Kapitel 19 - Sechs nette Sachen

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Es gibt so viele Dinge an ihm, die einfach keinen Sinn machen, aber gleichzeitig so gut zusammenpassen. Er ist eine definitiv verkorkste Seele, wieso sollte er also nicht seinen Spiegel abreißen? Wieso sollte er nicht einen gruseligen Hund mit nur einem Auge halten? In seinem Kopf wird es mit Sicherheit Sinn machen, irgendwo ganz tief in seinen verschlüsselten Gedanken. Ich, als Außenstehende kann nur die Stirn runzeln, doch ich habe natürlich auch keinen Blick in seinen Kopf, wie gerne ich es auch hätte.

Ich bücke mich nach meinen Klamotten, lasse sie aber schnell wieder fallen, weil sie wirklich komplett in Schlamm und Wasser getränkt sind. Es ist unmöglich sie anzuziehen, ohne dass ich nicht gleich wieder schmutzig werde. Mir das Handtuch über die Schultern werfend, weil ich so dermaßen friere, seufze ich. Das ist ein Desaster.

Eine Lösung würde sich natürlich anbieten, doch mich das zu trauen, ist eine andere Sache. Harry einfach mal nach Klamotten zu fragen, ist wahrscheinlich schlimmer, als würde ich ihn nach hundert Pfund fragen. Es ist sehr intim und da er es nicht so mit dem Teilen seiner Privatsphäre hat, bin ich mir sicher, dass er mich auch gleich nackt rausschmeißen wird, wenn ich ihn danach frage. Doch mir bleibt nichts anderes übrig. Meine Klamotten sind einfach im Eimer.

Ich wickle mir das schwarze Handtuch um den Körper, bin froh, dass es groß genug ist, um meine komplette Blöße zu überdecken und öffne wieder die Tür. Oh je. Harry wird wütend werden. Er wird wütend werden und mich rausschmeißen, ich bin mir so sicher, doch hoffe auf ein wenig Verständnis von ihm. Dass eventuell seine nette Phase noch nicht vorüber ist und er mir einfach ein altes T – Shirt und eine alte Hose von ihm gibt. Ich muss nur nach Hause kommen.

Beinahe ängstlich laufe ich durch den Flur, achte darauf nicht auf gefährliche Gegenstände zu treten und stelle mich in den Türrahmen zu dem Raum, wo Harry drin sitzt. Er sitzt gelangweilt auf der Couch und guckt Fernseher. Doch dann sieht er zu mir. Sein Blick fällt auf meinen Körper, der kaum bedeckt ist, dann wieder in mein Gesicht. „Was soll das?", fragt er und setzt eine böse Miene auf.

Noch mehr verunsichert, halte ich das Handtuch um meine Brust fester und sehe auf meine blanken Füße. „Ich, ähm, ..." Weil ich denke, dass er mich wieder gereizt unterbrechen wird, stoppe ich und sehe ihn an, aber er tut es nicht. Er sieht mich zwar gereizt an, doch redet nicht. Deswegen rede ich weiter. „Ich habe keine Klamotten."

„Doch hast du."

„Ja. Aber sie sind stark beschmutzt und nass ... Ich kann sie unmöglich anziehen."

„Und?"

Unstet kaue ich auf meiner Innenlippe. „Vielleicht ... Vielleicht könntest du mir, na ja ... Etwas von deinen geben."

Er sieht von mir weg. „Vergiss es. Sieh zu, wie du klar kommst."

Enttäuscht davon, dass seine nette Phase anscheinend wirklich schon ein Ende genommen hat, drehe ich mich um und gehe wieder ins Bad. Das hätte ich mir eigentlich auch denken können. Ich kann mich glücklich schätzen, dass er nicht noch schlimmere Sachen zu mir gesagt hat.

Ich bücke mich wieder zu meinen Klamotten und inspiziere sie erneut. Ich ziehe mir meine Unterwäsche an, die zum Glück nicht nass ist und versuche mich dann in meine komplett durchnässte Jeans zu quetschen. Ich verzweifle. Der Stoff klebt widerspenstig an meiner Haut und es will einfach nicht funktionieren. Ich bin am Ende. So geht das nicht. So kann das einfach nicht gehen. Harry hat schon keinen Fön womit ich meine Haare trocken machen kann, was definitiv eine Erkältung hinter sich herziehen wird und jetzt auch noch meine dreckigen Klamotten. Ich könnte eigentlich auch gleich hier auf dem Boden ausrutschen und mir ein Bein brechen, das wäre beinahe das weniger schlimme Übel.

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