61. Gewinner oder Verlierer

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Einige Tage später stand ich mit den anderen im Dojo beim Training. Wir waren fast am Ende und sollen unsere Schlagtechnik wiederholen und verbessern.
Währenddessen ging Sensei Kreese durch die Reihen.

"Cobra Kai ist kein Hobby, kein Club! Es sind eure Brüder und Schwestern. Ihr alle seid ein Leben lang Cobra Kai. Denn Cobra Kai stirbt niemals. Habt ihr das verstanden?"
Wir antworteten mit einem lauten Ja Sensei und somit beendete er das heutige Training.

"Kreeses Training ist härter, als das von Sensei Lawrence.", bemerkte Aisha, als wir uns zu viert an den Rand setzten um etwas zu trinken, während sich das Dojo leerte.

"Er ist halt knallhart.", warf Hawk begeistert ein und sah durch die Scheibe in das Büro.
"Das ist Sensei Lawrence auch.", bemerkte Miguel ruhig.

"Enna! Willst du nicht auch mal etwas dazu sagen?", Aisha sah mich ungeduldig an.
"Klar ist mein Dad super, aber Sensei Kreese ist noch mal härter, als Dad."
Somit bestätigte ich Hawks Aussage und sah ihn grinsend an.

"Weißt du, wann dein Dad zurück ist?", fragte Miguel nun neugierig.
Ich schüttelte mit dem Kopf, denn mein Vater hatte sich schon ein paar Tage nicht mehr gemeldet. Vielleicht hatte er einfach Spaß und genoss es Zeit mit seinen Freunden zu verbringen.

"Die ersten Tage alleine waren komisch. Aber langsam gewöhne ich mich wieder an's alleine sein.", langsam erhob ich mich, denn auch ich wollte nach Hause.

Schweigend gingen Miguel und ich die Straße herunter. Immer wieder sah er mich an, als würde er etwas sagen wollen, tat es aber nicht, bis ich ihn schließlich ansprach und fragte was los sei.

"Na ja...", antwortete er zögernd, "Hast du immer noch diese Angst, dass dein Dad abhaut und nicht mehr zurück kommt? Ich meine er ist jetzt länger weg und meldet sich nicht mehr bei dir. Glaubst du er würde das machen?"
Ungläubig sah ich ihn mit offenem Mund an, "Ich dachte du hältst so viel von meinem Vater. Wie kommst du auf so etwas?"

Doch Miguel zuckte nur mit den Schultern, "Ich habe meinen Dad nie kennengelernt, weißt du. Ich weiß nicht, wie ich mich fühlen würde, wenn ich immer Angst haben müsste, dass er nicht lange bleiben würde."
Ich hatte keine Ahnung, wie er plötzlich darauf kam.

"Du spinnst doch.", sagte ich leicht aggressiv, "Mein Dad ist vielleicht manchmal ein Arschloch, nervig und anstrengend, aber er würde nie mehr den Fehler machen und abhauen, das weiß ich ganz genau."

Miguel gab nur noch ein leises Geräusch von sich und sagte nichts mehr.
Vor den Haustüren verabschiedeten wir uns und ich ging in die Wohnung meines Vaters.
Nachdem ich mir eine Pizza in den Ofen geschoben hatte, ging ich an die Schale in der mein Dad die Kronkorken sammelte und versuchte sie so zu schießen, wie er es immer tat.

Plötzlich öffnete sich langsam die Haustür, als der letzte Korken aus der Schale auf den Boden fiel.
Mein Vater kam herein und sah von mir auf den Boden, auf dem viele Korken lagen.
Doch statt genervt zu sein versuchte er mich leicht anzulächeln.

"Du bist wieder da.", sagte ich überrascht, doch glücklich, "Wieso hast du nicht angerufen? Wie war es?"
Er setzte sich mit einem starren Blick auf das Sofa, "Räum das auf.", sagte er ruhig und verträumt.

Ich zog meine Augenbrauen hoch und sah ihn prüfend an, bevor ich anfing die Unordnung zu beseitigen.
Während ich die Korken aufsammelte sprach er plötzlich, "Tommy ist gestorben.", er starrte weiter vor sich hin.

Langsam richtete ich mich auf und sah ihn entsetzt an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, denn damit hätte ich nicht gerechnet. Wie geht man mit einem Erwachsenen um, der einen seiner ältesten Freunde verloren hat?
Also stand ich nur so da und sah meinen Vater an, "Er ist friedlich eingeschlafen."

Er sah mich kurz an, bevor er mit den Händen über sein Gesicht fuhr. Es sah aus, als würde er Tränen weg wischen. Doch mein Dad würde doch niemals weinen.
"Immer hin haben wir ihn noch ein Mal gesehen und hatten eine schöne Zeit.", als wäre es damit für meinen Vater erledigt, erhob er sich und ging an den Kühlschrank.

Ich stand immer noch wie angewurzelt da und starrte ihm hinterher.
"Und bei dir ist alles gut gelaufen? Wie war das Training mit Kreese?", plötzlich klang er etwas besorgt.
Er öffnete sich seine Bierflasche, trank einen Schluck und sah mich an.

"Er ist sehr streng und hart zu uns. Aber er hat uns in den letzten Tagen taffer gemacht.", ich nickte, als würde ich mir selbst zustimmen.
"Irgendetwas besonderes passiert?", hakte er nach.

Ich zuckte mit den Schultern und dachte nach, "Miguel hat ihn in Frage gestellt. Aber er hat sich schnell danach bei Kreese entschuldigt."
Nun klang mein Vater interessiert und fragte nach, warum Miguel Sensei Kreese in Frage gestellt hatte.

"Na ja, Kreese wollte, dass ich meinen Gegner fertig mache, nachdem ich schon einen Punkt hatte...", bevor ich weiter reden konnte unterbrach er mich, "Hast du es getan?", er setzte die Flasche ab und kam zu mir.

Ich sah ihn an und nickte, "Wir sollen keine Gnade zeigen."
"Und das hat er euch so gesagt?"
Ich dachte kurz nach und zuckte mit den Schultern, "Der Kampf ist erst beendet, wenn der Gegner am Ende ist.", ich war überzeugt von Kreese Aussage, "Daran zeigt sich wer ein Gewinner oder Verlierer ist."

"Also hast du zugeschlagen, obwohl du den Kampf schon gewonnen hattest?", hakte er weiter nach und setzte sich auf das Sofa.
Zögernd nickte ich und wollte zum sprechen ansetzen, doch dazu kam es nicht.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt