bereits 7 Uhr, als mein Dad das Training mit Miguel beendete. Der Nachbarjunge ging nach Hause und mein Vater stand plötzlich vor mir, "Leg das weg und steh auf.", sagte er auffordernd und ging auf die Trainingsmatten.

Zögernd legte ich mein Handy zur Seite und folgte ihm.
"Zeig mir, was du Miguel gezeigt hast.", bestimmend sah er mich an. Doch ich sah mich um, "Und woran?"
Er deutete auf sich, doch ich lehnte unsicher ab, ich wollte meinen Dad nicht schlagen.

"Ich will sehen, wie du kämpfst.", herausfordernd wie einst Zuhause sah er mich an.
Ich wusste immer hin nun, dass er das kämpfen wirklich draufhatte. Zögernd ging ich in eine Kampfposition, anders als mein Vater, der so stehen blieb.

"Ich soll dich jetzt schlagen?", fragte ich ihn unsicher. Er stimmte meiner Frage zu.
Immer noch zögernd sah ich ihn an.
"Mach schon.", sagte er schließlich.
Also holte ich aus, um zuzuschlagen, doch schneller, als ich sehen konnte wehrte er den Schlag ab und hatte nun mein Handgelenk in seinem Griff.

Beeindruck sah ich ihn an, als er meine Hand, die in seinem Griff war hob, "Ich könnte dir jetzt das Handgelenk brechen.", sagte er belehrend und ließ meine Hand los.

Immer noch beeindruckt starrte ich von meiner Hand zu seiner.
"Versuch es noch mal.", forderte er mich auf.
Dieses Mal schlug ich sicherer zu, denn ich wusste, dass ich ihn nicht verletzen konnte.

Anders als eben wehrte er meinen Schlag so ab, dass er mich anschließend im Schwitzkasten hatte, lies mich aber schnell wieder los.
Zufrieden sah er mich an, "Ich sage ja, ein paar Schlägereien machen niemanden zum Profi."

Ich fasste mir kurz prüfend an meinen Hals.
"Alles klar?", fragte mein Dad kurz.
Nickend sah ich ihn immer noch beeindruckt an.
"Du hattest wohl immer nur Glück bei deinen kleinen Angriffen."

Er stichelte weiter, bis ich schließlich ohne Vorwarnung auf ihn einschlug.
Doch diesem Versuch wich er ohne weitere Mühe nach hinten aus und sah mich nun belustigt an.

Ich fand langsam Spaß daran, denn ich wollte unbedingt einen Treffer landen. Also ging ich in Komposition.
Wieder holte ich aus, um meinen Dad zu treffen, doch er wich einfach nur aus und ging immer mal ein paar Schritte zurück.

Ich rückte hinterher und setzte schließlich zum tritt an, Den er abwehrte, indem er unbemüht sein Knie ein wenig anhob.
Schließlich blieb ich stehen. Beeindruckt, wie schon zuvor sah ich ihn an.

"Das hättest du nicht erwartet.", sagte er zufrieden und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich will das auch können, Dad.", begeistert vom Können meines Vaters sah ich ihn entschlossen an.

Zufrieden nickte er. Er wusste genau, wie er mich dazu bringen konnte Karate lernen zu wollen. So blöd wie er manchmal schien, war er wohl gar nicht.

"Also bist du bereit dafür hart zu trainieren und dein Bestes zu geben?"
Ich nickte zustimmend.
"Du wirst auch Disziplin und Respekt lernen müssen.", er zog die Augenbrauen hoch.

Doch auch dem stimmte ich nickend zu, denn ich wollte unbedingt das können, was mein Vater konnte. Ich war fest entschlossen eines Tages gegen ihn antreten zu können und das auf Augenhöhe.
Er verbeugte sich, bevor er die Matte verließ und ich tat es ihm gleich.

Ich fühlte mich wie ein anderer Mensch, als ich neben meinem Dad im Auto saß und wir nach Hause fuhren. Auch meinen Dad sah ich nun als anderen Mensch.

Ich redete die ganze Fahrt nur davon endlich mit ihm und Miguel trainieren zu dürfen und so gut zu werden wie er es ist.
Mein Dad hatte die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen.

Schließlich fuhren wir auf den Parkplatz zur Wohnung und er stellte den Motor ab.
"Eins noch, Enna.", er sah stur geradeaus, als er mich ansprach, "Im Dojo werde ich als Sensei angesprochen und nicht als Dad.", er stieg aus, ohne auf eine Antwort zu warten.

Ich schlug die Autotür zu und eilte ihm nach, denn er war schon losgegangen, "Alles klar, Sensei.", sagte ich grinsend.
Es kam mir vor, als wäre mein Vater stolz, als er seine Hand kurz auf meinen Kopf legte und mich ernst ansah.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt