62. Colleagues

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Chapter 62

Keine Geräusche, die von einem Menschen kommen könnten, waren hörbar. Nur die Autos auf der Hauptstraße in der Nähe gaben ein Lebenszeichen von sich. Mich auf die Geräusche um mich herum konzentrierend, lief ich um einiges schneller als sonst. Nun waren meine Schritte und mein lautes Atmen das lauteste, das ich vernahm. Wenn ich nun abrupt stehenblieb, würde sich ein eventueller Verfolger verraten, oder? Diesem Gedanken ging ich nach, sobald er mir in den Sinn gekommen war. Wie angewurzelt blieb ich stehen, hielt inne und schaute mich vorsichtig um. Nichts Auffälliges machte sich bemerkbar. Erleichtert seufzend, legte ich meine Hand auf mein schnell schlagendes Herz und lief so schnell wie zuvor weiter. Trotzdem änderte es nichts daran, dass ich mich paranoid umschaute. Nachdem ich um die Ecke gebogen war, konnte ich schon das schwarze, große Auto entdecken, das auf mich wartete. Als ich es sah, fiel mir ein Stein vom Herzen. Jetzt konnte mir nicht mehr viel passieren, schließlich war ich nur einige Meter davon entfernt. Es dauerte nicht lange, bis sich eine hintere Tür öffnete und die Dame herausstieg, die schon seit Wochen für mich zuständig war. Stumm lächelnd, nickte sie mir zur Begrüßung.

Bevor ich mich dazu entschied, ins Auto einzusteigen, wagte ich einen letzten Blick nach hinten. Absolut niemand war dort. Skeptisch wandte ich mich zögernd zurück zu der Dame, die mir die Tür aufhielt. Ebenfalls leicht lächelnd begrüßte ich sie mit einem Nicken. So stieg ich ins Auto ein und nahm Platz. Nicht einmal eine Minute später hatte die Frau es mir gleich getan, die Tür zugeknallt und der Fahrer drückte schon auf's Gas. Ein weiterer Seufzer voller Erleichterung entfuhr mir. Ich nahm mir einige kräftige Atemzüge, um mich zu sammeln. "Wie war die Schule, Miss Dea?", fragte sie mich wie beinahe jeden Tag. Derselbe Ton, derselbe Gesichtsausdruck und dieselbe Sitzposition. Manchmal würde ich ihr zu gerne ins Gesicht kneifen, um wenigstens einmal eine andere Emotion von ihr zu sehen. Auf diese Frage fiel meine Antwort stets kurz aus. Mit einem einfachen "Gut" war alles gesagt. Nach diesem sehr, sehr kurzem Small Talk kehrte Stille ein. Ich hatte nichts gegen diese Stille, weil ich sowieso nicht wusste, worüber ich mit ihr reden sollte. Wenn es mal Informationen gab, die ich wissen musste, erzählte sie mir von vornherein davon. Ansonsten hatten wir uns nie viel zu sagen. Aus diesem Grund wandte ich meine Augen zum Fenster.

Lynn war seit nicht einmal einer Woche zurück in Deutschland. Ich musste echt zugeben, dass sich einige grundlegende Dinge verändert hatten. Allerdings lag es nicht nur an ihrem Verschwinden. In der Zeit, die ich ohne die Jungs verbrachte, war ich komplett allein. Nun gut, Frau Nam, meine Aufpasserin oder besser gesagt Nanny, war recht oft bei mir. Trotzdem änderte es nichts daran, dass es mir meistens so vorkam, als sei sie überhaupt nicht anwesend. In dem Sinne musste ich alleine schlafen, alleine zur Schule, alleine zurück zum Big Hit und meine Zeit alleine verbringen. Im Grunde war ich zurück in der Zeit angelangt, in der Lynn und Jane nicht in Korea waren und ich ab und zu meine Zeit mit den Jungs verbrachte. Mit der Ausnahme, dass ich beschattet wurde. Das fühlte sich extrems weird an, aber wie schon gesagt, war Frau Nam meistens wie Luft. Meine Freizeit, die ich mit den Jungs verbringen durfte, war begrenzt. Zu Beginn hatte ich gedacht, dass ich viel Zeit mit ihnen verbringen würde, um dieses Fake-Image aufrecht zu erhalten, doch in dem Punkt hatte ich mich geirrt. Bis jetzt war ich noch nie mit ihnen unterwegs gewesen und war ab und zu bei Tanzproben dabei. Die Gelegenheit, mich mit ihnen wenigstens zu unterhalten, gab es selten. Schließlich sollte es nur aussehen, als würde ich mit ihnen zu tun haben.

Dementsprechend fühlte ich mich einsam. Vielleicht auch ein wenig allein gelassen. Ich sollte eigentlich daran gewöhnt sein, da ich ganz allein nach Korea gekommen war. Keine Verwandten, keine Bekannten, keine Freunde. Es gab eine Zeit, in der ich es sogar geliebt hatte, wenn ich mal nicht meine Freizeit mit Jane verbringen musste. Ein introvertierter Mensch wie ich liebte es, allein zu sein. Damals war ich nie einsam, im Augenblick war ich's aber schon. Obwohl alles mehr oder weniger wie vor einigen Wochen oder sogar Monaten geworden war, war es für mich seelisch mehr als schwer, so weiterzuleben. Ich vermisste meine Freunde, auch wenn sie so nah bei mir waren. Niemand von ihnen konnte etwas dafür, ehrlich nicht. Wenn man einmal im Leben erfuhr, was richtige Freundschaft war, dann wollte man dieses Glück nie mehr loslassen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto trauriger machte es mich. Es war von Notwendigkeit, mich an dieses "Alleinsein" zu gewöhnen. So traurig es auch klang. Mir war es praktisch auferlegt wieder die alte Dea zu werden. Die Dea, die wie zuvor ohne Jungkook, Namjoon, Jin, Jimin, Taehyung, Suga, Hoseok und Jane weiterleben musste.

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