Chapter 64
Vollkommen überfordert, weil er mich ins kalte Wasser schmeißen wollte, starrte ich ihn sprachlos an. Zögernd trat ich zwei kleine Schritte näher, sodass ich diagonal vom Kofferraum stand. In Taehyungs Gesicht sah man dieses typisch breite Grinsen von ihm, praktisch sein Markenzeichen. "T-Taehyung-ah..", flüsterte ich unsicher, um ihm zu zeigen, dass ich mich noch nicht bereit dazu fühlte. Seine einladende Körperhaltung zwang mich beinahe dazu, in das Auto zu steigen und Jungkook sofort zu beichten, was mir seit Tagen oder schon Wochen auf dem Herzen lag. Taehyungs Zähne entfernten sich allmählich voneinander, um mir etwas sagen zu können, als auf einmal etwas Rundes aus der Tür kam. Es war der Kopf eines älteren Herrn, der herausragte. Auf seiner Halbglatze befand sich ein ganzer Wald von Leberflecken und auf seiner Nase saß ein sehr eigenartiges Modell einer Brille. Vor lauter Schreck machte ich einen Sprung zurück und schaute so drein, als hätte ich einen Geist gesehen. Wäre es einer der Jungs gewesen, dann hätte ich mich wahrscheinlich nicht so sehr erschrocken, doch mit diesem Mann hatte ich wirklich nicht gerechnet. Zum ersten Mal hatte ich das Vergnügen, diesen älteren Herrn zu treffen. War das etwa dieser Sejin, von dem sie alle sprachen?
Verwirrt von meiner unerwarteten Reaktion, schloß Taehyung den Mund und verzog das Gesicht. Der Mann, der bis jetzt mich die ganze Zeit angesehen hatte, drehte seinen Kopf zu Taehyung. Sein stechender Blick konnte einem echt Angst machen. Der Schock war schon einigermaßen verflogen, doch irgendwas an diesem Kerl ließ Unruhe in mir aufkommen. Stets konfus, blickte Taehyung mich so lange an, bis er auf die Idee kam, meinen Augen zu folgen. Als er den gruselig aussehenden Mann erblickte, war er genauso erschrocken wie ich, vielleicht auch einen Tacken mehr. Taehyungs Augen weiteten sich von einer Sekunde auf die andere, seine Hand ließ die Autotür los und reflexartig fiel er nach hinten, was dazu führte, dass er mit dem Rücken kraftvoll gegen das Auto hinter ihm knallte. Es gab ein knallendes Geräusch, das in der Tiefgarage hallte. Noch erschrockener als zuvor, riss ich die Augen auf. Nachdem sein Körper nach dem Abprall auf dem Boden gelandet war, weil seine Beine wahrscheinlich an Kraft verloren hatten, sprang ich zu ihm hin, da er nicht mehr als einen Meter entfernt war. So schnell wie möglich legte ich meinen Arm um seinen Rücken, um seinen Körper einigermaßen zu heben.
Zum Glück wurde er nicht ohnmächtig, denn kurz darauf öffnete er die Augen und musterte mich mit leicht zugekniffenen Augen. Panisch stieg mein Puls an. "Das hat ein bisschen weh getan..", kam unverständlich aus seinem Mund, doch ich konnte es ungefähr entschlüsseln. Dass ausgerechnet sowas passieren würde, hätte ich nicht erwartet. Wenn es Sejin wäre, dann hätte er doch nicht so reagiert, oder? Somit wandte ich mich zum Mann, der uns immer noch schweigend anblickte. Der sah so unfassbar gruselig aus, ich hatte ehrlich keine Worte dafür. Es vergingen gefühlt 5 Minuten, in denen wir uns schweigend anstarrten, bis der Mann sich dazu entschied, doch mit mir zu reden. "Wolltet ihr was?" Wie unhöflich war der denn bitte? Erst jagte er Taehyung einen riesigen Schock ein, sodass er gegen ein Auto knallte, und dann entschuldigte er sich nicht einmal dafür. Nun bezweifelte ich sehr, dass dieser Typ Sejin war. Wütend verzog ich das Gesicht und wollte ihn gerade anschnauzen, als plötzlich eine Hand auf meinem Mund landete. Fragend senkte ich meinen Kopf zu Taehyung runter, der anfing leicht zu kichern. Was sollte das?
Mit seiner anderen Hand stützte er sich mühevoll etwas vom Boden ab und richtete seine Augen auf den Mann. "Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören. Anscheinend habe ich mich mit dem Auto vertan." Seine Hand nahm er von meinem Mund, fasste sich mit dieser an seinen Hinterkopf und kicherte verlegen. Er kannte diesen Mann nicht? Auch nicht vom Sehen? Jedenfalls wirkte es so, als würde Taehyung ihn kein bisschen kennen. Ein zweites Mal versuchte ich etwas zu sagen, doch ich bekam mit dem Fuß einen leichten Tritt. Dass er mich dabei nicht ansah und mich vollkommen ignorierte, verwirrte mich. Sein Blick galt immer noch dem Mann, dem ich unbewusst folgte und dann entdeckte ich, dass noch mehr Männer in dem Auto saßen. Irgendwie sah jeder von ihnen sehr suspekt aus. Als hätte Taehyung es gewollt, dass ich ins Innere des Autos schaute, stemmte er sich von mir und dem Boden und rappelte sich langsam auf. Um ihnen nicht das Gefühl zugeben, dass ich sie angestarrt hatte, schaute ich hoch zu Taehyung. "Verzeihen Sie uns bitte. Auf Wiedersehen!", verabschiedete er sich von dem komischen Mann und zog mich hoch.
