24. Gi

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Am selben Abend fasste mein Dad seinen Mut und ging zu Miguels Mutter rüber. Ich sah wie sie miteinander redeten, doch ziemlich schnell kam er zurück in die Wohnung. Doch er wollte nicht erzählen, was sie gesagt hatte.

Am nächsten Tag schleppte mein Dad mich mit ins Dojo. Er wollte irgendwelche Sachen erledigen, also setzte ich mich zu ihm an seinen Schreibtisch und Scrollte an meinem Handy durch das Netz, als plötzlich die Glocke der Tür ertönte.
Da öfter merkwürdige Menschen hier auftauchten, die etwas suchten oder Geld wollten, blickte ich nicht auf, als mein Dad nach vorne ging.

"Ich darf weiter trainieren.", hörte ich plötzlich Miguels Stimme.
Erstaunt sprang ich auf und sah um die Ecke.
"Ach echt?", fragte mein Dad ihn.
Ich ging schnell zu ihnen und begrüßte Miguel.
Mein Dad blickte glücklich zu mir und anschließend wieder zum Nachbarjungen, "Seid ihr denn auch bereit für die nächste Stufe?", fragte mein Dad uns ernst.
Genau so ernst nickten wir.

"Sehr gut.", mein Vater schien wieder der alte zu sein, "Verteidigung. Ich werde euch die Beste zeigen, die es gibt. Und das jetzt, stellt euch auf."
Überrascht, dass er sofort weiter mit dem Training machen wollte, legte ich mein Handy weg und zog meine Schuhe aus, bevor ich mich zu Miguel stellte.
"Die beste Verteidigung ist mehr Angriff.", sprach mein Dad, während er um uns herum ging.

Bis zum späten Nachmittag zeigte mein Dad uns neue Techniken und ließ sie uns ausprobieren, verbesserte uns und gab Tipps.
Am Abend fiel ich geschafft und müde in mein Bett, ich hatte wahrscheinlich nach zwei Tagen immer noch einen Kater, aber ich hatte das Training durchgezogen.

Der nächste Morgen war anstrengend. Mein Dad war hochmotiviert, wie noch nie, weckte mich viel zu früh und schmiss mich aus dem Bett, um Liegestützen zu machen.
Verschlafen verstand ich erst gar nicht, was er von mir wollte, "Dad...", murmelte ich viel zu müde, um Sport zu machen.

"Na los, du hast doch gesagt, dass du es irgendwann mal mit mir aufnehmen willst.", sagte er auffordernd und ging ins Wohnzimmer, "Und ich höre, wenn du es nicht machst.", sagte er viel zu vergnügt.

Es dauerte ein wenig, bis ich es schaffte aufzustehen und mit den Liegestützen begann.
"Und vergiss die Situps nicht.", rief er aus dem Wohnzimmer, als er hörte, dass ich aufgestanden war.
Schlapp ließ ich mich von den Händen auf den Bauch fallen und griff erst ein Mal nach meinem Handy.

Ich hatte Daan bisher noch nicht auf seine letzte Nachricht geantwortet und beschloss es nun zu tun. Ich schrieb ihm, dass ich zurzeit viel zu tun hatte, mich aber melden würde, wenn es mir passte.

Nachdem ich meinen morgendlichen Sport beendet hatte, ging ich ins Bad, um zu duschen. Ich hatte noch genügend Zeit, um danach in Ruhe zu frühstücken.
"Hast du dir eigentlich schon überlegt, was du nach der High-School machen willst? Willst du an ein College?"

"Hä?", fragte ich mit vollem Mund und sah meinen Dad fragend an.
"Na ja, was willst du machen, was willst du erreichen? Hast du dir darüber noch nie Gedanken gemacht?", er zog die Augenbrauen zusammen.

Ich dachte kurz nach. Ich hatte mich wirklich noch nie mit dem Thema beschäftigt, da ich dachte, ich würde sowieso niemals eine Schule beenden, "Ich weiß es nicht."
Mein Vater nickte und musterte mich dabei, "Du hast ja noch ein paar Jahre Zeit."

Nach dem Frühstück fuhr mein Dad mich wie immer zur Schule. Zu Anfang hatte er dies nur getan, um sicher zu sein, dass ich auch dort hingehen würde. Aber er hatte es sich so angewöhnt und ich nahm es gerne in Anspruch.

In den nächsten zwei Monaten trainierte ich hart. Auch die morgendlichen Übungen wurden zur Routine, ohne dass mein Dad mich dazu auffordern musste.
Ich merkte fast von Woche zu Woche, dass ich besser, schneller, beweglicher und aufmerksamer wurde.

Das Jahr endete und ein Neues begann. Ich sah es als den richtigen Neuanfang an und gab mir noch mehr Mühe, als schon zuvor.
An einem Wochenende im Januar saß ich in meinem Zimmer und stellte ein Projekt für die Schule fertig, als mein Dad das Zimmer betrat. Er beobachtete mich und sah sich an, was ich tat, bevor er zum reden ansetzte.

"Hast du Lust mal wieder gegen mich anzutreten? Vielleicht kannst du so sehen, was du schon alles kannst.", fragte er vorsichtig. Er wusste, dass ich nicht gerne gegen ihn kämpfte, da er sowieso besser war und einfach, weil er mein Dad war.

Doch er hatte Recht. Da Miguel und ich ungefähr gleich gut waren, konnte ich mich nicht gut mit ihm messen.
"Ich muss das noch fertig stellen.", sagte ich konzentriert und schrieb weiter, "Aber danach können wir gerne ins Dojo.", fügte ich hinzu.

Ca. zwei Stunden später waren wir im Dojo meines Dads und standen uns gegenüber, "Ich gebe dir fünf Kämpfe.", sagte er.
"Wofür?"
"Wenn du auch nur einen Treffer landest, bekommst du deinen eigenen Gi."

Überrascht sah ich ihn an. Es schien so, als hätte er das schon länger geplant, "Hast du schon einen für mich? Darf ich ihn sehen?", fragte ich begeistert, doch mein Vater schüttelte seinen Kopf, "Ein Treffer.", wiederholte er sich.
"Verbeugen und Kampfposition.", forderte er mich auf.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt