»Rosanna, konzentriere dich!«, wies Logan mich an, während er eine weiterer Salve Feuerbälle auf mich abschoss. So schnell es ging, duckte ich mich darunter hinweg, doch einer von ihnen erwischte mich am Handrücken. Erschrocken zischte ich, als sich die Hitze in meinen Arm ausbreitete, denn Feuer konnte zwar meine Haut nicht verbrennen, doch es tat trotzdem weh. »Denkst du nicht es reicht langsam? Wir machen das schon fast eine Stunde lang!«, beschwerte ich mich. Es waren seit dem Beginn im neuen Schuljahr einige Woche vergangen. Zwischen uns beiden war es immer noch komisch, zwar hatten wir uns nicht noch einmal gestritten, doch wir hatten seitdem auch nicht mehr darüber gesprochen. Logan verhielt sich distanzierter als sonst, zwar unterhielten wir uns wie immer, diskutierten weiterhin ständig über belanglose Themen und scherzten, aber er hatte mich seitdem kein einziges Mal mehr berührt, weder zufällig, noch mit Absicht. Kein zufällig Zusammenstoßen von Schultern oder Knien, wenn man nebeneinander saß oder im engen Kreise stand. Kein aus dem Gesicht streichen von Strähnen, wenn ich sie nach vorne strich, um mich dahinter zu verstecken. Er tippte mir noch nicht einmal auf die Schulter, wenn er hinter mir stand und meine Aufmerksamkeit erregen wollte. Es war fast bewundernswert, wie bedacht er darauf war, egal wie sehr ich versuchte, eine Berührung herauszufordern. Ich hatte das Gefühl, dass sich irgendetwas zwischen und geschoben hatte, auch wenn ich nicht wusste, was. Ohne auf meine Beschwerde einzugehen, feuerte er wieder Geschosse auf mich ab, denen ich nur knapp entkam. Kaum sah ich wieder auf, raste eines in der Größe meines Kopfes auf meinen Bauch zu. Was genug war, war genug! Aufgebracht sammelte ich Magie in meinen Händen, fing den Feuerball auf, vergrößerte ihn noch und ließ ihn mit doppelter Geschwindigkeit auf Logans Brust zufliegen. Der schaffte es nur mit knapper Not auszuweichen und warf mir einen giftigen Blick zu: »Du solltest nur Ausweichen oder Abwehren, keinen Gegenangriff starten!« »Und du hattest gesagt wir machen nur eine halbe Stunde einfaches Training!«, gab ich schnippisch zurück. Genervt und total erschöpft stiefelte ich an ihm vorbei in Richtung Auto, durchbrach den Schutzschild, den Logan in einer Kuppel um uns herum errichtet hatte, damit wir nicht ausversehen den ganzen Wald in Brand steckten und verließ die Lichtung. Statt am Fahrzeug stehen zu bleiben, ließ ich es hinter mir zurück und machte mich zu Fuß auf den Heimweg. Selbst ein einstündiger Fußmarsch kam mir in diesem Moment verlockender vor, als eine Fahrt in Logans Auto. Eine Weile ignorierte ich daher das Auto, das in Schritttempo neben mir herfuhr, bis ich das Surren des Fensterhebers hörte. »Hey Rosanna, was machst du denn hier draußen?« Überrascht blieb ich stehen und sah durch das geöffnete Fenster Aiden, der mich halb amüsiert, halb besorgt musterte. »Hey«, verlegen kratzte ich mich am Kopf, »ich...ähm...ich hab einen Spaziergang gemacht. Aber ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie weit ich gelaufen bin...« »Über was hast du denn nachgedacht, dass dich so beschäftigt hat?«, wollte er skeptisch wissen. »Naja...«, druckste ich herum. »Ist ja eigentlich auch egal. Soll ich dich mitnehmen?«, rettete er mich vor seiner eigenen Frage. Erleichtert nickte ich, ging um das Auto herum und stieg ein. Kurze Zeit später zischte ein mir wohl bekanntes Auto mit überhöhter Geschwindigkeit an uns vorbei. »Ist das nicht Logans Wagen?«, fragte der Junge neben mir überrascht. »Kann sein, ich achte nicht so sehr auf sowas«, es war nur zur Hälfte gelogen. Aidens Gesichtsausdruck verriet, dass er etwas ahnte, doch er sagte dazu nichts weiter.
Die darauf folgenden Treffen mit Logan hatte ich aus, teilweise sehr fadenscheinigen, Gründen abgelehnt. Auch in der Schule war ich ihm so gut es ging aus dem Weg gegangen, hatte die Pausen entweder mit Fiona und Akira am anderen Ende des Platzes oder bei Gesprächen mit Lehrern verbracht und nach der Schule konnte ich gar nicht schnell genug in Ians Auto verschwinden. Bis endlich der Tag gekommen war, auf den ich seit Wochen hingefiebert hatte. Das Flughafengebäude war übervoll und das an einem Sonntagnachmittag, erfüllt von Stimmen, Kindergeschrei, Tiergeräuschen, Piepsen und dem Geräusch von aneinanderschlagenden Koffern und unglaublich groß. Während ich damit beschäftigt war, gegen die wuselnde Menge anzukämpfen, hielt ich gleichzeitig ein Schild aus Pappe mit dem Namen »Frank« in Großbuchstaben darauf in die Luft. Hinter mir standen Vika und Scott, die mich begleitet hatten, Fiona und Ian bereiteten Zuhause alles vor. Plötzlich entdeckte ich einen strohblonden Haarschopf in der Menge der ankommenden Passagiere und begann wie wild zu winken. Meergrüne Augen erwiderten meinen Blick, er hob die Hand zum Zeichen, dass er mich gesehen hatte. Aufgeregt wirbelte ich herum, drückte Scott das Schild an die Brust und rannte auf ihn zu. Aaron trat einen Schritt an den Rand der Menge, ließ seine Tasche fallen und schloss mich in die Arme. Während er mich fest an sich drückte, vergrub er den Kopf an meinem Hals und murmelte: »Gott, ich hab dich so vermisst.« Glücklich lächelnd erwiderte ich seine Umarmung: »Und ich dich erst.« Nachdem wir uns nach einer kleinen Ewigkeit voneinander gelöst hatten, stellte ich Vika, Scott und Aaron einander vor, wobei ich das Dauergrinsen auf meinen Lippen einfach nicht unterdrücken konnte. Zum Glück ging es Aaron ähnlich, so wirkte ich vielleicht nicht vollkommen bekloppt. Zwar hatten wir regelmäßig über Skype telefoniert, dennoch hatten wir uns unglaublich viel zu erzählen. Da wir unsere Unterhaltung allerdings auf Deutsch führten, konnten die anderen nicht viel dazu beitragen, obwohl sie sowieso nicht zu Wort gekommen wären.
Bis zum Abendessen hatten wir uns schließlich allmählich beruhigt, sodass es möglich war, gemeinsam mit den anderen unseren Plan für die Woche zu besprechen. »Also, Mittwoch und Donnerstag haben wir Mid-Term-Break, da haben wir einen Ausflug nach Edinburgh geplant, Montag und Dienstag kannst du mit in die Schule kommen, wenn du...«, begann ich. »Aber am Freitag geht das nicht, da bereiten alle Schüler gemeinsam den Frühlingsball am Abend vor und Rose wird fast die ganze Zeit mit Proben beschäftigt sein. Nicht, dass sie es nötig hätte, aber die anderen schon und es müssen nun mal alle Musiker anwesend sein«, platzte Fiona mir in den Satz. »...willst. Dann bist du vormittags nicht so allein«, beendete ich meinen Satz und warf meinem besten Freund ein schiefes Grinsen zu. Der grinste amüsiert zurück. »Das hört sich doch gut an. Ich würde mir gerne mal deine neue Schule ansehen und sicher stellen, dass du von allen gut behandelt wirst«, stimmte Aaron zu. »Hey, ich kann sehr gut selbst auf mich aufpassen!«, beschwerte ich mich und stieß ihm mit dem Ellbogen in die Seite. Aaron lachte: »Ach wirklich?« Dann begann er von einem fiesen Jungen zu erzählen, der die selbe Grundschule wie wir besucht hatte. Aufgrund meiner roten Haare hatte er es auf mich abgesehen und Aaron hatte mich immer vor ihm verteidigt. »Hör auf so alte Geschichten zu erzählen!«, beschwerte ich mich erneut, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken, »Komm, ich zeig dir dein Zimmer, bevor du noch mehr peinliche Storys erzählst.« Aaron und ich verabschiedeten uns grinsend, ließen die anderen am Esstisch zurück und machten und auf den Weg zum Gästezimmer. »Tadaa!«, rief ich grinsend, als ich die Tür des Zimmers aufstieß. Mein bester Freund trat in den Raum, ließ seinen Blick über das breite Bett aus schwarzem Holz, bezogen mit cremefarbener Bettwäsche, mit dem dazu passenden Nachtkästchen und die Kommode, ebenfalls aus diesem dunklen Holz, schweifen. Die Wände waren in einem blassen, hellen Blauton gestrichen, geschmückt mit Fotografien, die in den Highlands aufgenommen worden waren und anderen Bildern. Ihn jedoch zog es speziell zu einer Buntstiftzeichnung von einer Klippe hin. Leise lächelnd ließ ich mich auf das Bett fallen und folgte ihm mit meinen Blicken. »Das ist von dir, stimmt's?«, fragte er, nachdem er das Bild eine Weile betrachtet hatte. »Du hattest schon immer ein Auge für sowas«, stellte ich fest. »Wenn, dann habe ich es von dir gelernt.« »Mag sein«, sagte ich, beinahe ein wenig stolz, »du solltest Kunstgeschichte studieren.« »Weiß nicht«, murmelte er, während er an das nächste Bild trat, ein Ölgemälde, definitiv nicht von mir. Seufzend ließ ich mich fallen und starrte an die Decke, Aaron von etwas zu überzeugen, war noch nie einfach gewesen. Das war wahrscheinlich auch ganz gut so, sonst hätten wir als Kinder vermutlich viel mehr Unsinn angestellt. Wie oft er mich schon davon abgehalten hatte, verrückte Dinge zu tun, nur weil er nicht mitmachen wollte, war erstaunlich. Als Kind hatte ich mal geplant, vom Dach zu springen, nachdem ich mir eingebildet hatte, ich könnte fliegen. Einige Tage zuvor war ich beim klettern abgerutscht und von einem Baum gefallen, wobei es mir vorgekommen war, als wäre ich langsam in Richtung Boden geglitten, statt einfach zu fallen. Tatsächlich hatte ich mich bei meinem Sturz nicht verletzt, was den Verdacht meines 12-jährigen Ichs erhärtete. Doch ich hatte von Aaron gewollt, dass er mit mir fliegt, der jedoch hatte sich geweigert. Als er nach einigem Bitten und Betteln immer noch nicht nachgegeben hatte, hatte ich aufgegeben und davon abgelassen. Neben mir ließ Aaron sich mit Schwung auf die Matratze fallen, was mich leicht in die Luft katapultierte. »Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn diese Woche vorbei ist«, flüsterte er. Erneut seufzend drehte ich mich zu ihm um: »Du kannst doch nicht am Anfang schon an das Ende denken.«
»Ich kann schon.«
»Damit verdirbst du dir aber alles.«
»Du hast ja recht, es ist nur...ich habe dich wirklich unglaublich vermisst.«
»Denkst du mir geht es anders? Wir waren, seit wir klein waren kaum einen Tag getrennt, selbst in den Urlaub sind unsere Familien zusammen gefahren. Plötzlich verliere ich meine Eltern und muss kurz danach in ein anderes Land ziehen, also dich auch noch verlassen.«
»Es tut mir Leid. Ich beschwere mich hier und bemitleide mich selbst, dabei hattest du es um einiges schwerer«, Aaron sah mich aus seinen meergrünen Augen an, wie ein trauriger Welpe. »Schon gut«, beschwichtigte ich ihn, »Es ist nur, Selbstmitleid bringt nichts. Wir müssen einfach versuchen, das beste daraus zu machen.« Er nickt zustimmend, also fuhr ich fort. »Schließen wir einen Pakt«, forderte ich ihn auf. »Wir werden diese Woche genießen und die Zeit voll ausschöpfen. Wir werden erst ans Ende denken, wenn es gekommen ist und selbst dann werden wir nicht traurig sein, sondern froh sein, dass wir die Zeit genossen haben!« Auffordern hielt ich ihm meinen kleinen Finger hin, er verhakte seinen grinsend mit meinem »Versprochen«.
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Feen der Elemente
FantasyRosannas Eltern sterben bei einem Autounfall, den sie schwer verletzt überlebt. Ihre einzigen Verwandten leben in einem Vorort von Portree, der Hauptstadt von Skye. Dort lernt sie den attraktiven Logan kennen, der sie total verrückt macht, obwohl si...