77. Kapitel

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»Logan, kannst du bitte etwas schneller fahren? Ich muss pünktlich bis 13 Uhr zurück an der Schule sein«, versuchte ich zum wiederholten Male, ihn anzutreiben. Mir kam es allerdings so vor, als würde er jedes Mal, wenn ich das sagte, noch ein bisschen weniger auf das Gaspedal treten. »Warum hast du es denn so eilig?«, wollte er, ebenfalls zum wiederholten Male, von mir wissen. Nervös biss ich mir auf die Lippen, während ich auf den Tacho linste. Wir fuhren gerade mal 15 km/h! »Bitteeee!«, bettelte ich, ohne auf seine Frage zu reagieren. Da lenkte er plötzlich nach rechts und trat auf die Bremse, so dass wir am Straßenrand zum Stehen kamen. »Solange du mir nicht sagst, warum du so aufgeregt bist, fahre ich nirgendwo mehr hin«, erklärte Logan, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich an. Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, ebenfalls die Arme zu verschränken und zurückzustarren. Doch ein weiterer Blick auf die Uhr im Armaturenbrett verriet mir, dass es bereits Viertel vor eins war, also blieb mir nichts anderes übrig, als mich geschlagen zu geben. »Versprich mir, dass du nicht schon wieder wütend wirst.« Misstrauisch musterte er mich, nickte aber schließlich. »Ich bin in der Mittagspause mit Aiden verabredet«, gestand ich ihm. Er hatte seine gute Mühe damit, sich zurückzuhalten, das sah man ihm an. Seine Augen funkelten aufgebracht, während er in der exakt selben Position verharrte. »Komm schon Logan. Ich will ihm nur dafür danken, dass er mich und Fiona von der Party nach Hause gefahren hat.« »Warum musst du dich dafür mit ihm alleine treffen? Reicht da nicht ein schlichtes Danke, meinetwegen ein kurzer Händedruck«, schimpfte er. »Logan, du hast versprochen, dass du dich nicht aufregst.«
»Ich bin RUHIG!«
»Alles klar.«
»Kannst du mir bitte erklären, warum du dich mit ihm verabreden musst, wenn du nichts von ihm willst?«
»Also erstmal habe ich nie gesagt, dass ich nichts von ihm will. Und wenn, wäre daran auch nichts Schlimmes. Aiden ist gutaussehend, höflich, freundlich und hat einen tollen Humor! Das würde dich auch überhaupt nichts angehen, egal, was da in dir vorgeht. Außerdem hat er uns nicht nur nach Hause gefahren, sondern hat Fiona auch noch hoch in ihr Zimmer gebracht, statt mich einfach mit ihr vorm Eingang stehen zu lassen, also reicht meiner Meinung nach ein einfaches „Danke" nicht!«
Da Logan darauf scheinbar nichts zu sagen hatte, blieb er stumm, blies die Backen auf und schmollte. Genervt griff ich nach dem Türgriff und wollte aussteigen, mir bleiben zwar nur noch zehn Minuten, aber zu Fuß hatte ich noch größere Chancen anzukommen als in einem stehenden Auto. Bevor ich die Tür jedoch öffnen konnte, sprang der Motor wieder an und das Auto rollte los.

Eine Minute nach eins kamen wir an der Schule an. Immer noch hatte Logan kein Wort gesagt, er brachte mich wirklich zum Verzweifeln. Da ich gerade jedoch keine Zeit hatte, mich mit ihm auseinanderzusetzen und zudem auch überhaupt keine Lust hatte, mit ihm zu reden, wenn er sich wie ein Kleinkind in der Trotzphase verhielt, packt ich meine Tasche und öffnete die Tür. Als ich schon halb ausgestiegen war, drehte ich mich noch einmal um und gab ihn einen leichten Kuss auf die Wange. »Danke Logan. Fürs Fahren und für die letzten Stunden, es war echt schön.« Mit diesen Worten verließ ich ihn, schloss die Autotür hinter mir und eilte zum Eingang der Schule. Kaum einen Moment später trat Aiden heraus, wir begrüßten uns und gingen los. Ein Brennen in meinem Rücken brachte mich dazu, mich noch einmal umzusehen. Logan stand, den Arm auf dem Autodach abgestützt da und starrte uns hinterher. Seine Augen leuchteten in einem unheilvollen Grün und die Lichtstrahlen, die just in diesem Moment durch die Wolkendecke brachen, die den Himmel den ganzen Tag bedeckt hatte, verfingen sich in seinem Haar, wodurch das helle Braun mit den blonden Strähnen verschmolzen, so dass es jetzt mehr wie dunkler Honig wirkte. Der Anblick war beinahe unwirklich und rief mir einmal mehr vor Augen, wie sehr sich Logan doch von normalen Menschen unterschied, sobald er einen durch diese sorgsam errichtete Fassade blicken ließ und man sein wahres, feenhaftes Ich erkannte. Auf dem gesamten Weg beschäftigte mich die Frage, ob ich auf andere wohl auch so wirkte oder ob ich mich zu sehr ans „Menschsein" gewöhnt hatte und diese übernatürliche Ausstrahlung nicht besaß.

