18. Kapitel

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Ich saß auf einem der Sofas im Wohnzimmer und fühlte mich unbehaglich. Es lag allerdings nicht an meiner Umgebung. Im Zimmer standen drei Zwei-Sitzer, deren Bezug nur aus bunten Flicken zu bestehen schien, und voller Zierkissen waren. Sie waren vor einem großen Kamin in einer Art U angeordnet. An den Wänden standen Bücherregale, in denen die Bücher, nach keinem mir ersichtlichen System geordnet, standen. Von der Täfelung der Wand war so gut wie nichts zu erkennen. Mehr war nicht in diesem Zimmer, kein Fernseher, Radio oder andere elektronische Geräte. Auch im restlichen Untergeschoss hatte ich keine gesehen, das Wasser für den Tee kochte Liam in einer Teekanne auf dem Herd. Aber Logan hatte ein Handy, das wusste ich. Sehr komisch, aber vielleicht war das ja so ein Feen Ding, Verbundenheit mit der Natur oder so. Ich würde später einfach Logan fragen. Das Unbehagen rührte jedenfalls daher, dass ich nicht half. Allerdings hatte ich Davina meine Hilfe angeboten, sie hatte mich aber nur ins Wohnzimmer gescheucht. Doch ich hasste es, untätig rumzusitzen, während andere arbeiteten. Also saß ich jetzt hier, mit den Händen unter den Oberschenkeln und versuchte, nicht herum zu zappeln. Schließlich sprang ich doch auf und begann, mir die Bücher in den Regalen anzusehen. Es waren viele Bücher über Pflanzen, wilde Tiere und einige wenige waren Romane, die wahrscheinlich Davina gehörten. Doch es gab auch einige Bücher, die in einer Sprache geschrieben waren, die ich noch nie gesehen hatte. Andererseits kam sie mir irgendwie bekannt vor, ich zog das Amulett unter meinem Oberteil hervor. Tatsächlich, es waren dieselben Schriftzeichen. Jetzt war nur noch die Frage, was sie bedeuteten. Ohne groß nachzudenken zog ich eines dieser Bücher aus dem Regal, setzte mich auf eines der Sofas und schlug das Buch auf. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte, aber es geschah auf jeden Fall nicht. Die Zeichen sagten mir genauso viel wie chinesische Schriftzeichen, also rein gar nichts. Aber die Schriftzeichen waren wirklich schön, sie riefen in mir Bilder von unberührter Natur hervor, tosende Wasserfälle, unendlich hoch erscheinende Gipfel, ein dichtes, undurchdringbares Blätterdach und eine von Bäumen gesäumte Lichtung, mit einem See in dem sich der Vollmond spiegelte. Während ich da saß und gedankenverloren über die Seiten strich, hörte ich nicht, wie Logan sich anschlich. Plötzlich packte er mich fest an den Schultern und schrie: >>Buh! << Ich zuckte zusammen und mein Herz schlug, nachdem es eine Sekunde ausgesetzt hatte, doppelt so schnell wie vorher. Logan krümmte sich vor Lachen. >>Ganz ruhig... <<, ermahnte ich mich in Gedanken, völlig kontrolliert stand ich auf, ging zum Regal und stellte das Buch zurück an seinen Platz. Ein Blick über die Schulter: Logans Augen waren fest zugekniffen. Perfekt, blitzschnell schnappte ich mir zwei der Zierkissen, dann schlich ich mich an ihn heran. Er bemerkte mich nicht, bis der erste Schlag mit dem Kissen ihn traf. Verzweifelt versuchte er seinen Kopf mit seinen Armen zu schützen, doch ich kannte kein Erbarmen. Plötzlich schnappte er mir eins der Kissen aus der Hand und schlug zurück. Schnell ging ich hinter einem der Sofas in Deckung und begann ihn, mit den Kissen, die darauf lagen zu bombardieren. Es entstand eine gewaltige Kissenschlacht, die erst endete als eines der Kissen haarscharf an Davinas Kopf vorbeisauste. Logan und ich waren wie erstarrt und warteten auf Davinas Reaktion. Zuerst sah sie uns streng an, doch dann breitete sich langsam ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Gespielt verzweifelt den Kopf schüttelnd sagte sie: >>Und ich hatte gedacht ihr wärt raus aus diesem Alter, in dem sich Mädchen und Jungs gegenseitig bekriegen. << Wir prusteten alle drei gleichzeitig los. Da ich mich als erste wieder erholte, hatte ich noch genug Zeit, das Amulett wieder in meinem Ausschnitt verschwinden zu lassen, bevor sie es sehen konnten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es vor den Blicken der anderen schützen zu müssen. Nachdem dann auch Liam gekommen war und jeder eine Tasse Tee vor sich hatte, begann Liam sofort mich zu Befragen. Er stellte eine Frage nach der anderen, über meine Eltern, meine Hobbys, mein bisheriges Leben und vieles mehr. Je mehr Antworten er bekam, desto unzufriedener sah er aus. Schließlich sagte er etwas, das mich total aus der Bahn warf: >>Also für mich hört sich das alles so an, als wären deine Eltern gar nicht deine richtigen Eltern. Dir hätte sonst irgendetwas auffallen müssen, keine Fee kann ihre Kräfte so lange unterdrücken. Entweder sie haben sie ab und zu benutzt oder ihre Kräfte wären irgendwann einfach ausgebrochen...Kannst du dich an irgendeinen unerklärlichen Brand bei euch oder bei euren Nachbarn erinnern? << Ich hörte ihm nicht mehr zu. Hatte er gerade behauptet meine Eltern wären nicht meine richtigen Eltern? Die Menschen, die mich aufgezogen hatten, ich sollte nicht zu ihnen gehören? Meine schusselige, liebenswerte Mutter, die früher regemäßig vergessen hatte mich beim Turnunterricht abzuholen, der ich aber nie lange böse sein konnte, wenn sie mich so zerknirscht ansah. Die Frau, die oft den halben Tag damit verbracht hatte, neben mir auf der Couch zu sitzen und mir zuzuschauen, wie ich zeichnete. Die sogar einmal eine Stunde bewegungslos auf einem Stuhl gesessen hatte, bis ich mit einem Portrait von ihr fertig war. Wenn sie nicht meine Mutter war, wer sonst? Und mein Vater, von dem ich meine Geige bekommen hatte. Der Mann, der ganze Nachmittage damit verbracht hatte, am Tisch zu sitzen und begeistert jede Note aufzuschreiben, die ich ihm nannte, während ich für andere Leute komponierte. Der mich einmal zehn Kilometer auf seinen Schultern zum nächsten Arzt getragen hatte, als ich mir beim Wandern in den Bergen den Knöchel verstaucht hatte. Wenn dieser großartige, fürsorgliche Mann nicht mein Vater war, wer dann? Meine Eltern, bei denen ich mir manchmal vorkam, als wäre ich der Erwachsene und nicht sie, zu denen ich aber immer kommen konnte wenn ich Probleme hatte. Woher nahm Liam das Recht zu behaupten, sie wären nicht meine Eltern? Mir war schlecht. Wie aus weiter Ferne hörte ich mich fragen: >>Wo ist das Bad? << >>Die Tür gleich hinter der Eingangstür. <<, sagte Davina mit besorgtem Blick. Ich nickte knapp, stand wie betäubt auf und machte mich auf den Weg. Im Flur zog ich so leise wie möglich meine Schuhe an, öffnete die Haustür und schloss laut los hinter mir. Dann rannte ich los, so weit wie möglich weg von, Liam, Logan und von allem.

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Wie findet ihr Logans Familie? Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins Jahr 2017! Eure Autorin_in_Ausbildung

Feen der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt