„Wer möchte schreiben?", fragt Maria.
Alle schweigen. Ich, weil ich Angst vor Jimmy habe, Jimmy, weil er Angst vor Harry hat und Harry, weil er noch immer desinteressiert auf den Tisch starrt.
„Dann schreibe ich." Maria holt ihren Füller heraus. „Habt ihr Ideen?"
„Wie wäre es mit Reiße nach Jerusalem?", frage ich lächelnd, weil ich dieses Spiel liebe.
„Das kann man nur in kleinen Gruppen spielen, dumme Heuschrecke", wirft Jimmy ein.
Sofort schweige ich wieder und sehe verängstigt auf meine Finger. Er kann es einfach nicht lassen.
„Das stimmt doch gar nicht." Maria schreibt meine Idee auf den Zettel. „Das Spiel kannst du mit so vielen spielen, wie du willst, du dummer Rotkopf." Sie spielt auf Jimmys orange rotes Haar an.
Von außen könnte man nie denken, dass er so gemein sein kann. Sein Gesicht ist voller Sommersprossen, seine Haut blass, er sieht eigentlich lieb aus. Bis er den Mund öffnet. Dann ist er einfach nur fies.
„Halt die Klappe, du langweilige Kirchentussi", motzt Jimmy zurück und zieht Maria den Füller aus der Hand, worauf sie einen dicken Strich über ihr Blatt gemalt hat.
„Hey, lass das!" Ich versuche nach dem Füller zu greifen, doch er hält ihn hinter sich.
„Was wenn nicht?" Er sieht mich gespielt schmollend an. „Heulst du dann wieder und lässt dich von Misses Hatheway wie ein kleines Baby behandeln, Heuschrecke?"
Sofort beginnt meine Unterlippe zu zittern. „Ich bin keine Heuschrecke", gebe ich mit weinerlicher Stimme zurück, versuche dennoch nicht wieder zu weinen.
„Doch bist du. Und du bist genauso hässlich, wie dieses hässliche Kleid, du Heulsuse."
„Ich bin nicht hässlich", schniefe ich leise. Papa sagt immer, ich bin hübsch, egal, was Jimmy sagt.
Als Maria erneut nach dem Füller greifen will, nimmt Jimmy die Feder und drückt sie fest auf den Tisch, sodass sie sich komplett verbiegt.
„Bist du blöd?", schreit Maria und zieht ihm jetzt den Füller aus der Hand. „Du hast ihn kaputt gemacht!"
„Was ist denn hier schon wieder los?" Misses Hatheway steht mit verschränkten Armen an unserem Tisch. Ich sehe sie flehend an und bitte sie mit meinen verweinten Augen darum, mich einfach nach Hause gehen zu lassen. „Solltet ihr nicht arbeiten? Stattdessen streitet ihr euch wieder! Jimmy, wie oft habe ich dir gesagt, du sollst die Mädchen in Ruhe lassen?"
„Jimmy hat meinen Füller kaputt gemacht", sagt Maria und hält zornig ihren Füller in die Luft.
Misses Hatheway nimmt ihn und sieht ihn sich an. Dann sieht sie erbost zu Jimmy. „Wieso hast du das getan? Du kannst doch nicht einfach die Schulutensilien deiner Mitschülerinnen zerstören!"
Jimmy hat sofort wieder diesen typisch unschuldigen Blick auf dem Gesicht, mit dem man meinen könnte, er wäre der Engel höchstpersönlich. „Ich war das nicht, Misses Hatheway", sagt er mit Glitzern in den Augen.
„Ach ja? Wer soll es denn sonst gewesen sein?"
Jimmy öffnet den Mund und scheint zu überlegen. „Harry war es!", sagt er schließlich empört und zeigt auf Harry, der immer noch schweigend und resigniert neben ihm sitzt, auf den Tisch starrt. Er regt sich kein Stück. Als hätte er gewusst, dass Jimmy ihm die Schuld geben würde.
Ich sehe Jimmy unglaubwürdig an. Er hat den Füller kaputt gemacht!
„Was?", ruft Misses Hatheway aus. „Harry schon wieder!" Sie geht um den Tisch herum und haut den kaputten Füller vor Harry auf den Tisch, worauf er mit müden Augen zu ihr auf blickt. „Ich hätte es mir ja schon fast denken können! Du kommst mit zum Rektor, ständig zerstörst du die Sachen der anderen!"

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Remember His Story
Fanfiction"Sie wünschte sich manchmal, sie könnte seine Gedanken lesen. Doch dann fragte sie sich, ob sie mit der Wahrheit leben könnte." In Honors Grundschulzeit gab es einen Jungen, an den sie sich ewig erinnern würde. Er war anders, als die anderen Jungs...