Chapter 38
Der Tag, an dem sich offenbarte, dass Jane Korea verlassen würde, verging in einem Zug. Wir diskutierten lang und intensiv darüber, wie es weitergehen sollte und wie es aber in Wirklichkeit weitergehen würde. Bei diesem Gespräch nahm ich überraschenderweise eine Position an, in der ich mich sonst eigentlich nie befand. Ausnahmsweise war Jane diejenige, die in diesem Fall realistisch dachte, auch wenn viele ihrer vorherigen Vorgehensweisen nicht nachvollziehbar waren. Ich hingegen konnte mich gar nicht davon losreißen, sie davon zu überzeugen, hier zu bleiben. Zwar befand ich mich nicht in der Lage, das zu sagen, aber ich fühlte mich hilflos in diesem Moment und alles andere schien aussichtslos. Unnachgiebig suchte ich für ein Problem eine alternative Lösung, für das es im Grunde keine Alternative gab.
Wenn man mal so darüber nachdachte, waren meine Mühe und die Anstrengung, sie zu überzeugen, umsonst gewesen. Ich redete die ganze Zeit davon, dass sie hierbleiben sollte, aber wie sollte das gehen, wenn ihr Visum ablief? Zu dem Zeitpunkt hatte ich mir das zu einfach vorgestellt. Es war verdammt dumm von mir gewesen, von ihr zu verlangen, hierzubleiben und sozusagen als illegale Einwanderin zu leben oder sowas Ähnliches. Klar, sie hätte ihr Visum verlängern können, aber bis der Papierkram fertig war, würde sie schon längst wieder in England sein. Das wäre dann auch nicht das einzige Problem gewesen, sondern sie müsste ihren Wohnvertrag verlängern, wenn ihr Onkel ihr noch die Wohnung zur Verfügung stellen würde, sie müsste anderen Papierkram hinter sich bringen und wahrscheinlich bräuchte sie sogar einen Job. Zudem konnte ich ihr nicht eine Freundschaft aufzwingen, bei der das Risiko bestand, auf Seokjin zu treffen.
So leicht, wie ich es mir gedanklich vorstellte, war es im Endeffekt also nicht. Immer wieder fragte ich mich, was ich hätte tun können. Es dauerte ein Weilchen, bis ich feststellte, dass mir die Hände gebunden waren. Kurz bevor wir uns hinsetzten, um uns darüber zu unterhalten, meinte Jane ja auch, dass sie Korea eigentlich nicht verlassen wollte. Mir brach wieder und wieder das Herz, sobald ich zu hören bekam, dass sie Jin für wirklich alles verurteilte und er damit der Grund für ihre Entscheidung war. Nicht nur ich, sondern auch sie, wusste, dass es falsch war, ihn dafür verantwortlich zu machen. Nur zu gut konnte ich mir vorstellen, wie er darüber dachte und darüber fühlte. Was würde passieren, wenn er von ihrem Plan erfuhr? So sensibel wie er war, würde ihm die knallharte Wahrheit zu schaffen machen.
Für mich persönlich war es unfassbar schwer, eine so gute Freundin wie Jane einfach gehen zu lassen. Vielleicht machte ich ab und an den Eindruck, dass ich mich nicht für sie interessierte, aber ich gehörte einfach nicht zu der Kategorie Mensch, die Freunden gegenüber Gefühle zeigte und es eher verbergte, so gut es ging. Sicherlich wurde sie von mehr Gedanken geplagt, als es bei mir der Fall war, weil es nun dazu gekommen war, dass sie mich zurücklassen musste. Ich wollte ja nicht kitschig klingen oder so, aber am selben Abend sprachen wir auch über unsere Freundschaft. Wir waren uns sicher, dass wir jetzt nicht die allerbesten Freundinnen waren, da Jane sich mir am Anfang aufgezwungen hatte, ehrlich gesagt. Sie sagte, dass sie es nicht ertragen hätte, mich allein zu sehen, obwohl ich mich nicht einsam gefühlt hatte, doch gerade, als ich anfing mich einsam zu fühlen, sollten sich unsere Wege trennen.
Mit der Zeit, die wie im Fluge verging, wurde uns klar, wie gefährlich nah wir dem Abschied waren. Obwohl die Nächte bei uns beiden schlaflos endeten, weil wir zusammen die nötigen Vorkehrungen trafen, merkten wir, wie eilig es die Zeit hatte. Ehe wir uns versahen, saßen wir beide schweigend nebeneinander auf einer Bank in der Nähe des Eingangs, der für die Passagiere als Aufenthaltsmöglichkeit und sonstiges diente, bis deren Flug kam. Ohne Ticket hatte ich natürlich keinen Zutritt in diesen Bereich. Seit dem gemeinsamen Mittagessen hatten wir selten ein Wort miteinander gewechselt, weil wir beide sonst in einem Gefühlsausbruch enden würden. Man sollte die letzte gemeinsame Zeit eigentlich genießen, aber wir waren uns nicht sicher, ob das eine so gute Idee war. Seit einigen Wochen wurde das Verhältnis zwischen uns deutlich angespannter, was keine große Überraschung war, und da war es besser, wenn man nicht mehr davon sprach.
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Bulletproof Desire
FanficKaum sind die Herbstferien vorbei, muss Dea auch schon zurück nach Seoul, um dort ihren einjährigen Sprachkurs fortzusetzen. Herzlicher Empfang? Fehlanzeige! Das Taxi, das sie in die Stadt bringen soll, gibt den Geist auf, woraufhin sie sich kurzerh...