Chapter 5
Stille machte sich unter den Schülern breit. Die einzige Stimme, die man im Klassenraum hörte, war die der Lehrerin. Eigentlich sollte man meinen, dass sie konzentriert dabei sein mussten, da der Aufenthalt hier eine freiwillige Sache war, doch alle freuten sich nur auf das Wochenende. Keiner machte mehr die Aufgaben, die uns aufgetragen wurden. Die Augen aller Schüler, sogar meine, waren auf die Uhr an der Wand gerichtet, denn wir alle warteten sehnsüchtig darauf, dass es endlich punkt schlug. Einerseits fand ich dieses Verhalten unangemessen, doch andererseits konnte ich es nachvollziehen. Nach diesen Monaten, die schnell umgingen, hatte man hier schon Freunde gefunden und sich eingelebt.
Fünf Minuten vor dem Schellen gab uns unsere Lehrerin noch die Hausaufgaben auf, die wir über das Wochenende erledigen sollte und erlaubte uns, dass wir schonmal unsere Sachen einpacken durften. Als ich das in einer Rekordzeit schaffte, stand auch schon meine liebe Freundin Jane vor mir. Freudig schmunzelnd sah sie dabei zu, wie ich mir meine Jacke anzog. "In welches Café wollen wir heute gehen?", wollte sie wissen, nachdem ich fertig war. Schulterzuckend stand ich vor ihr und wartete auch wie die anderen auf das Klingeln der Glocke. "Eine Bekannte hat mir ein Café vorgeschlagen, dass in deiner Nähe ist und auch noch neu dazu.", fügte sie hinzu und kämmte ihre Haare mit ihren Fingern.
Gerade als ich dazu etwas sagen wollte, ertönte das erhoffte Klingeln und alle stürmten raus, bis auf Jane und ich. "Auf Wiedersehen und schönes Wochenende, Sansaengnim.", verabschiedeten wir uns gleichzeitig von unserer Lehrerin mit einer knappen Verbeugung. Sie entgegnete uns mit der selben Geste und fast denselben Worten und wunk uns zum Schluss. Beim Verlassen der Schwelle des Klassenzimmers sprachen wir wieder miteinander, da alle Klassenkameraden weg waren und es nicht mehr so laut war. "Es ist so erfrischend, dass wir endlich aus diesem Gebäude rauskommen." Jane hatte recht. Zwar sahen wir uns tagtäglich und verbrachten auch den späten Nachmittag oft miteinander, aber meistens blieben wir in diesem Gebäude.
Unsere Schule befand sich in einem sehr hohen Wolkenkratzer, indem es auch ein Fitnessstudio, ein Restaurant und eine Bar gab. Dazu hatte die Etage der Schule auch noch einen Aufenthaltsraum, eine Küche und eine Bibliothek für die Schüler. Also die Schule hier hatte viel mehr zu bieten als die in Deutschland, wobei man bedenken muss, dass ich dort auf eine öffentliche Schule ging, die kostenlos war. Jedenfalls antwortete ich ihr nur mit einem Nicken und hoffte, dass sie es so meinte, wie ich es verstanden hatte. Aus dem Gebäude raus, liefen wir auch schon zu der Bahn, die nicht sehr weit entfernt war. Irgendwie war hier alles sehr zentral, fiel mir auf.
Während wir auf unseren Zug warteten, stieß Jane mich plötzlich mit ihren Ellebogen an. Ihr Blick, der mir unangenehm war, sollte nichts Gutes heißen. "Du wolltest mir noch etwas erzählen." Für kurze Zeit starrte ich sie so an, als ob sie ein Monster wäre oder ähnliches, bis es mir einfiel und ich ein "Ach, genau" von mir ließ. "Es ist eine lange Geschichte, also muss ich schon jetzt damit anfangen." Mit diesen Worten funkelten Janes Augen wie ein sternenbedeckter Himmel, den es hier in Seoul nicht gab, jedenfalls nicht in der Innenstadt. Man sollte wissen, dass Jane für jede Geschichte zu begeistern war, egal ob sie Wahrheit entsprach oder eben nicht. "Geht es um diesen Jungen, den du kennengelernt hast?", wollte sie direkt wissen.
Obwohl ich es anfangs nicht wollte, hatte ich ihr am Samstag, nachdem ich Jeongguk und Jimin getroffen hatte, von diesen Ereignissen teilweise erzählt. Ich war mir sicher, dass Jane mich auf irgendeine Art und Weise ins Unglück stürzen würde, sobald sie davon wusste, aber dieses Mal musste ich ihr davon erzählen. Den Risikofaktor blendete ich dabei aus, was ich lieber nicht tun sollte. Nach einem "Jup" erschien ein verkrüppeltes Duckface auf meinem Gesicht und sie wusste, was das hieß. "Wenn du dieses Gesicht machst, dann muss die Geschichte toll sein. Schieß endlich los.", rief sie gespannt, krallte sich an meinem Ärmel fest und rüttelte an mir wie eine Irre. "Schon gut, schon gut. Jane, chill deine Lage, bitte, und lass mich erzählen."

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Bulletproof Desire
FanfictionKaum sind die Herbstferien vorbei, muss Dea auch schon zurück nach Seoul, um dort ihren einjährigen Sprachkurs fortzusetzen. Herzlicher Empfang? Fehlanzeige! Das Taxi, das sie in die Stadt bringen soll, gibt den Geist auf, woraufhin sie sich kurzerh...