Auch wenn ich mit meinem Kopf etwas neben der Spur war, hatte mir der Cafébesuch mit Aiden sehr gefallen. Mit ihm war alles einfach... entspannt. Ich musste mich weder verstellen, noch darauf achten, was ich sagte. Meine Beziehung zu Logan war in letzter Zeit einfach wahnsinnig kompliziert geworden und die Auseinandersetzungen hatten sich gehäuft. Aiden drängte mich nicht über Themen zu reden, über die ich nicht reden wollte, war ein Meister darin, stockende Gespräche wieder zum Laufen zu bringen und zudem unglaublich süß. Es war mir ein Rätsel, wieso sich seine Freundin von ihm getrennt hatte. Genauso wie es mir ein Rätsel war, warum ich mich nicht in so einen Typen hatte verlieben können. Grübelnd saß ich auf der Rückbank von Ians Auto, wir befanden und auf dem Heimweg, während er und Fiona vorne eine mehr oder weniger freundliche Diskussion führten. »Rose!«, rief Fi plötzlich, was mich aufschrecken ließ. Entsetzt rieb ich mir die Ohren. »Musst du so schreien? Wir sitzen im gleichen Auto«, beschwerte ich mich. »Ich hab dich jetzt schon fünfmal angesprochen, du hast einfach nicht reagiert«, erklärte sie mit besorgtem Blick, »Was ist denn los mit dir?« »Nichts, ich hab gerade nur überlegt, was ich mache, wenn Mrs Mitchell nächste Stunde wissen will, wo ich war«, versuchte ich mich herauszureden, obwohl das im Moment wirklich mein geringstes Problem war. »Logan war auch total abwesend, nachdem ihr von eurem kleinen Ausflug zurückwart«, überlegte Ian laut. Seine Schwester riss geschockt die Augen auf: »Was?! Ihr habt zusammen geschwänzt?!« »Fiona, hör auf in meinem Auto so rumzuschreien«, ermahnte diesmal Ian sie. Ihn ignorierend musterte sie mich besorgt. »Habt ihr euch wieder gestritten?« »Nicht so wirklich...«, druckste ich herum. »Gott, könnt ihr euch nicht mal zusammenreißen?« Meine Cousine schüttelte verzweifelt den Kopf und gestikulierte wild, um es noch zu unterstreichen, während ihr Bruder es ihr gleich tat, nur dass er statt den Gestiken einen besorgten Blick in den Rückspiegel warf. »Ach man, ich weiß doch auch nicht! Er hat sich wegen meinem Gespräch mit Aiden heute Vormittag aufgeregt, dann hat er sich dafür entschuldigt und alles war gut, dann hat er erfahren, dass ich mich in der Mittagspause mit ihm treffe und schon war die gut Laune wieder hin!«, erklärte ich aufgebracht und warf die Hände in die Luft, soweit es das niedrige Autodach zuließ. »Ist dann dieses Mal strenggenommen nicht Fiona auch zum Teil Schuld, weil sie auf deinem Teil der Wette bestanden hat?«, überlegte Ian laut. Seine Schwester sah ihn empört an und boxte ihm gegen den Arm. »Lass das!«, beschwerte er sich, dann drohte er: »Wenn du dich in meinem Auto nicht besser benimmst, verschnüre ich dich zu einem Paket, kneble dich und werfe dich in den Kofferraum.« Schon begann die Diskussion von vorne, während ich mich tiefer in den Rücksitz sinken ließ, in der Hoffnung damit zu verschmelzen, um weiteren Fragen zu entgehen. 

Feen der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt