10. Wieder verschwunden

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Am nächsten Morgen wachte ich auf.
Mein Dad war weder am Abend, noch in der Nacht oder am Morgen nach Hause gekommen.
Er musste also noch auf einer Polizeiwache sitzen.

Müde verließ ich mein Zimmer, um ins Bad zu gehen, als ich Stimmen aus der Küche hörte.
Ich schnappte mir meinen Baseballschläger, der in meinem Zimmer stand und schulterte ihn, bevor ich den Flur herunter ging.

Schnell bemerkte ich einen alten Mann, der in den Schränken meines Vaters wühlte.
"Wer sind Sie und was wollen Sie hier?", schrie ich den Mann laut an und ging drohend auf ihn zu. Ich war jeder Zeit bereit zuzuschlagen, doch es war noch eine weitere Person im Haus.

"Nimm den Schläger runter, Mädchen.", sagte eine Frau, die auf dem Sofa meines Vaters saß.
Sofort stellte ich ihr die gleiche Frage, wie dem Mann.

"Wer bist du, wäre hier wohl die wichtigere Frage.", antwortete der Alte mir und musterte mich, plötzlich legte sich ein merkwürdiges Lächeln auf seine Lippen, "Johnnys Tochter. Unverkennbar. Mein Beileid, Kind.", er setzte seine Suche in den Schränken fort.

Ein letztes Mal wiederholte ich meine Frage und endlich bekam ich eine passende Antwort, "Ich bin der Stiefvater deines Vaters. Und nun leg den Schläger endlich weg und setz dich hin."

Fragend sah ich ihn an und ließ den Schläger sinken, "Und was machen Sie hier?"
"Deinem Vater den Arsch retten, so wie immer.", er zuckte mit den Schultern und kam näher, um mich erneut zu mustern.

Wieder hob ich drohend den Schläger hoch, als die Wohnungstür aufgeschlossen wurde.
Mein Vater trat ein und versuchte die Situation in seiner Wohnung zu verstehen.
Er sah übel aus und ich war mir sicher, dass er am vorigen Abend noch mehr als nur das eine Bier getrunken hatte, bevor er abgehauen war.

"Verdammt, was ist hier los? Was machst du hier, Sid?", er blickte den Alten an, bevor er die Tür schloss, zu mir kam und ohne ein weiteres Wort mir den Schläger geladen aus der Hand riss.

Er stellte ihn in eine Ecke und sah seinen Stiefvater an.
"Du solltest dankbar sein. Ich habe dich da rausgeholt. Schon wieder."
Mein Vater ging desinteressiert an ihm vorbei, "Ich habe nie um deine Hilfe gebeten. Enna, geh in dein Zimmer."

"Nein. Geh nicht in dein Zimmer. Ich will, dass du hörst, was ich deinem Vater zu sagen habe.", Sid sah mich kurz an, bevor er weitersprach, "Ich dachte die vergangenen Vorfälle haben gereicht, Johnny."
Von meinem Vater kam keine Antwort.

Plötzlich fing der alte Mann an von der Mutter meines Vaters zu reden.
Ich verstand immer noch nicht genau, was hier passierte.
"Ich wusste ja nicht, dass ich mich jahrelang um ihren dummen Sohn kümmern muss."

Entsetzt sah ich ihn an. Ja, mein Vater hatte seine Macken und ich konnte ihn nicht besonders leiden, aber dieser Mann war sein Stiefvater und sollte nicht so von meinem Vater reden.
"Toll Sid, du bist der Stiefvater des Jahrhunderts.", mein Dad kam zurück und holte sich eine Tüte zum kühlen seiner Verletzungen aus dem Kühlfach.

"Schön so etwas von einem Vater wie dir zu hören.", Sid blickte kurz auf mich.
"Jetzt mach, dass du hier rauskommst. Hast du das verstanden?", fragte mein Vater ihn laut, "Und du, in dein Zimmer!", sagte er nun noch lauter zu mir.

Mit einem abwertenden Blick sah ich den alten Mann noch ein Mal an, bevor ich meinen Schläger schnappte und zurück in mein Zimmer gehen wollte.
"Den lässt du hier.", rief mein Dad mir hinterher.

Krachend ließ ich den Schläger mitten im Flur zu Boden fallen, ging in mein Zimmer und schloss die Tür.
Ich hätte diese Auseinandersetzung zu gerne weiterverfolgt.

Erst am Abend wagte ich es wieder aus meinem Zimmer zu kommen.
Ich wollte wissen, was passiert war, nach dem ich in mein Zimmer musste.

Mein Dad saß auf dem Sofa vor seinem alten Fernseher. Vor ihm stand ein Glas und eine Flasche mit Alkohol.
Für mich war so ein Anblick normal, denn ich kannte es ähnlich von meiner Mutter, wenn sie ihre Partys gefeiert hatte.

"Dad?", fragte ich leise, bevor ich mich zu ihm setzte.
Er reagierte nicht auf mich und sah sich weiter seinen Film an.
Ich musterte meinen Dad, der auf den Fernseher starrte, als würde es nichts anderes geben.

Würde er nicht hier in seiner Wohnung sitzen, hätte man meinen können, er wäre ein Obdachloser.
Seine Sachen waren dreckig, so wie der Rest der Wohnung.

Langsam beugte er sich nach vorne und kippte sich etwas in sein Glas nach.
An seinem Zittern konnte ich sehen, dass er schon einiges getrunken haben musste. Er lehnte sich mit seinem Glas zurück.

Doch schnell schreckte er auf, als eine Autowerbung kam. Er griff nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszustellen, doch diese reagierte nicht.
Wütend schmiss er sein Glas in den Fernseher, der augenblicklich verstummte.

Er schnappte sich die Flasche auf dem Tisch und seine Jacke und verschwand wieder ein Mal mit einem lauten Krachen der Wohnungstür. Kurze Zeit später hörte ich den Motor seines Wagens.

Dieses Mal hatte ich Angst, als er die Wohnung verlassen hatte. Ich wusste, dass er in diesem Zustand nicht fahren sollte. Außerdem wusste ich, dass er wieder ein Mal das Sorgerecht für mich auf's Spiel setzte.
So viel bedeutete ich ihm also.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt