Ich schürze die Lippen und sehe auf meine Finger. „O", mache ich traurig und kneife mir unbewusst in meinen Handballen. „Ich kann nichts dafür ..."
„Wofür?"
„Dass ich ständig weinen muss."
„Doch, kannst du. Tu es einfach nicht. Es nervt."
„Tut mir leid", sage ich leise und stehe wieder kurz davor zu weinen, doch ich halte die Luft an, weil ich Harry nicht weiter nerven möchte. Mit gebrochener Stimme füge ich noch hinzu: „Ich wollte dich nicht nerven." Und rutsche auf der Bank weiter von ihm weg.
Er beugt sich zu der Packung Taschentücher und wirft sie mir wieder zu, sodass sie direkt in meinen Schoß fällt, dann steht er auf. Als ich ihn fragend ansehe, meint er monoton: „Behalte sie. Du heulst ja schon wieder, das hält keiner aus."
Meine Unterlippe beginnt wieder zu zittern und ich kann ihm nicht mal ins Gesicht sehen. „Sei nicht so gemein", flüstere ich.
„Wieso?"
Was eine seltsame Frage. Weil es mich verletzt. „Weil ich immer nett zu dir bin", erkläre ich.
„Ich will aber nicht, dass du nett zu mir bist", murrt er böse. „Ich habe dir schon oft gesagt, dass du mich nervst und ich dich nicht mag."
Eine Träne fließt wieder meine Wange herunter, tropft auf mein Kleid.
„Du nervst und ich mag dich nicht", wiederholt er. „Bekomm das endlich in deinen blöden Schädel."
Ich sehe verweint auf und erkenne, dass in seinem Blick noch immer keine direkte Emotion zu erkennen ist. Er sieht noch genauso gleichgültig aus, wie vorhin, als Misses Hatheway ihn aus dem Unterricht gezogen hat. Wie kann er nur solche verletzenden Worte sagen, ohne auch nur etwas dabei zu fühlen? Er sieht nicht mal wütend aus.
„Ich wollte doch nur mit dir befreundet sein", weine ich niedergeschlagen.
„Ich will aber nicht mit dir befreundet sein. Vor allem nicht, wenn du ständig nur heulst."
Er will noch etwas dazu sagen, doch eine erwachsene Stimme ertönt über den Schulhof. „Harry!" Mister McErming stampft aufgebracht zu ihm und zieht Harry am Ohr, sodass er schmerzhaft sein Gesicht verzieht. „Du hast heute schon genug angestellt, glaubst du nicht, dass du langsam genug Mädchen verletzt hast?"
Ich würde Mister McErming gerne wiedersprechen, doch ich kann es nicht. Einerseits, weil der Kloß in meinem Hals zu groß ist und andererseits, weil Harry mich wirklich verletzt hat. Zwar nicht mehr als sonst, aber gemeinsam mit der kaputten Schleife in meiner Hand, tut es noch mehr weh.
„Wir werden jetzt sofort deine Eltern anrufen, diesmal sage ich dem Rektor, er soll keine Ausnahme machen", wütet der Lehrer und zieht fester an Harrys Ohr, sodass er schon auf die Zehenspitzen muss. Mister McErming sieht zu mir. „Ist alles in Ordnung, Honor? Wo ist Maria?"
„Ich bin hier", sagt Maria, die gerade neben mich auf die Bank kommt und sofort wieder tröstend eine Hand auf meinen Rücken legt.
„Okay, gut." Noch einmal zieht er an Harrys Ohr. „Und jetzt kümmern wir uns um dich, Freundchen." Er zieht Harry mit sich über den Schulhof, der ihm mit schnellen Schritten, fast joggend du mit schmerzverzogenem Gesicht folgt.
Ich sehe ihnen hinterher, ignoriere Maria, die mich fragt, was passiert ist. Harry dreht sich etwas in meine Richtung und sieht zu mir. Jetzt erkenne ich etwas in seinem Gesicht.
Verachtung.
Mir dreht sich der Magen um. Wieso zeigt er jetzt eine Emotion, aber vorher nie?
Mister McEming und Harry verschwinden hinter der Tür des Sekretariats.
Ab diesem Tag, kommt er nie wieder in die Schule.
Kurzes Kapitel, ja, aber ich konnte es nicht länger schreiben und heute wird auch noch eins kommen. Wie findet ihr die Geschichte bisher?
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Remember His Story
Fanfiction"Sie wünschte sich manchmal, sie könnte seine Gedanken lesen. Doch dann fragte sie sich, ob sie mit der Wahrheit leben könnte." In Honors Grundschulzeit gab es einen Jungen, an den sie sich ewig erinnern würde. Er war anders, als die anderen Jungs...