19. Kapitel

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Bereits nach ein paar Metern erreichte ich den Wald, doch ich rannte weiter, so schnell, wie es das Dickicht zuließ. Schließlich kam ich vor einem besonders hohen Baum zum Stehen. Es hätte zehn Leute gebraucht um den Stamm ganz zu umfassen und selbst die hätten sich sehr strecken müssen, um es zu schaffen. Seine Krone war so dicht, das man es nicht sehen würde, wenn jemand darin saß. Ohne lang zu überlegen griff ich nach dem nächst gelegenem Ast, der stark genug schien und zog mich hoch. Als ich oben angekommen war, zog ich mein Handy heraus und schrieb Fi eine SMS:

Hey Süße,

Logan war so nett mir seine zweite Winterjacke zu leihen, bis ich eine eigene hab. Deswegen bin ich auch heute Nachmittag mit ihm mitgegangen. Es könnte noch etwas länger dauern bis ich nach Hause komme. Ich hab einen tollen Platz entdeckt, um zu zeichnen. Und da es bei Vollmond so tolles Licht gibt werde ich wohl heute Nacht dort zeichnen. Sag bitte deinen Eltern, dass ich bei Logan übernachte, weil es schon zu spät geworden ist, um noch nach Hause zu fahren, ja? Du bist ein Schatz :-*

Rosanna

Kurz darauf schrieb sie mir zurück. Sie wünschte mir viel Spaß beim Zeichen und versicherte mir, sie würde ihren Eltern diese Ausrede erzählen, da sie auf den Teil mit Logan nicht reagierte, wusste ich, dass sie mir nicht glaubte. Dann schrieb ich noch Logan:

Hi,

Tut mir Leid, dass ich so plötzlich verschwunden bin. Liam ist mir einfach etwas zu viel geworden. Ich hab ein Taxi genommen und bin nach Hause gefahren. Kannst du mir bitte morgen die Jacke mitbringen, hab sie in der Eile vergessen... Bis morgen

Rosanna

Die einzige Antwort, die ich darauf bekam war ein ‚Aha'. Er glaubte mir nicht. Naja, solange er nicht Ian fragte, ob ich wirklich zu Hause war, war es mir egal. Dann machte ich mir es in einer Astgabel bequem, blendete alle Gedanken aus und starrte durch das Blätterdach hinauf in den Himmel.

Irgendwann wurde ich von einem Rascheln neben mir im Baum geweckt. Um mich herum war es noch dunkel, doch es war wahrscheinlich trotzdem schon morgens. Die Sonne ging nämlich in letzter Zeit ziemlich spät auf. Vorsichtig drehte ich den Kopf, direkt neben mir saß ein orangenes Eichhörnchen, mit einem flauschigen Schwanz. Doch statt wegzulaufen als ich mich bewegte, kam es noch näher. Ich hielt ganz still, als es zuerst an mir schnupperte, um dann auf meine Beine zu klettern. Schließlich blieb es auf meinen Oberschenkeln stehen, setzte sich dann auf seine Hinterbeine und sah mich mit seinen Knopfaugen an. Langsam streckte ich einen Finger aus um es am Kopf zu streicheln. Als es darauf nicht negativ reagierte, begann ich es zu streicheln. Entzückt stellte ich fest, wie es seinen kleinen Körper in meine Hand schmiegte. Plötzlich sprang es auf und lief weg. Während ich noch ganz verwirrt in die Richtung starrte, in der es verschwunden war, spürte ich, wie auf der anderen Seite etwas Kaltes in meine Hand gedrückt wurde. Das Eichhörnchen war wieder da und das Kalte war eine Haselnuss. Ich lächelte: >>Hast du mir Frühstück gebracht? Das ist aber nett von dir! << Ich streichelte es als Belohnung, es war so weich, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Nach einer Zeit hörte ich schweren Herzens auf mit dem Eichhörnchen zu spielen, steckte die Nuss in meine Hosentasche und machte mich auf den Rückweg. Zu meinem Glück begegnete mir, nachdem ich kurze Zeit an der Straße entlanggelaufen war, ein Taxi. Nachdem ich mich in den Sitz hatte fallen lassen nannte ich dem Fahrer, eine älterer Herr mit grau melierten Haaren, meine Adresse. Nach einer Weile, in der wir einfach nur still gefahren waren, fragte mich der Fahrer neugierig: >>Was machst du denn so früh schon draußen? Bist du bei deinem Freund eingeschlafen Kleine? << >>Ja. <<, antwortete ich. Das war eindeutig besser als ihm die Wahrheit zu sagen. Er nickte nachdenklich und stellte dann fest: >>Das ist aber nicht sehr fürsorglich von deinem Freund, dich nicht nach Hause zu fahren. Er scheint ja nicht gerade ein Gentleman zu sein. << >>Nein, nein so ist das nicht. Ich habe mich heimlich rausgeschlichen, wissen sie. Er hat noch geschlafen und ich wollte ihn nicht wecken. <<, keine Ahnung warum ich das Bedürfnis hatte, meinen imaginären Freund, bei dem ich angeblich geschlafen hatte zu verteidigen. Der Fahrer nickte nachdenklich, dann meinte er: >>Dann wird er sich aber bestimmt Sorgen machen, wenn er aufwacht. Du solltest ihn anrufen. << >>Ich schreib ihm später eine SMS, es dauert noch bis er aufsteht. <<, antwortete ich. Er nickte noch einmal, dann sagte er für den Rest der Fahrt nichts mehr. Darüber war ich sehr froh, denn ich hatte keine besondere Lust mir weitere Lügen auszudenken. Als wir nur noch eine Querstraße von meinem Zuhause entfernt waren, bat ich ihn anzuhalten und bezahlte ihn. Das Geld, das ich dabei hatte reichte gerade so, die Fahrt war ziemlich teuer, da Logan ein ganzes Stück von mir entfernt wohnte. Schließlich bedankte ich mich bei dem Fahrer und stieg aus, um die restliche Strecke zu Fuß zu laufen. Bevor ich die Einfahrt betrat schaute ich auf mein Handy, es war fünf Uhr morgens. Also dürfte eigentlich noch niemand wach sein, obwohl ich bei meinem Glück wahrscheinlich auf die einzige knarrende Latte im ganzen Haus treten, das war oben die erste nach der Treppe, und damit Vika wecken würde oder gerade jemand auf dem Weg zum Klo sein würde. So leise wie es ging sperrte ich die Haustür auf und schloss sie wieder hinter mir. Im Haus war es dunkel, nichts regte sich. Irgendwie erinnerte mich das an den Abend, als mir Logan gezeigt hatte, wie ich eine Flamme erzeugen konnte und wie Fi mir danach aufgelauert hatte. Doch diesmal trat niemand plötzlich aus der Dunkelheit, es gelang mir nicht auf die Latte zu treten und keiner war gerade auf dem Weg zum Klo oder zurück. Als ich in meinem Zimmer war entledigte ich mich nur noch meiner Klamotten, streifte meinen Schlafanzug über und ließ mich in mein Bett fallen.


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