46. Kapitel

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Ich wartete immer noch auf Logans Reaktion, doch als er nach einer Weile noch keine kam, wurde ich langsam aber sicher nervös. >>Gefällt es dir nicht?<<, fragte ich enttäuscht. Logan wirkte entsetzt: >>Doch, natürlich gefällt es mir! Es wirkt so echt, fast lebendig. Ich war nur so erstaunt, ich meine, ich weiß, dass du gut zeichnest, aber so gut...!<< Ein glückliches Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und meine Nervosität löste sich in Luft auf. >>Ich bin froh, dass es dir gefällt<<, meinte ich. Auch Logan lächelte jetzt und als er aufsah, schien für einen Moment die Zeit stehen zu bleiben während wir uns ansahen. Zum zweiten Mal in dieser Nacht war ich wie in Trance. Langsam fragte ich mich wirklich, wie ich ständig in solche Situationen kommen konnte. Wenigstes war ich dieses Mal fähig zu reagieren als er einen Schritt auf mich zu machte. Schnell machte ich einen Schritt nach hinten und stammelte: >>Also, i-ich denke, ich sollte, ich meine, ich muss jetzt dringend schlafen gehen!<< Logan wirkte fast ein wenig frustriert!? Einen Moment blieb er noch wo er war, dann nickte er auf eine Art, die beinahe widerwillig wirkte und wandte sich zur Tür. Im Türrahmen blieb er jedoch abrupt noch einmal stehen, um sich zu mir umzudrehen. >>Ich muss mir einfach ganz sicher sein: Zwischen uns ist doch wieder alles okay, oder?<<, wollte er wissen. Logan wirkte, wie er da so stand mit diesem treuherzigen Welpenblick und dem unschuldigen Ausdruck um Gesicht, wie der klischeehafte brave Junge von nebenan. Für einen Moment geriet ich ins Grübeln: Wie wäre wohl bisher alles verlaufen, wenn er tatsächlich so wäre? Brav, zuvorkommend, vielleicht zurückhaltend? Wären wir trotzdem Freunde? Wäre ich dann auch in ihn verliebt oder wären wir vielleicht sogar zusammen? Oder wäre er mir gar nicht aufgefallen? Doch eigentlich musste ich überhaupt nicht überlegen. Ich hatte mich in seine freche, charmante und absolut eigensinnige Art verliebt. Darin, wie er mich immer wieder herausforderte, mich an meine Grenzen und manchmal auch vollkommen aus der Fassung brachte. Unwillkürlich musste ich lächeln: >>Ja, alles ist wieder okay!<< Mit einem glücklichen Lächeln verschwand Logan und zog die Tür leise hinter sich ins Schloss. Vollkommen erschöpft ließ ich mich rückwärts auf mein Bett fallen, streckte meine rechte Hand in die Luft und bewunderte die kleine rot-orangene Fee, die zwischen dem Eiffelturm und einem Riesenrad von meinem Armband baumelte. 

Obwohl ich nur wenige Stunden geschlafen hatte, war ich, als ich um sechs Uhr aufwachte, merkwürdig wach. Als wäre ich nach Wochen des Schlafwandelns endlich wieder erwacht. Da noch niemand, noch nicht einmal Vika, außer mir wach war, genoss ich die Ruhe, die das ganze Haus erfüllte, während ich mich auf den Tag vorbereitete. Nach dem Duschen cremte ich mich mit einer neuen Lotion ein, die nach einer Mischung aus Rosen und Vanille roch und perfekt zu meinem Duschgel, Shampoo und der Spülung passte, da ich sie mir alle, zusammen mit Fi, beim Weihnachtseinkauf besorgt hatte. In meinem Zimmer schlüpfte ich in ein schwarz-weiß gestreiftes Crop-Top und eine schwarze High-Waist-Jeans. Während meine Haare an der Luft trockneten, beendete ich einen Artikel über die Weihnachtszeit in Deutschland, um den Fiona mich gebeten hatte. Um 08:00 Uhr tauchte Fi schließlich noch vollkommen verschlafen in meinem Zimmer auf, , nachdem ich, nach dem Wimpern tuschen, kurz entschlossen den Lippenstift von gestern nochmal aufgetragen hatte. Einige Sekunden beobachtete sie nun von meinem Bett aus amüsiert, wie ich bei dem Versuch, meine Haare mit einer schwarzen Satinschleife zu einem hohen Pferdeschwanz zu binden, verzweifelte. Nachdem sie sich offenbar genug amüsiert hatte, stand sie auf, nahm mir wortlos das Band aus der Hand und schaffte innerhalb weniger Sekunden, woran ich gescheitert war. >>So gut wie du drauf bist, muss ja gestern noch was echt Tolles passiert sein<<, stellte sie erfreut fest, während sie die Schleife noch zurecht zog. Das Lächeln von gestern kehrte sofort wieder zurück. >>Naja, könnte schon sein, dass mir was Tolles passiert ist<<, sagte ich achselzuckend. Gleichzeitig hielt ich ihr aber grinsend mein Armband vor die Nase. Fiona wusste sofort, welcher Anhänger neu war und kreischte: >>Oh mein Gott! Hat ER ihn dir etwa geschenkt?!<< Mein bestätigendes Nicken ließ sie noch mehr ausflippen. Auf einmal stand ein ziemlich schlecht gelaunter, nur halb angezogener Ian in der Tür, der seine Schwester böse ansah. >>Musst du so laut sein? Manche Leute würden gerne noch schlafen<<, maulte er sie an. Doch Fi blieb ganz locker: >>Wird sowieso Zeit, dass du wach wirst.<< Ians Blick wurde noch finsterer, aber er war wohl zu müde, um sich mit seiner Schwester zu streiten. Stattdessen warf er ihr noch einen vernichtenden Blick zu und schlurfte in Richtung Bad davon. >>Du musst mir unbedingt alles erzählen, was gestern noch passiert ist!<<, meinte sie aufgeregt, aber jetzt deutlich leiser, zu mir. Mit einem Blick auf die Uhr an meiner Wand erwiderte ich: >>Willst du dich nicht erstmal fertig machen? Der Uhrzeit nach und mit deinem kleinen Ausraster dürfte es nicht mehr lange dauern, bis die fertig sind. Außer natürlich du willst so zur Bescherung...<< Letzteres sagte ich mit Blick auf ihre ziemlich verknitterte und ausgeleierte Jogginghose, die sie immer zum Schlafen trug und ihr vollkommen verwuscheltes Haar. Außerdem war sie gestern scheinbar zu faul gewesen sich abzuschminken und sah daher jetzt aus wie ein verschmierter Waschbär. Nachdem sie über meine Schulter einen Blick in den Spiegel geworfen hatte, beeilte sie sich ins Bad zu kommen. Bevor sie dir Tür hinter sich schloss, sagte sie noch mit drohend erhobenem Finger: >>Aber später gibt es keine Ausreden mehr!<< Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg nach unten in die Küche, um Kaffee zu kochen. Mit meinem frisch gekochten Lebenselixier, oder auch Teufelszeug, wenn man nach Vika ging, setzte ich mich auf das Sofa, das dem Kamin gegenüberstand. Wie so oft in den letzten Tagen betrachtete ich fasziniert die Dekoration: weiße, rote und grüne Papiergirlanden hingen im ganzen Zimmer, der Kaminsims war mit immergrünen Zweigen und langen, rot-weiß gestreiften Socken, die mit weißem Fell verziert waren, geschmückt. An Türen und Fenstern hingen Lichterketten, die Laut Fi in cremeweiß und bronze leuchteten. Außerdem hingen an den Türen Kränze aus Tannenzweigen und die Fensterbretter waren mit Stechpalmenzweigen dekoriert. Der Weihnachtsbaum war mit unzähligen Stroh- und Papiersternen behängt und viele weiße Kerzen waren an den Zweigen befestigt, die zum schottischen Abendessen alle angezündet werden würden. Alles in allem war das aber noch gar nichts, so hatte es mir Fiona zumindest versichert. Normalerweise war schottisches Weihnachten viel bunter, doch aufgrund der deutschen Hälfte hatte man sich irgendwann auf zwei bis drei verschiedene Farben geeinigt, wobei die Farben jedes Jahr wechselten. Plötzlich flüsterte mir jemand von hinten ins Ohr: >>Nollaig Chridheil!<< Vor Schreck zuckte ich zusammen und hätte mir fast den Kaffee über mein Oberteil geschüttet. Hinter mir lachte jemand vergnügt, dann trat Logan um die Couch herum und ließ sich neben mich plumpsen. Ich versuchte nicht einmal ihn böse anzusehen, denn beim Anblick seines glücklichen Gesichts gelang es mir nicht, überhaupt böse zu sein. Stattdessen fragte ich neugierig: >>"Nolla kria"?<< >>Nollaig Chridheil! Das ist der schottisch-gälische Ausdruck für „Frohe Weihnachten!"<<, erklärte Logan. Ich grinste: >>Dir auch schöne Weihnachten! Aber ist Kri...r...Chr... Wie spricht man das aus?<< >>„Nollak Chrid", aber geschrieben wird es „Nollaig Chridheil"<<, gab er bereitwillig Auskunft. 
>>Ah, ist chridheil dann das Weihnachtsfest?<<
>>Nein, das wird Yuletide genannt.<<
>>Okay, also „Nollaig Chridheil" heißt „Frohe Weihnachten" und Yuletide ist das Weihnachtsfest, richtig? Hab ich es korrekt ausgesprochen?<<
>>Ja, alles richtig.<<
Zufrieden mit mir nippte ich an meinem Kaffee. >>Kann ich auch einen Schluck?<<, fragte Logan. Ich dachte gar nicht daran, meinen Kaffee mit ihm zu teilen: >>Da ist noch welcher in der Küche.<<
>>Aber dann muss ich aufstehen.<<
>>Korrekt!<<
>>Der Weg ist so weit...<<
>>Ach, komm schon!<<
>>Bitte?<<
Eigentlich wollte ich hart bleiben, doch ich machte den Fehler, in seine Richtung zu sehen. Wie üblich löste sich meine Entschlossenheit in Luft auf, sobald mein Blick seinem Hundeblick begegnete. Mit einem Stöhnen gab ich ihm die Tasse. Als alle unten waren, wurden wir von Vika aus dem Wohnzimmer zum Frühstück in die Küche gejagt. Allerdings fiel dieses, mit Blick auf das angekündigte riesige Abendessen, eher karg aus. Nach dem Essen schlenderten alle wieder zurück ins Wohnzimmer, wo eine strahlende Vika, die leicht außer Atem war, mit gerötetem Gesicht neben einem auf >>wundersame Weise<< aufgetauchten Berg aus Geschenken auf uns wartete.

Feen der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt