Kapitel 67 - Geschrei, Gefluche, Gepolter

27.7K 2.4K 236
                                    

Ich schnappe erschrocken nach Luft. „Wie meinst du das, er ist seit gestern Abend verschwunden?"

„Ich meine damit, Honor", sagt Niall und sieht mich an. „Dass Harry seit gestern Abend verschwunden ist. Einfach weg. Verschollen, wie Tom Hanks in Cast Away. Normalerweise verschwindet er nicht einfach so, auch wenn man das vielleicht denken mag."

Mein Herz pocht heftig. Sofort spielen sich unendlich viele Szenarios in meinen Kopf ab, die mit Harry passiert sein könnten. Esther und Joel sind letzten Abend auch gegangen, vielleicht haben sie Harry irgendwie ... und er könnte ...

Sofort greife ich nach meinem Handy in meiner Jackentasche. „Ich werde Dale anrufen."

„Dale?"

„Sein Bruder", sage ich und halte mir das Handy ans Ohr, kaue mir nervös an den Fingernägeln.

Niall haut sich leicht an die Stirn. „Oh, stimmt ja. Mein altes Säuferhirn."

Dale geht ran. „Ja, Honor, ich weiß, wo Harry ist", meldet er sich.

Ich blinzle verwirrt. „Wa-''

„Bist du bei ihm Zuhause?"

„Ja."

„Ich bin sofort da."

Und er ist definitiv sofort da. Keine zehn Minuten später, kommt er mit seinem Truck um die Ecke gefahren. Niall und ich steigen ein.

„Dale", kreische ich leise auf, als er mit zu hoher Geschwindigkeit um die Kurve fährt. Ich kralle mich in den Sitz des Beifahrers. „Wieso fährst du so schnell?"

„Ich muss gleich kotzen", höre ich Niall im Hintergrund.

„Weil Harry bei Eduard ist", erklärt Dale schnell und kommt gar nicht erst auf die Idee, auch nur ein km/h langsamer zu fahren.

„Ach", sagt Niall. „Da hätte ich auch selbst drauf kommen können."

Ich runzle die Stirn. „Wieso klingt das, wie etwas sehr Gefährliches?"

Dales Blick ist immer noch konzentriert auf die Straße. „Eduard weiß, dass du und Harry irgendwie ... Er weiß es nun mal. Und das will er nicht. Deswegen steckt Harry in Schwierigkeiten."

„Wieso?" Ich bin total durcheinander. „Ich meine, was hat Eduard denn vor?"

„Er hat Harry heute Nacht für einen Auftrag gebraucht und danach wird er ihn sich zur Brust nehmen. Ich bin mir fast sicher, dass Harry sich gegen ihn wehren wird und das lässt er sich nicht gefallen. Wenn wir nicht wollen, dass Harry irgendwelche Knochenbrüche erleidet, dann sollten wir dort dringend hin."

Ich reiße die Augen auf. Mir bleibt die Luft weg. „Was?"

Harry sollen Schmerzen zugefügt werden? Mal wieder wegen mir? Ich verstehe diese ganze Konstellation nicht. Was haben all diese Leute dagegen, dass er und ich zueinander finden? Das ist für mich ein riesiges Rätsel.

Dale hält in der Stadt, vor einem Pub. „Hier ist es", sagt er und wir steigen alle aus.

Mein Adrenalinpegel steigt wieder bis ins Unermessliche und ich habe keine Ahnung, was gleich passieren wird oder was mich erwartet. Ich hoffe, dass wir Harry einfach fluchend vorfinden und es ihm gut geht. Auch wenn er vorhin gegangen ist, kann ich ihn so nicht sehen. Vor allem nicht wegen mir.

Wir laufen durch den Pub, Dale du Niall kennen anscheinend den Barkeeper, deswegen führt er uns zu einer Tür und schließt sie auf. Vorher sieht er sich noch um, ob irgendwelche Leute uns beobachten. Er öffnet sie und wir müssen eine Treppe ins Dunkle hinabsteigen.

Remember His StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt