Kapitel 6 - Der Typ aus der Apotheke

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„Ich bin mehr als bereit für die Ferien", stöhnt Olivia, meine beste Freundin und setzt sich neben mich in die U – Bahn. „Auch, wenn ich die Matheprüfung versaut habe. Was soll's? Wer braucht Mathe?"

„Na ja, du wirst es noch oft brauchen", kichere ich und klemme mir meine Mappe enger an meine Brust.

„Quatsch. Wenn ich Sportlehrerin werde, brauche ich kein Mathe. Alles Quatsch."

Kopfschüttelnd lache ich. Oli geht mit mir seit der sechsten Klasse auf die gleiche Schule wie ich und seitdem sind wir unzertrennlich. Sie ist zwar das genaue Gegenteil von mir und lebt eher ein rebellisches Leben, doch wir sind ein Herz und eine Seele. Während ich Violine und Piano spiele, macht klettert sie Berge hoch und fährt Motorcrossrennen. Umso trauriger ist es, dass wir uns die ganzen Weihnachtsferien nicht sehen werden, weil sie nach Australien zu ihrer Familie fliegen wird.

Heute ist Freitag und vor einer Stunde haben wir die letzte Prüfung hinter uns gebracht. Mathematik. Ich habe ein gutes Gefühl, genauso wie in Englisch, Französisch und Spanisch. Das viele Lernen hat sich definitiv ausgezahlt, somit kann ich beruhigt in die Ferien starten.

„Du tust mir ja echt leid, da du die ganzen Ferien arbeiten musst", sagt Oli und versteckt ihre schwarzen Haare unter einer Wollmütze.

Ich zucke nur mit den Schultern. „Das kannst du nicht arbeiten nennen. Das ist nun mal das Hotel meines Grandpas und ich denke nicht, dass Mama und Grandpa mich dort hart arbeiten lassen."

„Aber du musst morgens früh aufstehen. Und das reicht schon. Ich verstehe sowieso nicht, wieso du diesen Mist machen musst. Ihr seid reich."

„Hey, wir sind nicht reich", erwidere ich. „Wir –"

„Ihr seid nur wohlhabend, schon gecheckt." Oli verdreht die Augen. Dann kommen wir auch schon an der Station an, an der sie aussteigen muss und sie verabschiedet sich von mir mit einer Umarmung.

Ich beobachte durch das Fenster der Bahn, wie sie in einer Gasse verschwindet und schon setzt sich die Bahn wieder in Bewegung. Eigentlich habe ich wirklich keine Lust in den Ferien zu arbeiten, denn das bringt mich nur von meinen Proben ab und meiner Lust, auch mal Zuhause zu üben. Die ganze Woche, war ich jeden Tag bei Misses Baskin und habe versucht das Violinensonat zu spielen, doch es war noch immer nicht gut genug, wie sie ständig sagte.

Gedanklich seufze ich.

Ich setze mir in den Kopf mindestens das Violinensonat bis Silvester perfekt zu beherrschen. Als kleines Geschenk an mich selbst.

Mama möchte aber auch unbedingt, dass ich in den Ferien arbeite, damit ich auch mal mein eigenes Geld verdiene. Theoretisch ist es ja ihr Geld, denn sie wird mich bezahlen, doch ich soll verstehen, wie es ist zu arbeiten, denn bisher habe ich genug Taschengeld bekommen und musste mich nie um irgendetwas Gedanken machen. Eigentlich fand ich das gut, denn ich hatte ausgiebig Stress mit den ganzen Proben, doch anscheinend reicht das nicht aus. Es muss ja unbedingt dieses doofe Hotel sein.

Kurz bevor die Bahn an der Haltestation hält, an der ich raus muss, stehe ich schon vor der Tür und sehe heraus, während hinter mir ein altes Pärchen über das anstehende Mittagessen diskutiert.

Die Türen öffnen sich und noch bevor ich den ersten Schritt nach draußen machen kann, werde ich unsanft von der Seite von einem schwarz gekleideten Jungen mit Kapuze angestumpt, der an mir vorbei nach draußen stürmt.

Meine Mappe fliegt auf die geteerte Straße und alle Blätter liegen auf dem Boden, das niemanden zu interessieren scheint, denn ich kann jetzt schon sehen, wie immer mehr Fußabdrücke auf den Zetteln entstehen.

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