45. Kapitel

2.3K 157 7
                                    

Erst als ich Logans interessierten Blick beim Betreten eines Zimmers sah, wurde mir klar, dass er noch nie zuvor in ihm gewesen war. Sofort wurde ich verlegen, war aber auch neugierig auf seine Reaktion. Also tat ich, als müsste ich das Bild, das ich eigentlich, bevor ich mich ins Bett gelegt hatte, extra ganz oben in meine Zeichenmappe gelegt hatte, erst noch heraussuchen und beobachtete ihn währenddessen aus dem Augenwinkel. Zuerst stand er nur im Türrahmen, doch bald begann er im Raum herumzugehen, betrachtete die Zeichnungen an meinen Wänden und die Dekoartikel, von denen einige ausgesuchte im Raum verteilt waren. Schließlich blieb er vor einem gerahmten Foto stehen, das mich mit meinen Eltern in Disneyland zeigte. Es war mein neunter Geburtstag gewesen und wir standen auf dem Foto zusammen mit Merida und Belle, meinen, bis heute, absoluten Lieblingsprinzessinnen irgendwo im Park. Ich grinste bis über beide Ohren, weil mein Dad eine der anderen Prinzessinnen solange beschwatzt hatte, bis sie mir für das Bild ihre Krone überlassen hatte. Währenddessen hatte meine Mom in gebrochenem Französisch versucht, einem Franzosen zu erklären, wie unsere Kamera funktionierte. Ich hingegen hatte mich mit den beiden Prinzessinnen über Bücher und Bogenschießen unterhalten. Ich glaube, ich war nie ein wirklich normales Kind: ich sprach und lief bereits kurz vor meinem ersten Geburtstag ziemlich gut und konnte mit vier bereits perfekt lesen, schreiben und rechnen. Allerdings bin ich nicht hochbegebt oder so, zumindest meiner Meinung nach nicht. Mein Interesse für Neues ist groß, ich verstehe Dinge sehr schnell und kann mir, Dank meines fotographischen Gedächtnisses Sachen gut merken, aber mehr ist da nicht.

>>Ihr seht glücklich aus<<, stellte Logan fest und riss mich aus meinen Erinnerungen. >>Mhm? Oh, ja, das waren wir auch, schätze ich. << Bevor er mehr Fragen stellen konnte, hielt ich ihm das Bild hin, das ich aufgerollt und mit einer grünen Schleife umwickelt hatte. Er wirkte verwirrt, weil ich ihm eine Papierrolle unter die Nase hielt, nahm sie aber dennoch an und löste die Schleife. Ich konnte den Ausdruck in seinem Gesicht, als das Bild sich vor ihm entrollte und er es betrachtete, nicht deuten. Das Bild war viergeteilt. Jeder der vier Teile zeigte Logan auf seiner Lichtung, komplett in Schwarz gekleidet. Aus Sicht des Betrachters stand er seitwärts, hatte sein Gesicht aber ihm zugewandt, sah ihn ermutigend an und streckte ihm auffordernd eine Hand entgegen. Der Unterschied zwischen den vier Fragmenten war, dass jedes ein anderes Element als Thema hatte. Feuer wurde symbolisiert durch einen Waldbrand, der den ganzen Wald und die Lichtung erfasst hatte. Das Feuer loderte bis über die Baumwipfel, brachte den kleinen See zum Sieden und warf ein unheimlich orange-rotes Flackern auf Logans Gesicht. Beim Element Luft bogen sich die Bäum unter einem gewaltigen Sturm, einer war bereits auf die Lichtung gekippt. Der Wind zerzauste Logans Haar, riss an seinen Kleidern und formte die Oberfläche des Sees zu Wellen. Die Bäume auf dem Erd-Bild wirkten, als würden sie sich auf ihn zubewegen und die Wurzeln, die aus dem Boden herausgebrochen waren, nach ihm ausstrecken. Auf dem Teil des Elements Wasser wütete ein furchtbarer Sturm: es schüttete in Strömen, von den Bäumen rann das Wasser in Strömen hinunter, Logan war vollkommen durchnässt, der See war über seine Ufer getreten und hatte, zusammen mit dem Regen, die ganze Lichtung überschwemmt. Ehrlich gesagt wusste ich selbst nicht so genau, wie ich auf diese Bildidee gekommen war, da Logan ja offensichtlich nur das Feuer beherrschte. Aber als ich einige Wochen vor Weihnachten, vor dem ganzen Chaos mit Logan, meine Zeichenmappe durchgesehen hatte, war ich von dem Bild fasziniert gewesen. Nicht die Umgebung, sondern Logans Ausstrahlung auf dem Bild hatte mich schließlich dazu bewegt, das Bild, das vorher nur eine schnelle Skizze gewesen war, noch einmal ordentlich abzuzeichnen und zu colorieren. 

Feen der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt