Wie üblich hatte Fi die Oberhand beim Fertigmachen. Ich wurde von ihr auf den Stuhl gedrückt und durfte mich dort keinen Millimeter wegbewegen, während sie geschäftig um mich herumtanzte. Nachdem sie entsetzt festgestellt hatte, dass ich seit dem Ball kein Gesichtspeeling mehr gemacht hatte, begann sie, wie sie es nannte, mit einer >>Grundreinigung<<. Meine zahlreichen Versuche, sie darauf hinzuweisen, dass das alles gar nicht nötig sei, ignorierte sie gekonnt. Also gab ich irgendwann auf und lies sie einfach machen. Und eines musste man Fi lassen, sie war wahnsinnig gut darin! Als sie schließlich mit ihrem Werk zufrieden war, drückte sie mir eine Kleiderhülle in die Hand und schob mich in das Bad, das unsere beiden Zimmer verband. Da Fi von draußen drängelte, hatte ich keine Zeit das Kleid genauer zu betrachten. So schnell es ging, schlüpfte ich in das Outfit und bemühte mich, den Reißverschluss zu schließen, was mir aber nicht ganz gelang. Dann trat ich mit einer Hand am Rücken, um den Reißverschluss zusammenzuhalten, aus dem Badezimmer.
Zufrieden musterte Fi mich: >>Du siehst toll aus! Der Farbton harmoniert perfekt mit deiner Haarfarbe und ich musste in letzter feststellen, dass es echt nicht einfach ist, für eine Rothaarige einzukaufen. << Während sie den Reißverschluss an meinem Rücken schloss, erwiderte ich: >>Tja, so ist das nun mal. Aber sag mal, wo hast du immer das Geld für die ganzen Kleider her? <<
>>Och, eigentlich sind die Kleider ja gar nicht so teuer wie sie aussehen, weißt du? Ich habe eine Freundin, die in einem Second-Hand-Shop arbeitet, in dem sie auch alte Theaterkostüme verkaufen. Jedenfalls kauft sie die Sachen dann immer mit ihrem 50%-Mitarbeiterrabatt und ich gebe ihr später das Geld. <<
>>Du hast damit meine Frage aber immer noch nicht beantwortet. <<
>>Mhm? <<
>>Naja, auch wenn es günstig ist, musst du doch immer noch dafür bezahlen!?<<
>>Versprich mir, dass du dich nicht aufregst! <<
>>Warum sollte ich mich denn aufregen? <<
>>Versprich es einfach. <<
>>Na gut, ich verspreche es! <<
>>Das Geld kommt von meinen Eltern...<<
Es war schwer, mein Versprechen zu halten. Die Feuermagie sorgte nämlich nicht nur dafür, dass meine Körpertemperatur anstieg, sondern auch dafür, dass meine Emotionen überkochten. Ständig. Überall. In jeder Situation. Außerdem fiel es mir wahnsinnig schwer, mich an Regeln zu halten. Ich musste mich richtiggehend dazu zwingen, nach der Pause pünktlich im Unterricht zu erscheinen. Oder dazu, nicht auf meinem Tisch herum zu kritzeln. Einmal hatte völlig aufgelöst Logan davon berichtet. Doch er hatte nur gegrinst und gefragt, was daran denn so schlimm sei. Als ich ihn daraufhin vollkommen entgeistert angesehen hatte, war nur sein wunderschönes Lachen zu hören gewesen. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte und ich gerade noch rechtzeitig aus meiner schwärmerischen Trance erwacht war, bevor es peinlich geworden wäre, hatte er mich aufgeklärt. Diese Eigenschaften, die ich seit neustem an mir bemerkte, waren typisch für Feen des Feuerclans. Zu einem Clan zu gehören bedeutete mehr, als nur dasselbe Element zu beherrschen. Feen aus einem Clan teilten dieselben charakterlichen Haupteigenschaften, konnten Kraft aus dem Edelstein des Clans schöpfen und konnten sich in dieselben Tiere verwandeln. Ja, richtig gehört, alle Feen sind so nah mit der Natur verbunden, dass sie sich in drei je nach Clan unterschiedliche Tiere verwandeln können. Die Tiere können zumindest grob den jeweiligen Elementen zugeordnet werden. Dem entsprechend verwandelten sich Erdfeen immer in die Landtiere Pferd, Maus und Eichhörnchen. Die Mitglieder des Wasserclans wurden zu den im Wasser lebenden Tieren Delfin, Krebs und Koralle. Dem Luftclan waren die Vögel Adler, Spatz und Falke vorbehalten. Die große Ausnahme stellte der Feuerclan dar, der sich außer in den gewöhnlichen Feuersalamander in die mythologischen Gestalten Drache und Phönix verwandelte. Jedenfalls ist es natürlich nicht so, dass alle Feen eines Elements gleich sind. Die Charakterzüge können mehr oder weniger stark ausgeprägt sein und dominieren die Persönlichkeit nicht zwingend. Zum Beispiel gibt es auch freundliche und zuvorkommende Feuerfeen, obwohl eine typische Eigenschaft des Feuerclans die Arroganz ist. Auch ich war zum größten Teil immer noch ich selbst und hatte diese neue Seite, zumindest meistens, ganz gut im Griff.
