Blue stand, in ein weißes Hemd und eine hellgraue Hose, beide aus Stoffen, die, wie er mir erzählt hatte, nur von Feen hergestellt und verarbeitet werden konnten, gekleidet, regungslos in der Mitte der Lichtung. Wusste man nicht, dass er da war, hätte man ihn auch einfach übersehen können, da sogar seine Hautfarbe heute der des Schnees glich. Am Eingang der Lichtung stehend, beobachtete ich ihn noch einen Moment, fasziniert davon, wie er so dastehen konnte, ohne auch nur die geringste Regung, doch als er mich nicht bemerkte, sprach ich ihn an: »Hey du da! ist dir nicht kalt?« Er drehte sich in einer fließenden Bewegung um und sobald er erkannte, dass ich es war, verwandelte sich sein steinerner, neutraler Gesichtsausdruck in ein breites Grinsen. »Rose, da bist du ja!« So schnell wie der Wind, und zwar wortwörtlich, denn es gehörte zu den Begabungen des Luftclans, so schnell laufen zu können, dass alle anderen ihre Bewegungen mit bloßem Auge nicht mehr erkennen konnten, rannte er auf mich zu, schloss mich in seine Arme und wirbelte mich wie ein kleines Kind durch die Luft. Nachdem er aufgehört hatte, drehte sich alles in meinem Kopf, weswegen ich noch eine Weile gegen ihn gelehnt stehen blieb. Schließlich sah ich zu ihm auf und wollte lachend wissen: »Warum bist du denn so gut drauf? Ist dein Familientreffen so gut verlaufen?« Für einen kurzen Moment verdüsterten sich seine Augen, bis es aussah, als würde ein Sturm in ihnen wüten. || Doch genauso schnell kehrten sie wieder zu ihrer üblichen fast weißen Farbe zurück und er strahlte mich glücklich an: »Nein, das Treffen lief nicht so gut. Es gab mal wieder jede Menge Streitereien, besonders zwischen meinem jüngeren Bruder und dem Ältesten von uns. Da stehen sich einfach zwei gegensätzliche Persönlichkeiten gegenüber. Aber die Treffen mit dir habe ich echt vermisst, deswegen bin ich jetzt einfach glücklich, dich wiederzusehen!« Mir schoss das Blut in die Wangen, natürlich hatte ich ihn auch vermisst, allerdings machte es mich trotzdem verlegen, es so direkt von ihm zu hören. »Ach, du hast doch bestimmt nur mein Essen vermisst«, zog ich ihn scherzhaft auf. Geschockt starrte er mich an: »Natürlich nicht! Also, ich meine, ich habe mich schon auch auf den Gebäck gefreut, aber Muffins oder Kekse, egal wie lecker sie sind, könnten doch niemals deine Gesellschaft ersetzen!« »Das weiß ich doch«, beschwichtigte ich ihn, glücklich lächelnd. »Ich hab dich auch vermisst!« Jetzt lächelte auch er glücklich, dann nickte er in Richtung der hohen Bäume am Rand der Lichtung: »Wollen wir nach oben, hier ist es ziemlich nass.« »Gleich, zuerst hab' ich aber noch was für dich«, langsam, darauf bedacht das Papier nicht anzureißen, zog ich das Geschenk aus dem Rucksack und reichte es ihm. Er nahm es zwar, machte aber keine Anstalten, es auszupacken, sondern sah mich nur fragend an: »Ein Weihnachtsgeschenk?«
»Jain. Es ist mehr so ein „danke, dass du immer für mich da bist und mir zur Seite stehst" – Geschenk mit Weihnachten als Anlass. Also los, pack es aus!«
»Ich weiß nicht, ob ich das annehmen kann.«
»Du musst sogar!«
»Wenn du es sagst.«
Vorsichtig löste er die Tesafilm - Streifen, die das weiße, mit silbernen Schneeflocken bedruckte, Papier zusammenhielten. Ein wenig überfordert sah er von dem säuberlich gefalteten Stoffbündel in seinen Händen zu mir und wieder zurück. Lachend nahm ich ihm das Geschenkpapier ab, faltete und verstaute es in meinem Rucksack. »Falte ihn auf! Sonst siehst du ja gar nicht, wie er aussieht.« Verlegen grinsend schüttelte er das Bündel auf, bis sich der Stoff vollständig vor ihm entfaltet hatte. Es war ein gefütterter Umhang, die innere Schicht aus hellgrauem Samt, die Äußere aus einem wasser- und schmutzabweisenden Stoff mit seidiger Optik in eisblau. Im Inneren befand sich oben auf jeder Seite jeweils eine Tasche, der Verschluss war mit einer schlichten Schneeflocke aus Silber verziert. Meine Aufmerksamkeit zogen im Moment allerdings die Falten auf sich, die den Umhang in horizontale rund vertikaler Richtung durchzogen, vermutlich entstanden dadurch, dass er so lange zusammengelegt in meinem Schrank gelegen hatte. Blue schien sie jedoch zum Glück nicht zu registrieren oder sie störten ihn nicht. Dennoch konnte ich, in meiner perfektionistischen Art, nicht anders, als mich für ihr Vorhandensein zu entschuldigen: »Die Falten sind wahrscheinlich durch das lange Zusammengelegt-Sein entstanden. Normalerweise bekommt dieser Stoff nämlich so gut wie nie Falten. Es ist natürlich kein Gewebe aus Feenhand, aber ich habe versucht, etwas möglichst ähnliches zu finden. Blue unterbrach meinen Redefluss mit einem beherzten »Danke! Er ist wirklich toll!« Schwungvoll warf er ihn sich über die Schultern, scheiterte dann fast am Verschluss, schaffte es dann jedoch, nach einigen erfolglosen Versuchen, den Umhang zu schließen. »Wie sehe ich aus?«
»Super! Also ich will mich ja nicht selbst loben, aber ich wusste einfach, dass dir sowas steht.«
»Mir war gar nicht bewusst, dass die Menschen noch so etwas tragen.«
»Tun sie auch nicht mehr, zumindest der Großteil nicht. Ich habe ihn, mit tatkräftiger Unterstützung durch eine erfahrene Schneiderin, selbst gemacht.«
»Wow, das muss viel Arbeit gewesen sein.«
»Du hast ja auch schon viel für mich getan.«
Für einen kurzen Augenblick starrte er in Leere, sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Doch dann fing er sich wieder und strahlte mich an: »Also, wollen wir?« »Jap, ich habe Proviant dabei«, gab ich glücklich zurück, schlang meine Arme um ihn und schloss die Augen.
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Feen der Elemente
FantasyRosannas Eltern sterben bei einem Autounfall, den sie schwer verletzt überlebt. Ihre einzigen Verwandten leben in einem Vorort von Portree, der Hauptstadt von Skye. Dort lernt sie den attraktiven Logan kennen, der sie total verrückt macht, obwohl si...