66. Kapitel

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Im Nachhinein konnte ich nicht mehr sagen, wie lange wir so verweilt waren. Irgendwann hatte ich das Buch, das der, inzwischen selig, mit dem Kopf immer noch auf meinem Schoß, schlafende Logan zuvor aus dem Regal mitgebracht hatte, zur Hand genommen. Nach einigen erfolglosen Versuchen, die entweder Deutsch oder eine Mischung aus Deutsch und Englisch hervorgebracht hatten, schaffte ich es tatsächlich, das Buch komplett in Englisch zu übersetzten. Mein freudiges »Juhu!« weckte Logan aus, der deswegen zuerst ein wenig schlecht drauf war, seine Meinung aber schnell änderte, als er den Grund erfuhr. Da ich ja allerdings immer mit dem Buch in Berührung bleiben musste, gestaltete sich das Lesen für andere Leute als etwas schwierig. Logan war jedoch der festen Überzeugung, dass ich mich mit ein wenig Training bald nur noch in der Nähe aufhalten würde müssen. Ich zweifelte daran, ließ mich aber nur zu gerne von seiner Begeisterung anstecken, zumal es ihn ziemlich effektiv von den vorherigen Stunden, Lorn und der Vergangenheit ablenkte. Schließlich, gegen Mittag, rief Vika an, um uns darüber zu informieren, dass der Schneepflug sich gerade an ihnen vorbeigekämpft hatte und jetzt in unsere Richtung unterwegs war. Und tatsächlich: eine halbe Stunde später beobachtete ich den Pflug, wie er an Logans Zuhause vorbeifuhr. Beinahe ein wenig traurig machte ich mich daran, meine Sachen, die den Ausflug am vorherigen Tag zum Glück unbeschadet überstanden hatten, fein säuberlich zu falten und in eine von Logan geliehene Tasche zu packen. Die restlichen Pfannkuchen nahm ich vorsichtshalber auch mit, nicht das Vika beim ersten Blick in den Kühlschrank nach ihrer Heimkehr mit einem Teller voller schlecht gewordener Pfannkuchen überrascht werden würde. Als ich dann mit meinem Kontrollrundgang durch das Haus fertig war, ich wollte sichergehen, dass alle Geräte, die vorher ausgesteckt gewesen waren, es wieder waren, alle Fenster verriegelt waren, keine Kerze mehr glomm und so weiter, wartete Logan schon in der Diele auf mich. Schnell schlüpfte ich in meine Stiefel, die restlichen Sachen hatten wir gestern im Auto liegen lassen. In letzter Zeit fiel es mir ziemlich schwer, daran zu denken eine Jacke anzuziehen, geschweige denn Handschuhe, Schal und Mütze. Seit ich regelmäßige Feuermagie verwendete, war schließlich nicht nur meine Körpertemperatur gestiegen, sondern ich war auch unempfindlicher gegen Hitze und Kälte gleichermaßen geworden. Daher hielt es mein Körper nun offenbar nicht mehr für nötig, sich bei Minustemperaturen dick einzumummeln, doch wenn man normal rüberkommen wollte, war es nicht unbedingt vorteilhaft bei eisiger Kälte in Shorts und T-Shirt rumzulaufen, um es ein wenig überspitzt auszudrücken. Auf dem Weg zum Auto hatte ich dieses Mal leider nicht so viel Glück, wie gestern Abend. Das Eis auf der letzten Treppenstufe brachte mich zu Fall und ohne eine Möglichkeit mich festzuhalten spürte ich schon fast die harten Stufen in meinem Rücken und an meinem Hinterkopf. So weit kam es jedoch nicht, Logan, der neben mir hergegangen war, fing mich auf, kurt bevor mein Oberkörper auf die Stufen prallen konnte und zog mich so schnell nach oben, dass ich erst bemerkte, dass ich tatsächlich nicht aufgekommen war, als er mich schon an seine Brust drückte. »Man Rose, jag mir doch nicht so einen Schrecken ein!«, stieß er wütend aus, doch das Zittern in seiner Stimme schien einen anderen Grund zu haben. Ich war erstarrt, ob der Schock wegen des beinahe Falls oder das Erstaunen über die Angst in seiner Stimme daran Schuld war, vermochte ich nicht zu sagen. »Entschuldigung, ich hab nicht aufgepasst«, brachte ich schließlich kleinlaut heraus. Logan schüttelte den Kopf, bevor er sein Kinn auf mein Kopf ablegte und sagte: »Nein, ich muss mich entschuldigen. Ist ja nicht so, als wärst du mit Absicht auf dem Glatteis ausgerutscht. Es ist nur, ich hab' dich schon mit blutendem Kopf auf den Stufen liegen sehen...« Mein Herz machte angesichts seines Geständnisses einen Satz. »Tja, ich fürchte Eis ist einfach nicht mein Element«, scherzte ich, immer noch an seine Brust gedrückt. Diese vibrierte an meinem Ohr, als er leise lachte. »Nein, das ist es wirklich nicht«, er löste sich von mir. »Aber an jetzt hältst du dich bitte an mir fest, wenn wir über irgendwas gehen, auf dem du ausrutschen könntest, okay? Reine Vorsichtsmaßnahme.« Bei diesem ernsthaften und zugleich besorgten Blick in seinen Augen konnte ich nichts anderes tun, als zu nicken, auch wenn diese Forderung ziemlich absurd war.

Feen der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt