Kapitel 66 - Lügner und Betrüger

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Ich bin ausgelaugt, als ich unser großes Haus betrete. Ich starre nur noch vor mich hin und kann nicht fassen, was eben gerade passiert ist.

Harry ist gegangen und ich ... ich bin jetzt hier. Zwar mit meinen Eltern, doch trotzdem fühle ich mich einsamer, denn je.

Meine Eltern wissen jetzt, dass ich mit ihm in Kontakt stand und Esther wird von Sekunde zu Sekunde verrückter. Harry wollte sie umbringen. Alles wird aus dem Ruder laufen. Ich habe es im Gefühl. Mir fließen nur noch stumme Tränen über die Wangen, während ich meinem Vater durch den Flur ins Wohnzimmer folge. Er ist wütend. Doch das bin ich auch. Irgendwie ...

Ich denke nur an Harry. Was wird jetzt passieren? Ist es sogar möglich, dass ich ihn jetzt wirklich nie wieder sehen werde, weil er gegangen ist?

„Honor", keucht meine Mutter, als ich im Türrahmen des Wohnzimmers stehe. Sie kommt auf mich zu und ohne es erwartet zu haben, drückt sie mich fest.

Ich weiß nicht, ob ich sie umarmen kann. Sie wird mir sagen, dass ich Harry nie wieder sehen werde. Ich weiß es.

„Es tut mir leid", schluchzt sie in mein Haar und drückt mich fester. „Esther hatte sich nicht unter Kontrolle. Sie wird dir nichts mehr tun. Das verspreche ich dir."

Ich reagiere nicht mal darauf. Ich nicke einfach. Esther ist mir egal. Von mir aus kann sie an einem Herzinfarkt sterben. Ich will einfach nur zu Harry zurück.

Während mein Vater sich gekränkt auf die Couch setzt, nimmt meine Mutter mein Kopf zwischen ihre Hände und betrachtet mein Gesicht mit Tränen in den Augen. „Was hat sie mit dir gemacht? Es tut mir so unendlich leid. Wir haben nichts mitbekommen."

„Sie hat mich geschupst", gebe ich monoton zurück. „Und mir an den Haaren gezogen."

Die Unterlippe meiner Mutter beginnt zu zittern und sie drückt mich wieder. „Schatz, das tut mir so leid ... Joel und sie werden nicht mehr bei uns wohnen."

„Sie kam letzte Nacht in mein Zimmer", sage ich noch.

„Das wird nicht mehr passieren. Noch heute wird sie verschwinden."

Ich nicke und sie atmet tief ein und aus, dann wischt sie sich schniefend die Tränen von den Wangen. Das ist das erste Mal seit langem, dass ich sehe, wie sie sich ernsthaft um mich sorgt. Doch trotzdem kann ich mich nicht dafür interessieren. Denn im Endeffekt ...

„Ihr werdet Harry und mich wieder trennen", sage ich ausdruckslos und sehe meine Mutter oder meinen Vater nicht mal an.

Ich bin so erschöpft. So erschöpft.

Mama seufzt und lässt mich los. „Honor ..."

Ich sehe auf. „Was?" Sie soll es einfach sagen. Schlimmer kann es nicht werden.

Sie setzt sich zu Papa auf die Couch. Dann klopft sie leicht auf die Couch, damit ich mich zu ihnen setze, was ich auch tue. Kurz herrscht Stille. Doch dann sagt sie: „Du sagtest doch, du hältst dich von ihm fern."

Ich sage nichts. Was soll ich auch darauf sagen? Es ist offensichtlich, dass es eine Lüge war.

Mama atmet tief durch. „Es tut mir leid, Honor, aber wir können das nicht akzeptieren. Du hast uns belogen und dich hinter unserem Rücken mit diesem Jungen getroffen."

Wieder sage ich nichts. Tatsache.

Sie wartet, bis ich etwas darauf zurückgebe, doch ich bin einfach still. Deswegen spricht sie weiter. „Du hast gesehen, was er getan hat ... Ich hoffe, du bist wenigstens jetzt von ihm abgeschreckt. Hast du gesehen, wie er Esther gegriffen hat? Seine eigene Mutter."

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