63. Kapitel

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Grinsend wartete ich an der obersten Treppenstufe, bis er aus seinem Zimmer trat, dann machte ich mich auf den Weg nach unten. Die halbe Minute, die ich früher als Logan in der Küche war, nutzte ich, um den Kaffee auf zwei Tassen zu verteilen und in meinen Milch und Zucker zu geben. Danach erschien er auch schon, mit weiterhin zerzaustem Haar und verknitterten Klamotten, in der Tür. »Dein Kaffee steht neben der Kaffeemaschine. Ich wusste allerdings nicht, wie du ihn trinkst«, informierte ich ihn, während ich die dort warmgestellten Pfannkuchen aus dem Ofen nahm. Er nickte gähnend und fuhr sich durchs Haar. Lächelnd schüttelte ich den Kopf und machte mir in Gedanken gleichzeitig eine Notiz dazu, dass er seinen Kaffee mit einem Schluck Milch und einem Teelöffel Zucker trank. Nachdem er ihn zur Hälfte leergetrunken und zwei Pfannkuchen verdrückt hatte, wirkte er schon deutlich wacher. Wir unterhielten uns über alles Mögliche, ich machte einen zweite Kanne Kaffee und sah Logan grinsend dabei zu, wie er drei weitere Pfannkuchen verschlang. Schließlich lehnte er sich mit einem zufriedenen Lächeln zurück: »Die waren echt lecker. Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst.« Schmunzelnd erwiderte ich: »Tja, es gibt einiges, was du nicht über mich weißt. Obwohl ich in letzter Zeit weniger koche.«
»Warum?«
»Vika lässt mich nicht. Sie meinte, sie will nicht, dass ich mich verpflichtet fühle zu helfen... Allerdings glaube ich, dass sie zu viel Angst um ihre Küche hat, um mich alleine kochen zu lassen«, scherzte ich. Aber mal ganz im Ernst: Diese Küche war ihr Heiligtum. Ich war ja schon froh, dass ich in ihrer Abwesenheit die Kaffeemaschine bedienen durfte. Die hatte aber auch nicht sie, sondern Scott angeschafft, denn sie, wie sie immer wieder gern betonte, hielt nichts von Kaffee. Alles außer dieser Maschine war aber ohne ihre Aufsicht tabu. Für alle. Wenn ich etwas für Blue backen wollte, musste ich also immer warten, bis Vika gerade auch in der Küche zugange war. Logan lachte: »Nach dem Desaster damals mit dem Kuchen kann ich das sogar verstehen.« Neugierig geworden legte ich den Kopf schief: »Welches Kuchendesaster?«
»Hat Vika es dir noch nicht erzählt? Das ist eigentlich eine ihrer Lieblingsanekdoten.«
»Offensichtlich nicht.«
»Okay, dann erzähl ich es dir«, er räusperte sich bedeutungsvoll.
»Es war am Morgen von Vikas' Geburtstag. Die 14-jährige Fi hatte es sich in den Kopf gesetzt, ihrer Mutter zu diesem Anlass einen Kuchen zu backen. Ian hatte sie dazu überredet, ihr zu helfen. Keiner weiß, was da drinnen passiert ist, aber am Ende war die ganze Küche mit Ei, Mehl, Zucker und Kakao verschmiert. Außerdem ist der Kuchen im Ofen verbrannt, weil die beiden es im Wohnzimmer, wo sie gewartet haben, nicht bemerkt haben, war dann bald die ganze Küche voller Rauch, der Feuermelder wurde ausgelöst und ein besorgter Nachbar hat wegen dem Rauch, der aus dem gekippten Fenster quoll, die Feuerwehr alarmiert. Ian und Fi haben ein ganzes Jahr gearbeitet, um ihren Eltern das Geld für den Feuerwehreinsatz, einen neuen Anstrich in der Küche und Ersatz und Reinigung beschädigter Möbel und Utensilien zurückzuzahlen.« Erschrocken schlug ich die Hände vor dem Mund zusammen: »Oh Gott! Jetzt kann ich auch verstehen, warum sie mich nie alleine etwas in der Küche machen lässt.« Logan grinste nur angesichts meines Entsetzens. »Ach ja«, ich klatschte begeistert in die Hände, »ich habe vorhin bei mir Zuhause angerufen, die Telefone funktionieren also wieder. Wir sollen kein Risiko eingehen und warten, bis der Schneepflug vorbeigekommen ist.« »Vorher wäre ich sowieso nirgendwo hingefahren. Warte, ich helfe dir!« Ich war, während er geredet hatte, aufgestanden, in der Absicht, das Geschirr abzuspülen. Denn es gab zwar einen Geschirrspüler, aber für so wenig Geschirr lohnte es sich einfach nicht, ihn anzuschalten. Und bis er das nächste Mal eingeschaltet werden würde, war es wahrscheinlich noch eine Weile hin. »Kein Problem, ich mach das schon«, gab ich zurück. »Nein, keine Chance! Du hast gekocht, also spüle ich ab«, erwiderte er. »Na gut«, ich zuckte mit den Schultern, »dann bin ich solange im Wohnzimmer.«