Nichts sagend, nickte der Mann, musterte Taehyung aber auffällig. Ohne mich nur eines Blickes zu würdigen, packte er mich beim Arm und zog mich mit sich. Dem Mann wunk er grinsend zum Abschied. Typisch Taehyung. Mit einem lauten Knall machte der Mann die Tür zu, woraufhin er sich beim Gehen nach hinten umdrehte und das Auto beäugte. Vorhin hatte er noch wie immer breit gegrinst und nun schien sein Gesichtsausdruck super misstrauisch. Außerdem hatte er sich erst erschrocken, als er den Mann entdeckt hatte, und plötzlich tat er einfach so, als hätte er sich mit dem Auto vertan. Was. War. Hier. Los?! Unverzüglich drehte er sein Gesicht nach vorne und lief noch schneller als zuvor. "Taehyung Oppa.", wollte ich ihn auf das, was eben geschehen war, ansprechen, doch er gab mir keine Zeit auszureden. "Dongsaeng, wir müssen so schnell wie möglich zum Van. Ich erzähle dir gleich, was los ist." So monoton hatte ich seine Stimme noch nicht gehört. Dass sowas überhaupt bei ihm möglich war, unglaublich. Einfach nur überfordert, hielt ich die Klappe, wie er es mir indirekt befohlen hatte. Aus Angst, ich könne nicht ganz hinterher kommen, hielt er meinen Arm fest, bis wir bei dem Van ankamen. Nun schien es so, als sei er sich sicher, dass das der richtige Van war.
Wenn ich das Auto so betrachtete, dann sahen sich die beiden Vans schon sehr ähnlich, also das, vor dem wir standen, und das von vorhin. Als hätte er mich vergessen, ließ er meinen Arm los, stapfte zu irgendeiner Hintertür und riss diese auf. Ich schaute runter zu meinem Arm, weil dieser auf einmal pochte vor Schmerzen. Anscheinend hatte Taehyung diesen so stark festgehalten, dass er nun weh tat. Ebenfalls sah man einen roten Abdruck von seiner Hand. Eigentlich hatte es gar nicht weh getan, als er mich mit sich geschliffen hatte. Für eine kurze Zeit in meinen Gedanken verloren, merkte ich zu Beginn gar nicht, dass Jeongguk aus dem Auto gestiegen kam. Erst, als ich hörte, wie besorgt er meinen Namen aussprach, schaute ich hoch und entdeckte ihn vor mir. Ein bisschen neben der Spur, sah ich in seine wundervollen, dunkelbraunen Augen. Ich konnte gar nicht oft genug sagen, wie schön sie doch waren. Bevor ich ihn fragen konnte, wieso er mich so besorgt ansah, hatte er auch schon seinen Arm um meine Schultern gelegt und mich mit sich gezogen. "Komm schnell ins Auto.", befahl er mir streng und schaute sich zeitgleich um.
Bevor ich ins Auto stieg, schaute ich ein letztes Mal zu ihm hoch und hätte glatt in seine wunderschönen Augen versinken können. Sein starker Arm, der auf mir lag, gab mir ein Gefühl von Geborgenheit. Wäre es wohl falsch, wenn ich ihn jetzt umarmen würde? Ich wollte ihn so sehr umarmen. Schon lange hatte er mich nicht mehr in seinen Armen gehalten, geschweige denn geküsst. Wir waren schließlich ein Paar, da war das doch okay, sich gegenseitig zu zeigen, wie sehr man sich liebte. Hobeom-ssi und der CEO sollten alles nicht so eng sehen. Waren die beiden noch nie verliebt gewesen? Ohne über irgendwelche Konsequenzen nachzudenken, legte ich einen Arm um seinen Rücken und den anderen über seine Schulter, sodass ich ihn umarmte. Lächelnd schmiegte ich mich an ihn und fühlte mich wohl. "Dea-yah?", stieß er geschockt aus. Mit einem Lächeln wollte ich ihm zeigen, dass es okay war. Sie konnten es uns schließlich nicht für immer verbieten. Somit drückte ich meinen Kopf von ihm, um ihm in die Augen sehen zu können. In dem Moment merkte ich, dass mir wie aus dem Nichts ein wenig schwindelig war, weswegen ich die Augen etwas zusammenkniff. Mehrere Male blinzelte ich und mein Lächeln verschwand. Meine Sicht war nicht mehr Jungkooks besorgter Gesichtsausdruck, sondern eine plötzliche, vollkommene Dunkelheit. Mich verließ alle Kraft und ich spürte nur noch, wie ich ihn losließ und nach hinten fiel. An mehr erinnerte ich mich nicht mehr.
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Bulletproof Desire
FanficKaum sind die Herbstferien vorbei, muss Dea auch schon zurück nach Seoul, um dort ihren einjährigen Sprachkurs fortzusetzen. Herzlicher Empfang? Fehlanzeige! Das Taxi, das sie in die Stadt bringen soll, gibt den Geist auf, woraufhin sie sich kurzerh...