37. Kapitel

2.5K 158 44
                                    

Eigentlich hatte ich vorgehabt, sein Gesicht rechtzeitig so hinzudrehen, dass ich ihm nur etwas ins Ohr flüstern könnte, statt ihn zu küssen. Denn ganz ehrlich, wer will schon einen toten Fisch küssen? Und dann wäre es auch mein erstes Kuss... Allerdings bewies Gordon überraschend Eigeninitiative, sodass meine Lippen auf einmal nur noch wenige Zentimeter von seinen entfernt waren. Gerade noch rechtzeitig packte mich jemand grob am Arm und zog mich von der Tanzfläche. Als ich jedoch sah, wer mein >>Retter<< gewesen war, fand ich daran gar nichts mehr gut. Bis auf den Fakt, dass ich jetzt schön weit weg von Gordon war. Logan war es, der mich wie ein bockiges Maultier hinter sich herzerrte. Er ließ mich erst wieder los, als wir weit genug weg waren, sodass keiner der Besucher des Balls uns hören oder sehen konnte. Ich konnte den Reflex, mich vor Ekel zu schütteln, nicht länger unterdrücken. Mein Ausdruck des puren Ekels gegenüber Gordon schien Logan in keiner Weise zu beeindrucken. Wütend begann er mich anzuschnauzen: >>Was hast du dir denn bitte dabei gedacht?! Ich wusste ja, dass du dich manchmal dämlich verhältst, aber ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du so blöd sein kannst! << Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Hatte er mich gerade in einem einzigen Satz zweimal als dumm bezeichnet? >>Das sagt der richtige! Wer war denn bitte gerade noch kurz davor, auf der Tanzfläche mit Angel rumzumachen? <<, schrie ich wütend zurück.

>>Jetzt lenk bloß nicht ab! Das war etwas vollkommen anderes! Außerdem, selbst wenn es so gewesen wäre, bei dir und Gordon war es doch nicht viel besser! <<

>>Warum zur Hölle ist das etwas vollkommen anderes? Weil du ein Junge bist? Oder vielleicht weil du der unfehlbare Logan Fire bist, der sich alles leisten kann? <<

>>Oh bitte Rosanna! Ich weiß, was ich tue! Du bist doch nur ein kleines, unschuldiges Ding ohne Lebenserfahrung! <<

>>Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Du bist also nicht nur unfehlbar, sondern auch noch unglaublich weise. Das ich nicht lache! <<

>>Auf jeden Fall bin ich klüger als du! Du wusstest doch noch nicht mal, dass du eine Fee bist! Und du kannst dich noch nicht mal daran erinnern, wie deine Eltern gestorben sind, obwohl du direkt daneben gesessen hast! <<

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, weiteten sich seine Augen vor Schreck und ich sah, wie er zu einer Entschuldigung ansetzte. Aber es war zu spät. >>Aha, so denkst du also über mich! Ich bin das kleine, dumme Mädchen, dass noch nicht einmal wusste, was sie ist. Außerdem bin ich zu dämlich, um mich an den Tod meiner Eltern zu erinnern. Weißt du, ich bin dir echt dankbar, dass du mich über deine Meinung aufgeklärt hast, bevor es zu spät ist. Ich denke jetzt muss ich den Gefallen erwidern. Willst du wissen, was ich über dich denke? Meiner Meinung nach bist du ein arrogantes Playboy-Arschloch, das nichts Besseres zu tun hat, als andere zu verletzen! Ich hasse dich! <<, wütend machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ das Gebäude durch die nächstbesten Tür. Direkt in den schlimmsten Schneesturm, den ich je erlebt hatte.

Die Kälte und den Schnee um mich herum ignorierend stapfte ich durch den Schnee, der bereits einen halben Meter tief war. Schon nach kurzer Zeit zog ich meine Schuhe aus, um barfuß weiterzulaufen. Je wütender ich wurde, desto mehr schien der Schneesturm anzuschwellen. Aber das war sicher nur Einbildung, denn sowas war nun wirklich nicht möglich. Ich konnte nicht anders, als mir die Situation von vorhin immer wieder vor Augen zu führen: Logan und Angel eng umschlungen auf der Tanzfläche, die Welt um sich herum vergessen. War er in sie verliebt? Oder spielte er nur mit ihr? Hatte Fi von Anfang an Recht gehabt und er war bloß ein Playboy, der sich jedes Mädchen nahm, dass er wollte? War ich auch nur eines von vielen Mädchen, das auf ihn hereingefallen war? Aber war er nicht eifersüchtig gewesen? Als er mich von Gordon weggezerrt hatte und mich dann angeschnauzt hatte, war er doch eindeutig eifersüchtig gewesen! Wie gestern er hatte er seine Mauer gesenkt, dieses Mal allerdings ausversehen. Ehe er es bemerkt hatte hatte ich eindeutig Nebelschwaden gesehen, die ihn umgeben hatten wie einen Mantel. Sie waren eindeutig und ohne jeden Zweifel giftgrün gewesen. Die Farbe der Eifersucht! Aber warum zur Hölle tanzte er so mit Angel, wenn er mich mochte? War er am Ende nur eifersüchtig gewesen, weil er dachte, Gordon könnte ihm eines seiner Betthäschen wegschnappen, bevor es überhaupt eines geworden war? Oh, wie ich diese Ungewissheit hasste! Wie auf Kommando stoben die Schneeflocken um mich wieder heftiger durch die Luft. Eines musste ich zugeben, dass Wetter entsprach wirklich genau meiner Stimmung. Plötzlich sah ich, einem Impuls folgend, auf. Der Anblick der Lichtung, mitten in diesem gottverdammten Wald, ließ mich zusammenbrechen. Warum war alles mit ihm verbunden? Alles, das Gute und Schlechte! Egal wo ich hinging, es erinnerte mich an ihn! Meine Wut kochte über und glühende Hitze strahlte in alle Richtungen ab. Kurze Zeit stand alles um mich herum unter Wasser. Aber noch bevor mein Kleid schmutzig werden konnte von dem Schlamm, begann die Wiese zu dampfen, da ich immer noch so viel Hitze abstrahlte. >>Rosanna! <<, drang eine bekannte Stimme an mein Ohr, >>Rosanna, beruhig dich! Wenn du nicht aufhörst, steckst du alles hier in Brand! << Erschrocken sah ich auf, direkt in Blues sonst fast weiße Augen, die aber jetzt vor Sorge so dunkel wirkten, wie Monsunwolken. Eine eiskalte Träne rollte über meine heiße Wange und verdampfte, bevor sie auf der Höhe meiner Nasenspitze angekommen war. Zusammen mit meiner Wut verschwanden der Dampf und der Schneesturm. Ich bemerkte gar nicht wie Blue auf mich zukam, allerdings verbrannte er sich die Finger, als er versuchte, mich in den Arm zu nehmen. Einen Moment sahen wir uns verdutzt an, dann fingen wir an zu lachen. Doch auch das stoppte die Tränen nicht. So saß ich auf der Lichtung, lachend und weinend zugleich.


Feen der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt