Bis zu meinem ersten Schluck Kaffee wankte ich am nächsten Morgen durch das Haus wie ein Zombie. Zu meinem Glück musste schon sehr viel passieren, damit ich Augenringen bekam, denn sonst hätten sie bestimmt bis zu meinen Knien gereicht. Erst nach dem Schluck Kaffee wurde es besser und nach einer Kopfschmerztablette war ich wieder ein vollwertiger Mensch. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gute Laune, mein Bluterguss war zwar immer noch grasgrün, aber das sah man ja durch die Klamotten nicht, doch sie wurde immer mieser, bis sie schließlich am Nachmittag der Spendengala ihren Nullpunkt erreicht hatte: Ich saß auf meinem Bett, während Ian und Vika versuchten mich dazu zu überreden auf der Gala aufzutreten. >>Bitte Rosanna, tu es für die Wale. <<, versuchte es Ian, womit er einen wunden Punkt traf. Er wusste genau wie sehr ich Tiere liebte. Vika appellierte an mein Pflichtbewusstsein: >>Du bist außerdem schon eingetragen. << Doch erst Fi brachte mich zum Aufstehen, als sie in die Tür trat und sagte: >>Sag nicht du bist zu feige um aufzutreten! << Stöhnend stand dich vom Bett auf: >>Na gut, ihr habt gewonnen. Ich spiele, aber das ist echt unfair. Ihr wisst genau wo ich angreifbar bin! << Alle drei grinsten bis über beide Ohren. Fi führte mich in ihr Zimmer wo ein Kleid an der Schranktür hing, das in einer Kleiderhülle verpackt war. >>Schließ die Augen und mach sie erst auf wenn ich es dir erlaube. <<, befahl Fi. Zweifelnd sah ich sie an, schloss aber die Augen. Der Stoff fühlte sich auf meiner Haut seidenweich an und das Kleid war so leicht wie eine Feder. Nachdem Fi mich geschminkt und frisiert hatte trat sie vor mich, wobei ihr ein bewundernder Laut entfuhr. Dann schob sie mich einmal quer durch den Raum bis wir vor einer Wand stehen blieben. >>Jetzt mach die Augen auf! <<, befahl sie. Vor mir stand ein Mädchen mit Pfirsichhaut, Apfelbacken und blutroten Lippen. Die silbernen Splitter in ihren Augen leuchteten wie die hellsten Sterne an einem, mit grauen Wolken verhangenem, Nachthimmel. Ihr Haar floss über ihren Rücken wie flüssiges Feuer, dazu bildete ihr Kleid einen starken Kontrast. Denn statt aus Stoff war ihr Kleid, das vorne knapp über den Knien endete und hinten auf dem Boden lag, aus an ihr hinabfließendem Wasser. Nur die Bandage an ihrem Handgelenk störte das Bild ein wenig, den Bluterguss an ihrem Rücken hatte ihre Cousine mit viel, sehr viel, Make-Up überdeckt, sodass er nicht zusehen war, obwohl das Kleid Rückenfrei war. >>Bin das ich? <<, fragte ich das Mädchen im Spiegel atemlos. Fi kicherte: >>Wer sonst? << Ich wirbelte herum und fiel ihr um den Hals: >>Du hast ein Wunder vollbracht, aber mal ganz ehrlich, wie willst du das denn zu Abschlussparty noch toppen? << >>Ich musste gar nicht viel machen! Bei so einer Grundform kann das Ergebnis nur perfekt sein. Glatte, reine Haut, eine gute Figur und natürlich deine Haar- und Augenfarbe. Und keine Angst, das kann ich noch toppen. <<, meinte Fi. >>Aber ist das nicht etwas zu viel? <<, fragte ich vorsichtig. Doch Fi winkte ab: >>Quatsch, du musst doch die Leute für die anderen Auftritte entschädigen. Außerdem sind hier alle bei solchen Galas aufgedonnert wie für den roten Teppich. Passiert ja sonst nichts, hier am Ende der Welt. << Ich lächelte beruhigt, dann machte ich mich auf den Weg zur Treppe. >>Wow! <<, tönte es aus Fis Richtung, >>Du kannst selbst ohne hohe Schuhe mit so einer Schleppe laufen ohne zu Stolpern? Du bist das geborene Topmodel. << Ich fing an so zu laufen wie die Models auf dem Catwalk, allerdings übertrieb ich maßlos, und wackelte mit dem Hintern. Wir brachen in Gelächter aus, da rief Ian von unten: >>Ist ja schön dass ihr euch da oben amüsiert, aber wir müssen langsam los. << Kurz vor der Treppe hackte sich Fi bei mir unter und als wir zum Treppenabsatz kamen, sagte sie: >>Verehrte Damen und Herren, ich präsentiere ihnen, die fabelhafte, einzigartige, wunderschöne Rosanna Wender! << Alle drehten sich zu uns um als wir die Treppe runterliefen. Ihre Reaktionen hätte man eigentlich fotografieren müssen, aber natürlich hatte ich mal wieder keine Kamera dabei: Ian klappte die Kinnlade hinunter, Vika schlug sich die Hände vor den Mund, Tränen glitzerten in ihren Augen und Scott blinzelte, rieb sich die Augen, und starrte mich an. Ich grinste die drei an und als sie sich nach einer halben Minute noch nicht bewegt hatten hob ich spöttisch eine Augenbraue. Fis Prusten brach ihre Erstarrung, allesamt überschütteten sie mich mit Komplimenten, doch das taten sie irgendwie immer. Wahrscheinlich taten sie das weil der Tod meiner Eltern ja erst vier Wochen her war, was mir wie eine Ewigkeit vorkam. Dann wurden alle, bis auf mich, mal wieder total hektisch.
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Feen der Elemente
FantasyRosannas Eltern sterben bei einem Autounfall, den sie schwer verletzt überlebt. Ihre einzigen Verwandten leben in einem Vorort von Portree, der Hauptstadt von Skye. Dort lernt sie den attraktiven Logan kennen, der sie total verrückt macht, obwohl si...