>>Wie viel haben die Kleider gekostet? <<, fragte ich, nachdem ich mich wieder unter Kontrolle hatte.
>>Warum? <<
>>Wie warum? <<
>>Na, warum willst du das wissen? <<
>>Ich will nur wissen, wie viel ich ihnen zurückzahlen muss. <<
>>Aber das musst du doch gar nicht! <<
>>Doch! Sie können doch nicht alles für mich zahlen. <<
>>Sie würden es sowieso nicht annehmen. <<
>>Dann bringe ich sie eben dazu. Wie viel haben die drei Kleider jetzt gekostet? <<
>>Drei Kleider? <<
>>Das blaue, das ich auf der Spendengala getragen habe, das Kleid vom Ball und dieses hier. <<
>>Das Galakleid war letztes Jahr mein Frühlingsballkleid. Außerdem, kannst du es nicht einfach auf sich beruhen lassen? Sie es doch einfach als Ersatz für all die Geburtstag- und Weihnachtsgeschenke der letzten 16 Jahre. <<
Am liebsten hätte ich erwidert, dass ich ihnen ja auch nie etwas geschenkt hatte. Doch ich beließ es einfach dabei und nickte ergeben. Nun widmete ich mich endlich dem Kleid. Das dunkle Grün des Samts, aus dem es bestand, wies eine erschreckend große Ähnlichkeit mit der Farbe von Logans Augen auf. Das Kleid besaß einen runden Ausschnitt, war ärmellos und endete knapp unter dem Knie. Die Taille umfasste ein schwarzes Band, das Fi zu einer Schleife gebunden hatte. Alles in allem war es, vor allem für Fi, ein sehr anständiges Kleid. Als ich meinen Blick von dem absolut hinreißenden Kleid losreißen konnte, bemerkte ich, dass Fiona dasselbe Kleid trug, nur in weinrot. Bevor ich ihr ein Kompliment machen konnte, klingelte es unten an der Tür und ich war für einen kurzen Moment zur Salzsäule erstarrt. >>Ich denke, wir sollten unseren Gast begrüßen gehen <<, sagte sie vorsichtig, so als hätte sie Angst ich würde weglaufen, sobald sie Logan erwähnte. Ehrlich gesagt war das auch gar nicht so abwegig, zumal mir auch keine Ausrede einfiel, um das Unvermeidliche noch weiter hinauszuzögern. Wir waren beide schon komplett angezogen, hergerichtet und dezent geschminkt. Also gab es keinen Ausweg, obwohl...
>>Sag mal Fi, hast du überhaupt Lippenstift aufgetragen? <<
>>Ne, ich hab heute mal nur farblosen Lipgloss verwendet. <<
>>Aber du trägst doch normalerweise sogar wenn wir nur faul rumliegen Lippenstift. <<
>>Heute aber eben nicht. <<
>>Und warum? <<
>>Logan wird heute gar keine andere Wahl haben, als dich anzusehen. <<
Mein Gesicht sah wahrscheinlich aus, wie ein einziges, großes Fragezeichen, weswegen sie sich auch das Lachen nicht ganz verkneifen konnte. Dennoch versuchte sie genervt zu wirken: >>Hör mal, ich kann Logan zwar so überhaupt nicht leiden, aber ich mag es, wie glücklich du bist, wenn ihr zusammen seid und dass du Stunden nachdem ihr euch getroffen habt, immer noch strahlst. Außerdem ertrage ich es nicht länger, wie apathisch und unglücklich du bist, seit ihr euch zerstritten habt. << Mir stieg die Hitze ins Gesicht, als sie Logans Wirkung auf mich ansprach. Verlegen wandte ich mich von Fi ab und aus Ermangelung an anderen Möglichkeiten erneut meinem Spiegelbild zu. Sie hatte sich heute auch was das Make-up zurückgehalten. Außer den getuschten Wimpern, dem dünnen schwarzen Lidstrich und dem dezenten Lidschatten, der nur eine, höchsten zwei, Nuancen dunkler war als meine Teint, trug ich nur noch einen Lippenstift in der Farbe von dunkelroten Rosen. Fi schien wirklich alles daran zu setzen, Logans Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. >>Steht mir dieser Farbton überhaupt? <<, wandte ich mich an Fi, nachdem sich mein Gesicht wieder abgekühlt hatte. Sie wirkte ein wenig empört: >>Sonst hätte ich ihn ja wohl kaum aufgetragen, oder? << Obwohl mir im Augenblick eher nach einer Panickattacke zu Mute war, musste ich grinsen. In diesem Moment zog Fiona mich mit den Worten >>Bevor du es dir noch anders überlegst! << aus ihrem Zimmer und die Treppe hinunter.
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Feen der Elemente
خيال (فانتازيا)Rosannas Eltern sterben bei einem Autounfall, den sie schwer verletzt überlebt. Ihre einzigen Verwandten leben in einem Vorort von Portree, der Hauptstadt von Skye. Dort lernt sie den attraktiven Logan kennen, der sie total verrückt macht, obwohl si...