Kapitel 17 - Teufelshund

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„Also notier dir bitte den 3. Februar", sagt Misses Baskin, während ich meine Violine in meinem Koffer verstaue. „Du darfst den Vorspieltermin nicht verpassen. Geh am besten in der Woche nicht zu viel raus, damit du nicht krank wirst, das ist wirklich sehr, sehr wichtig."

Eine weitere vierstündige Probe an einem weiteren Samstagabend, mit weiteren Reden von Misses Baskin darüber, wie wichtig das Vorspiel ist und wie absolut grausam ich meine Sonate spiele, geht vorüber. Diese Probe war ich sogar noch schlechter, als die ganze Woche. Dadurch, dass Mama und Misses Baskin mir noch mehr Druck mit dem Vorspiel in Birmingham machen, scheine ich umso unkonzentrierter.

Und dann ist da natürlich noch Harry. Egal wie wenig ich an ihn denken mag, tue ich es trotzdem. Die Art, wie er mit mir umgeht, empört mich mehr als genug und dass er gleichzeitig noch so viele Geheimnisse hat, die ich gerne lüften würde, nimmt mir einfach jegliche Konzentration. Ich weiß nicht wieso, aber er ist interessant, auch wenn er stets aufmüpfig und gemein ist. Nur ob er auf eine positive Art interessant ist, würde ich nicht behaupten. Er ist interessant als Mensch an sich, wieso er so ist, wie er nun mal ist, ein Mysterium, das man gerne hinterfragen und näher betrachten würde, doch mehr nicht. Ich bin mir beinahe sicher, dass er diese Art schlechter Mensch ist, die kein Gewissen und jegliche Humanität schon vor Jahren abgelegt hat. Zumindest verhält er sich so. Ich sollte mich nicht mit so jemanden auseinander setzen, doch irgendwas lässt meine Gedanken doch immer wieder zu ihm schweifen.

„Und sei morgen früh pünktlich um neun Uhr hier", redet Misses Baskin weiter und sammelt die vielen Notenblätter ein. „Ich dulde diesmal keine Unpünktlichkeit, wie die ganze letzte Woche."

Ich bin nur einmal fünf Minuten zu spät gekommen, würde ich sie gerne korrigieren, doch ich nicke gehorsam und nehme meinen Koffer in die Hand. „Aber wenn ich pünktlich sein muss, dann sollten wir zehn Uhr machen. Morgen früh sind wir in der wöchentlichen Kirchenmesse, das wissen Sie doch."

„Oh, stimmt." Sie hält mir den Ordner mit den Notenblättern hin. „Dann morgen um zehn Uhr. Pünktlich."

„Versprochen, Misses Baskin", sage ich und lächle ihr nochmal zu, bevor ich das Gebäude erschöpft verlasse.

Früher haben mir die Proben jeden Tag Spaß gemacht, doch heute ist es nur noch pure Folter, der ich nicht aus dem Weg gehen kann. Seit ich diesen Druck im Hinterkopf habe, weil ich unbedingt dieses Vorspiel schaffen muss, klappt gar nichts mehr. Selbst das Üben Zuhause bekomme ich nur halbherzig hin, weil mir die Lust und der Wille zu alledem einfach fehlen. Ich schaffe es ja doch nicht.

Doch weil der Tag nicht schon schlimm genug war, bekomme ich genau in der Sekunde einen Regentropfen ab, als ich den ersten Schritt nach draußen mache. Klasse. Der Weg nach Hause ist lang und meine Karte um U-Bahn zu fahren, habe ich schlauerweise nicht dabei. Genervt halte ich mir den Koffer über den Kopf und gehe mit schnellen Schritten Richtung nach Hause. Ich laufe eine Abkürzung durch ein paar Gassen, damit ich schneller Zuhause bin, die ich sonst nicht laufe, weil ich es hier nicht mag. Es ist dreckig und hier stinkt es immer widerlich nach Einöde. Hier wohnen auch Leute, doch diese Menschen tun mir nur leid, denn hier zu wohnen, muss eine Schar sein.

Ich muss nur noch um eine Ecke laufen, dann habe ich es schon geschafft und ich komme wieder an die weniger gruseligen Stellen von Cardiff. Doch genau in der Sekunde, in der ich um die Ecke laufe, guckt mich ein Hund an. Ich bin tierlieb und es würde mich nicht stören, wenn ein streunender Hund vor mir steht, doch dieser Hund ... Kann man so etwas Hund nennen? Man sieht ihm augenblicklich an, dass er von dieser Gegend hier kommt, sein Fell ist zerpflückt und ihm fehlt das rechte Auge, das ihn noch angsteinflößender wirken lässt.

Ich bleibe stocksteif stehen und hoffe, dass er mir nichts tut, weil er mir genau in die Augen sieht und mich anknurrt. Als ich vorsichtig versuche einen Schritt nach rechts vorne zu machen, um an ihm vorbei zu laufen, bellt er plötzlich lauthals und ich schrecke auf Anhieb auf, lasse einen leisen Schrei los, der mehr wie ein Wimmern klingt.

Remember His StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt