„Bist du schon aufgeregt?", fragt mich meine Mutter, als wir beide am Montagmorgen um halb acht morgens aus dem Auto steigen, um in das Hotel meines Grandpas zu gehen.
Ich richte den Kragen meines weißen Hemdes und folge ihr durch den Eingang. „Ich weiß nicht, vielleicht ein wenig."
Uns beiden werden die großen Eingangstüren von zwei Pagen geöffnet und wir betreten das riesige Ambiente. Ich war zwar schon öfter im Ealswith Hotel, aber es beeindruckt mich doch jedes Mal wieder. Man sieht sofort, dass mein Grandpa viel Geld hier rein gesteckt hat, dadurch sind auch keine einfachen Leute hier, sondern Menschen, mit einem gewissen Kontostand.
Mama und ich gehen durch die Lobby zur Rezeption, wo schon eine junge Frau in der typisch dunkelblauen Hoteluniform steht und uns anlächelt. „Guten Morgen. Wissen Sie zufällig, wo sich mein Vater rumtreibt? Er – Ach, da ist er ja schon."
Mein Grandpa kommt in einem Anzug um die Ecke und lächelt uns mit seinem typischen Lächeln zu. Er ist wirklich eine der nettesten Personen, die ich kenne, dafür liebe ich ihn so. „Ein guter Hotelfachmann kommt nie unpünktlich", erklärt er und stellt sich zu uns. „Merk dir das, Marie", sagt er zu mir und wir drücken uns liebevoll. Grandpa nennt mich als einziger Marie, warum weiß niemand, aber er tut es einfach.
„Natürlich, Grandpa", sage ich und stelle mich von Mama zu ihm.
„Dad, bitte übertreibe es nicht mit den Aufgaben", sagt meine Mutter zu ihm. „Das ist heute ihr erster Tag, sei gnädig. Und du weißt ja, dass sie eine Hausstauballergie hat, also lass sie am besten nicht in den Keller. Außerdem –"
„Diana", unterbricht Opa sie. „Ich kenne meine Enkelin genauso gut, wie du. Wir schaukeln das schon. Geh nach Hause und ... Tu das, was du auch immer tust." Er legt einen Arm um meine Schulter und zieht mich in einen Flur. „Schönen Tag noch!"
Ich sehe über meine Schulter zu Mama, die durchatmend an der Rezeption steht und uns gereizt hinterhersieht. Sie und Grandpa hatten schon immer ein seltsames Verhältnis. Er ist mehr der gelassene Typ und sie ist ein Perfektionist. Das sorgt oft für Reibereien, doch natürlich wird sich nie ernsthaft gestritten. Manchmal ist es ganz lustig, wie Opa sie auf den Arm nimmt, weil sie oftmals wirklich übertreibt. Da kommt er einem viel jünger vor, wie sie.
„Du kennst dich hier ja schon aus, deswegen können wir uns den Rundgang sparen", meint Grandpa und setzt sich seine Brille richtig auf die Nase. „Hast du schon gefrühstückt?"
Ich nicke. „Ja, ausgiebig."
„Schade. Du hättest dich an dem riesigen Frühstücksbuffet bedienen können."
„Aber ich soll doch arbeiten." Ich lache.
„Hach, deine Mutter muss das ja nicht. Ich gestalte dir die paar Wochen hier schon erträglich. Also möchtest du sicher nichts essen? Denn sonst muss ich dir, wohl oder übel eine Aufgabe geben."
Ich schmunzle. „Ich habe wirklich keinen Hunger."
Er seufzt. „Na schön." Er öffnet eine große Eisentür und wir stehen in einer riesigen Halle. Das ist die Veranstaltungshalle, in der Silvester und das Sommerfest stattfindet. Es gibt dann jedes Mal ein prächtiges Feuerwerk und die Feiern hier sind einfach die besten. Auch, wenn ich nicht in diesem Hotel bin, gehe ich gerne zu diesen Festen.
„Weil ja bald Silvester ist, muss die Halle ein wenig aufgemotzt werden", erklärt Grandpa und wir gehen durch die große, leere Halle. Seine Stimme schallt durch den kompletten Raum. „Darum wirst du dich hauptsächlich kümmern."
„Allein?", keuche ich entsetzt.
„Natürlich nicht, mein Schatz. Du hilfst meinen Bediensteten beim Aufbauen und dem ganzen Kram, die erklären dir das alles schon. Der Hausmeister sollte hinten in der Küche sein, ihn kannst du fragen, was du machen sollst." Er geht auf ein paar Schalter an der Wand zu und drückt mehrere Knöpfe, womit viele Lichter in der Halle angehen und erst jetzt die komplette Größe zu Schein kommt. „Kann ich dich hier allein lassen?"
„Ja, das sollte kein Problem sein", sage ich und sehe mich in der großen Halle um.
„Gut. Ruf mich einfach an, wenn du was brauchst. Und vergiss nicht Pause zu machen. Du kennst die Zeiten."
Ich nicke lächelnd. „Versprochen, Grandpa."
Er lächelt zurück. „Ich bin mir sicher, dass ich mich auf dich verlassen kann. Wir sehen uns spätestens in der Mittagspause, klar?"
„Klar."
Dann verschwindet er auch schon aus der großen Halle und ich stehe allein hier. Er meinte, der Hausmeister steht in der Küche, also sollte ich dort wohl als erstes hingehen. Also gehe ich durch die große Halle zu der Küche, in der ebenfalls Licht brennt. Ab und zu hört man jemanden werkeln. Ich gehe durch einen kleinen Flur und sehe in der Küche einen Mann auf dem Boden liegen, der seinen Oberkörper gerade unter einer Spüle hat.
„Hallo?", frage ich, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
Plötzlich ertönt ein lauter Knall und darauf ein lautes ‚Fuck!'. Er kommt unter der Spüle hervor und sieht zu mir.
Und mir stockt sofort der Atem.
Harry sieht mich mit der Hand am Kopf reibend, vernichtend an. „Danke für die scheiß Kopfschmerzen." Er scheint mich noch nicht erkannt zu haben. Nehme ich zu zumindest an, denn sonst hätte er wahrscheinlich anders reagiert.
„Tut mir leid", piepse ich benebelt, als er aufsteht und in seiner ganzen Größe drei Meter von mir entfernt steht.
Kann es eigentlich noch mehr Zufälle geben? Erst begegne ich ihm in der Apotheke, dann rettet er mir in der Stadt das Leben und jetzt arbeitet er auch noch in dem Hotel meines Grandpas. Ich bin mir nicht sicher, wie ich damit umgehen soll. Sollte ich mich freuen, dass ich ihn vielleicht so besser kennenlernen kann oder sollte ich Angst haben, dass er mich wieder beleidigt?
Er fährt sich kurz durch die nach oben gestylten Haare und mir fällt auf, dass ich ihn das erste Mal ohne Kapuze sehe. Eigentlich ist er attraktiv. Breite Schultern, schmale Hüften, markantes Kinn. Ich habe noch genau dieses kindliche Bild von ihm vor meinem Auge und heute steht ein erwachsener Mann mit Bartstoppeln vor mir. Es hat sich viel an ihm verändert, nur seine Augen sind genau die gleichen. „Bist du Marie?", fragt er mich, als ich kein Wort aus mir rausbekomme.
Ich nicke wie betäubt, fast erschrocken davon, dass er meinen Namen ausgesprochen hat.
Er legt seinen Schraubenschlüssel auf die Kochablage und wischt sich kurz mit der schmutzigen Hand über die Stirn, wo sich ein wenig Schweiß gebildet hat, während er auf mich zukommt. Ein wenig schrecke ich zusammen und gehe ihm sofort aus dem Weg, als er an mir vorbei geht, weil er mir einfach auf eine gewisse Art und Weise Angst macht. Anscheinend ist Harry es dennoch gewohnt, dass die Menschen so auf ihn reagieren, denn er geht einfach gelassen weiter.
Ich sehe ihm verwirrt hinterher. „Soll ich dir folgen?", traue ich mich zu fragen.
„Was glaubst du denn?"
Schnell folge ich ihm durch die Halle. Er hat mich nicht mal erkannt und trotzdem ist er so unfreundlich. Anscheinend ist er zu jedem zu giftig. Wie kann Grandpa ihn hier arbeiten lassen, obwohl er so ein Stinkstiefel ist? Ob er sich vor Kunden auch so widerlich verhält?
Harry öffnet eine Tür an der Wand und holt eine Art Staubsauger heraus, stellt ihn mir hin. „Du wirst die ganze Halle saugen."
Ich blinzle und sehe den Staubsauger an. „Die ganze Halle?"
„Ja, die ganze Halle." Er geht wieder in den Raum und holt einen Eimer mit einem Putzlappen heraus. „Und danach wirst du die ganze Halle putzen."
„Das werde ich alleine nie schaffen", fiepe ich und sehe ihn entsetzt an.
Er verdreht die Augen und schließt die Tür. „Ich werde dir bei der Scheiße ganz bestimmt nicht helfen, ich habe selbst zu tun. Und davon abgesehen – Moment mal." Harry betrachtet mich etwas eindringlicher und ich sehe sofort weg. „Du bist doch ... Ich fass es nicht. Verfolgst du mich?"
„Nein!", platze ich sofort raus. „I-Ich - Mein Grandpa ist der Inhaber des Hotels und ... Ähm, ich soll hier über die Ferien arbeiten."
Harry sieht mich skeptisch an und scheint zu überlegen, ob ich die Wahrheit sage oder nicht. Wenn ich er wäre, wäre ich wahrscheinlich genauso so unsicher. Ich komme mir selbst vor, wie eine Stalkerin. „Wie auch immer", sagt er schließlich gleichgültig und geht wieder. „Mach einfach deine Arbeit."
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Remember His Story
Fanfiction"Sie wünschte sich manchmal, sie könnte seine Gedanken lesen. Doch dann fragte sie sich, ob sie mit der Wahrheit leben könnte." In Honors Grundschulzeit gab es einen Jungen, an den sie sich ewig erinnern würde. Er war anders, als die anderen Jungs...