Gemütlich schlenderte ich ins Wohnzimmer, mein Ziel waren die großen Bücherregalen mit den alten Feenbüchern. Ich hatte die Hoffnung, in ihnen einen Hinweis auf die Bedeutung meines Medaillons zu finden. Vielleicht würde ich ja sogar Übersetzungen zu den Schriftzeichen auftreiben können. Seit ich nämlich wusste, dass jeder Clan durch einen eigenen Edelstein symbolisiert wurde, nahm ich an, dass die vier äußeren Steine, die in einem Kreis auf dem Deckel eingelassen waren, dafür standen. Der Rot-Orangene war auf jeden Fall ein Feueropal. Auf Geradewohl zog ich ein, im Vergleich zu den anderen, recht neu aussehendes Buch auf Augenhöhe heraus. Die Übersetzung des Titels, ich nahm zumindest an, dass der hier übersetzt wurde, stand auf einem Post-It, das auf der Innenseite des Buchdeckels klebte. »Memoiren eines Verräters?«, murmelte ich halblaut. Was sollte dass denn bitte bedeuten? Hatte sich der Autor selbst einen Verräter genannt, dann war die Frage, wen er verraten hatte und warum. Oder war das Lorns' Interpretation? Nicht genau wissend, was das zu bedeuten hatte, klappte ich das Buch noch einmal zu um den Einband zu betrachten. Es war in weiches,hellbraunes Leder gefasst, der Titel, ich nahm zumindest an, dass er es war,aber wer wusste schon, was für ein Layout bei Feenbüchern üblich war, prangte in silberner Farbe darauf. Gedankenverloren strich ich darüber. Was das wohl für eine Tinte war, dass sie so gut auf dem Leder hielt, ohne eingeprägt worden zu sein? Plötzlich stutzte ich, die Finger immer noch auf dem Schriftzug ruhend.Hatte das Buch gerade vibriert? Nein, nicht das ganze Buch, es war die Schrift gewesen! Erschrocken zog ich meine Hand zurück, doch damit stoppten die komischen Ereignisse nicht. Jetzt begann sich die Schrift zu bewegen, die verworrenen Linien krochen wie winzige Schlangen auseinander, übereinander und wild durcheinander, manche schrumpften, wurden länger oder schienen einfach vom Einband eingesogen zu werden. Die Verbliebenen krochen schließlich wieder zusammen, bis sie zwar verschnörkelte, aber deutlich lesbare Buchstaben geformt hatten, sodass dort ohne Zweifel der selbe Titel wie auf dem Klebezettel stand,nur auf Deutsch statt auf Englisch. Ungläubig blinzelte ich, schloss die Augen,zählte in Gedanken bis zehn und linste dann vorsichtig durch meine Wimpern.Keine Veränderung. Dort stand immer noch deutlich lesbar „Memoiren eines Verräters". Schnell ließ ich mich auf einem der Sofas nieder, den Blick starr auf das Werk in meinem Schoss gerichtet. »Tief durchatmen Rosanna. Du bist nicht verrückt. Du glaubst seit kurzem an Feen und Magie. Also warum nicht auch Bücher, deren Schrift sich automatisch dem Leser anpasst? Das ist überhaupt nicht komisch oder gruselig«, redete ich mir gut zu. Nach einigen tiefen Atemzügen hatte ich mich wieder einigermaßen beruhigt. Entschlossen, dem Geheimnis des Buches auf den Grund zu gehen, klappte ich es auf und blätterte zur nächsten beschriebenen Seite. Kein Deutsch, nur komische Schriftzeichen.Probeweise fuhr ich mit meinen Fingern über die Seitenüberschrift. Das Vibrieren begann dieses Mal bereits beim ersten Kontakt mir der Schrift. Es war auch nicht nur die Überschrift, die sich bewegte, sobald ich meinen Finger vom Papier gehoben hatte. Das ganze Papier war voller wuselnder tintenblauer Striche. Es erinnerte mich ein wenig an das Störbild auf alten Fernsehern, wenn sie kein Signal bekamen. „Vorwort" stand, nachdem sich das Gewusel beruhigt hatte, ganz oben auf der Seite. Neugierig begann ich zu lesen:

»Sehr geehrter Leser, sehr geehrte Leserin,
vorab möchte ich eines klarstellen: wer dieses Buch liest, begibt sich in große Gefahr. Denn wie der Titel bereits sagt, ich bin ein Verräter. Ich kann nicht an die Unfehlbarkeit der vier Brüder glauben, so sehr ich es auch für meinen eigenen Frieden möchte. Zwar kann ich keine Beweise nennen, ja, ich kann noch nicht einmal wirklich sagen, warum ich selbst ihnen misstraue, aber ich tue es.Wenn Sie dieses Buch also lieber nicht lesen wollen, verstehe ich das. Im Folgenden werde ich also niederschreiben, was in meinem Leben passierte. Sowohl bevor und nachdem ich den Glauben in die Brüder, den jede Fee hat, verlor.Hoffentlich werde ich es, nachdem ich alles gesammelt niedergeschrieben habe,verstehen. Selbst wenn nicht, vielleicht können Sie es ja verstehen und daraus eine Erkenntnis oder sogar einen Nutzen ziehen.
Nun gut, beginnen wir an einem ganz normalen Tag in meinem geschätzt 120.Lebensjahr.«

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Hey Leute,
und mal wieder habe ich es nicht geschafft zu updaten😅🤦🏽‍♀️ Dafür ist das Kapitel heute für meine Verhältnisse ziemlich lang, ich hoffe es gefällt euch😊 Freut ihr euch schon auf Weihnachten? Also ich freue mich schon sehr, vor allem weil es heute geschneit hat und ich immer noch auf weiße Weihnachten hoffe❄️🌨 Zwar werden sie bestimmt nicht so weiß, wie bei Rosanna und Logan, aber zumindest ein bisschen Puderzucker wäre wirklich schön🤗 An alle, die sich wie ich auch noch in die Schule quälen müssen, eine hoffentlich stressfreie letzte Schulwoche vor Weihnachten!
Eure Luna

Feen der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt