82. Kapitel

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Kaum hatte ich die Terassentür so leise wie möglich hinter mir zugezogen, kehrte mein wütendes Stampfen zurück und ich raste um die Hausecke. Dort stand Logan immer noch unter meinem Fenster, wo er sich offenbar gerade mit Magie trocknete, denn es stiegen kleine Dampfwolken von ihm auf. »Sag mal bist du komplett durchgedreht?«, schrie ich ihn an, sah dann aber sofort ängstlich zu den Fenster auf. »Ich könnte dich das gleiche fragen! Warum zur Hölle hast du mir Wasser über den Kopf geschüttet?«, gab er wütend zurück. Empört stemmte ich meine Hände in die Hüften: »Warum? Man, du hast einen riesigen, hell leuchtenden Feuerball in den Himmel geschossen!«
»Du hast auf die Steinchen nicht reagiert!«
»Ernsthaft jetzt?! Schon mal was von Handys gehört?«
Ein wenig verlegen fuhr er sich durchs Haar, dann räusperte er sich: »Naja, das hier war mehr so eine... spontane Aktion. Ich habe es Zuhause liegen lassen...« Seufzend fuhr ich mir mit meiner Hand über die Augen. Gott, war das eine absurde Situation! Es war definitiv zu spät für so etwas. »Was hättest du denn bitte gemacht, wenn nicht ich, sondern Aaron es gesehen hätte? Mein Zimmer war plötzlich so hell, als würde jemand einen Stadion-Fluter direkt auf mein Fenster richten. Du kannst von Glück reden, dass er so fest schläft...« »Naja, darum habe ich mir ehrlich gesagt keine... Warte mal, der Kerl schläft in deinem Zimmer?!«, er starrte mich halb entsetzt, halb wütend an, doch mein müdes Gehirn kam irgendwie nicht so ganz hinterher. »Ja, er war ziemlich müde und ist in meinem Bett eingeschlafen.«
»Ihr habt in einem Bett geschlafen?!«
»Gibt es damit irgendein Problem? Es ist ein Doppelbett.«
Logan starrte mich mit offenem Mund an: »Ob es da ein Problem gibt? Ich weiß nicht, ich meine, was sollte daran schon problematisch sein, dass du zusammen mit irgendeinem dahergelaufenen Jungen in einem Bett schläfst?« Meine Augenbrauen schossen in die Höhe und ich verschränkte die Arme vor der Brust: »Logan, jetzt hör mir mal zu. Ich kenne Aaron seit ich fünf bin, er ist mein bester Freund, wir haben früher fast jeden Tag miteinander verbracht und es ist definitiv nicht das erste Mal, dass ich mit meinem BESTEN FREUND zusammen in einem DOPPELBETT schlafen. Wenn hier irgendwas problematisch ist, dann dein total absurdes Verhalten! Warum bist du überhaupt hier?« Das hatte ihm offenbar den Wind aus den Segeln genommen, denn er blieb stumm und starrte zu Boden. Gott, warum musste das alles nur so furchtbar kompliziert sein? Ich konnte mir absolut keinen Reim auf sein Verhalten machen und langsam wurde es mir wirklich zu viel. »Weißt du Logan, ich mag dich, wirklich. Und ich bin dir echt dankbar, für alles. Aber ich denke es wäre besser, wenn wir uns erstmal eine Weile nicht sehen«, meine Stimme zitterte bei dem Gedanken, aber es war die einzige Lösung, die mir aktuell einfiel. Sein Verhalten gab dem absurden Teil meines Kopfes, der sich einbildete, er wäre auch in mich verliebt, immer neues Futter und auf Dauer konnte ich so nicht den Anschein aufrechterhalten, dass alles was ich von ihm wollte, eine einfache Freundschaft war. Logan sah mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Entschlossenheit an, er schien mit sich zu hadern. »Ich sollte wieder reingehen«, murmelte ich leise, erschöpft. Weniger entschlossen als ich sein wollte, wandte ich den Blick von seinen Augen ab und drehte mich weg.

Da schloss sich eine Hand um mein Handgelenk, ich wurde herumgewirbelt und seine Lippen trafen auf meine. Ausgehend von meinen Lippen breitete sich ein Brennen durch meinen ganzen Körper aus und ich wollte reagieren, doch gleichzeitig war ich wie erstarrt, hin und her gerissen zwischen Freude und Entsetzen. Zugegeben, überfordert war ich auch. Was zum Henker sollte ich tun? Verdammt, warum gab es für sowas kein Notfallhandbuch? Ein Kapitel mit der Überschrift »Was tun, wenn der Junge, in den du verliebt bist dich plötzlich küsst und du keinerlei Erfahrung hast, während er einen Haufen davon hat« wäre gerade wirklich hilfreich. Logan legte seine Hand an meinen Hinterkopf, sein Kuss wurde drängender und schmeckte irgendwie nach... Verzweiflung. Da übernahm endlich mein Körper die Kontrolle, ich schloss die Augen und erwiderte den Kuss, wenn auch etwas unbeholfen. Erleichterung flutete seinen Körper, seine Hände wanderten zu meiner Taille und zogen mich enger an ihn, meine legten sich um seinen Hals. Hinter meinen Augenlider explodierten Farben, doch ich konnte nicht genau sagen, ob es seine Aura oder nur Einbildung war. Atemlos lösten sich unsere Lippen schließlich voneinander und unsere Arme lockerten sich, doch wir entfernten uns keinen Millimeter voneinander. Die Augen immer noch geschlossen, seine Stirn an meiner lehnend, begann er zu sprechen: »Anfang der Woche habe ich dir gesagt, dass es mir noch nie so ernst mit einem Mädchen war, wie mit dir. Das war ernst gemeint, auch wenn du es offenbar total falsch verstanden hast. Du bist das erste Mädchen, in das ich mich wirklich verliebt habe und ich habe absolut keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Jedesmal, wenn ein Junge auch nur in deine Nähe kommt, werde ich unglaublich wütend auf ihn. Und dann werde ich wütend auf mich, weil ich mich so bescheuert benehme. Das einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ich unbedingt in deiner Nähe sein will.« Zittrig stieß ich den Atem aus, den ich vor Aufregung angehalten hatte, seit er begonnen hatte zu sprechen. Vorsichtig hob ich meine rechte Hand, die auf seiner Schulter geruht hatte, strich langsam über seine Wange nach oben zu seiner Schläfe und fuhr ihm dann durchs Haar. Es fühlte sich weich an und um vieles besser, als ich es mir in meinen Tagträumen hätte ausmalen können. »Heißt das, du wirst mir nicht gleich eine Ohrfeige verpassen, mich als Idioten beschimpfen und deine Drohung wahr machen?«, fragte er vorsichtig, während sein Blick gleichzeitig in meinen Augen nach der Antwort suchte. Seine Unsicherheit zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. »Naja, nicht so ganz. Ein Idiot bist du schon«, neckte ich ihn. »Wir sind beide Idioten. Wir haben in den letzten Monaten so viel Zeit miteinander verbracht, uns ineinander verliebt, aber beide nicht bemerkt, dass der andere das gleiche fühlt.« Seine Augen weiteten sich überrascht, dann zog er mich in eine feste Umarmung und drehte sich um die eigene Achse. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie unfassbar erleichtert ich gerade bin«, murmelte er gegen meinen Hals, nachdem er wieder zum Stehen gekommen war. Einen Moment versank ich in absoluter Glückseligkeit, dann fiel mir etwas ein und ich stemmte meine Hände gegen seine Brust, um etwas Abstand zu gewinnen. Überrascht sah er mich an, doch ich musste etwas wichtig klar stellen und dazu brauchte ich ein wenig Abstand von ihm, um einen klaren Kopf zu haben. »Eines muss ich noch loswerden: Ich kenne die Gerüchte über dich. Trotzdem habe ich mich in dich verliebt und inzwischen ist mir eigentlich ziemlich egal, ob sie alle wahr sind oder nicht, weil du mich nie auch nur ansatzweise so behandelt hast. Aber, wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass das hier auch bald so endet, dann... dann würde ich das gerne wissen. Ich... ich wäre einfach gerne vorbereitet, damit... damit ich es genießen kann, so lange ich darf, schätze ich.« Da ich meinen Blick gesenkt hatte, um nicht von seinen Augen verwirrt zu werden, konnte ich seine Reaktion nicht sehen und wartete gespannt auf seine Antwort. Als er nach einer kleinen Ewigkeit immer noch nichts gesagt hatte, wurde ich nervös. Was, wenn er sich von mir beleidigt fühlte, weil ich ihm nicht glaubte, dass er in mich verliebt war? Hatte ich das ganze gerade schon versaut, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte? »Du... du würdest dich trotzdem auf mich einlassen, auch wenn alles nur eine Lüge wäre?« »Weißt du, ich habe die letzte Zeit quasi dauerhaft damit verbracht, mir einzureden, es würde mir reichen, nur mir dir befreundet zu sein. Dass das alles wäre, was ich bekommen würde. Aber ein Satz von dir genügt, um mich davon zu überzeugen, dass ich alles in Kauf nehmen werde, nur um ein bisschen mehr zu bekommen«, erklärte ich. »Würdest du mir denn glauben, wenn ich dir sage, dass ich es mit dir absolut ernst meine«, wollte er, zugegeben berechtigtermaßen, wissen. Entschlossen hob ich meinen Kopf und sah ihm in die Augen: »Nach dem, was ich gesagt habe, hätte ich weder einen Grund, dir nicht zu glauben, was du sagst, noch wütend zu sein, wenn du mir mangelndes Vertrauen vorwirfst.« Sein Blick wurde weich und er legte seine Hand sanft an meine Wange. Zärtlich strich sein Daumen über meine Haut und meine Lippen, während sein Blick der Bewegung folgte. »Rose, du hast jeden Grund, um wütend oder misstrauisch zu sein, egal, was ich sage. Aber wenn du mir eine Chance gibst, dann verbringe ich jeden Tag, den du mir gibst, damit, dich zu überzeugen. Wenn ich bei dir bleiben darf, brauche ich niemand anderen. Kannst du mir das glauben?« Das Lächeln kehrte auf meine Lippen zurück. Wie konnte man nur so perfekt sein wie er? Ohne, dass ich darüber nachdachte, stellte ich mich auf die Zehenspitzen, legte meine Hände um seinen Hals und küsste ihn. Er brauchte keine Sekunde, um ihn zu erwidern. »Geh mit mir auf den Frühlingsball, okay? Ich will, dass jeder sieht, dass wir zusammen sind«, flüsterte er gegen meine Lippen, als wir wieder voneinander abliesen. Ich nickte glücklich, bevor ich ein paar Schritte zurücktrat, mir durch mein aufgewühltes Haar fuhr und tief einatmete. »Ich sollte jetzt wirklich lieber reingehen, bevor uns hier jemand mitten in der Nacht im Garten rumstehen sieht und du solltest nach Hause, bevor Davina bemerkt, dass du weg bist«, sagte ich schließlich, ohne zu wollen, dass er ging. Logan seufzte: »Ich fürchte, du hast recht. Aber sag mal, in deinem Zimmer...« »Bei Vollmond kann ich sowieso nie schlafen. Vermutlich werde ich mir einfach meinen Zeichen-Kram schnappen und es mir auf der Couch bequem machen«, unterbrach ich ihn, wohl wissend, was er sagen wollte. Er grinste schief: »Kenne ich, ist bei vielen Feen so.« Eigentlich wollte ich gar nicht, dass er ging, aber es wäre definitiv vernünftiger. Schnell gab ich ihm einen Gute-Nacht-Kuss und eilte davon, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Ehe ich um die Ecke bog, drehte ich mich noch einmal kurz um: »Schreib mir, wenn du Zuhause bist, ja?« Er nickte perplex und schon war ich um die Ecke verschwunden. Kaum war ich zurück im Haus und hatte die Tür hinter mir geschlossen, sackte ich auf dem nächsten Stuhl zusammen. Gedankenverloren strich ich mit dem Finger über meine Lippen, die sich empfindlich anfühlten und wie mein restlicher Körper immer noch brannten, entzündet von Logans Berührungen. Ein nicht zu bändigendes Grinsen stahl sich auf meine Lippen und ich beschloss, Vollmondnächte ab jetzt wieder zu mögen. 

Feen der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt