15. Kontrollverlust

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> Hanna <

Wieso hab ich das gemacht? Wieso bloß habe ich ihn nochmal geküsst, gleich 2 mal! Oh Mann, ich bin ja blöd! Ja okay, der Kuss gestern war der Hammer, aber eigentlich wollte ich doch aussteigen. Und was mach ich? Ich verspreche ihm morgen bei seinem Spiel aufzutauchen und ihn anzufeuern? Das ist keine gute Idee, Hanna! Wenn ich so weitermache, verliebe ich mich noch in ihn. Das wäre eine Katastrophe! Wie soll ich das denn bloß trennen? Wieso ist es alles so verdammt kompliziert?

Der Weg nach Hause vergeht wie im Flug. Im Briefkasten sind wieder 2 Absagen. Es ist zum verrückt werden! Da ruft Jodie an.
"Honey, wie geht es dir? Ich musste dich einfach anrufen!"
"Geht so, Jodie. Ich glaub, ich hab was Dummes gemacht. "
"Was denn? "
"Ich hab ihn geküsst, also vorhin! Ohne Grund. Einfach so. Ich hätte es nicht tun müssen, da war niemand außer uns." Jodie seufzt.
"Ach Hanna, ich habe dich gewarnt! Du hast dich verknallt, oder?"
"Nein, es ist nur..."
"Hanna, ernsthaft! Natürlich bist du verknallt! Man küsst einen Mann nicht einfach so gleich 2Mal! Sei doch wenigstens ehrlich! Du musst damit aufhören! Mach dich doch nicht unglücklich!"
"Jodie, ich kann nicht! Ich brauche das Geld! Das weißt du doch! Ich hatte heut schon wieder 2 Absagen im Briefkasten! Und nein, ich bin nicht in ihn verknallt! Ich habe nur kurz die Kontrolle verloren!Das ist alles!"
"Hanna, du lügst dich gerade selber an, merkst du das? Ich mache mir Sorgen um dich! Pass bloß auf dich auf! Bitte!"
"Ja, ist okay. Mach dir keine Sorgen! Mir geht es gut! Ich hab keine Gefühle für diesen arroganten Kerl. Ich krieg das hin!"
Wir verabschieden uns und ich lasse mich auf mein Bett fallen.

Ich habe kurz die Kontrolle verloren, das ist alles. Mehr nicht. Ich empfinde nichts für ihn, er bezahlt mich nur dafür. Alles gut. Ich beruhige mich selbst und schließe die Augen. Da ich die Stille nicht lange aushalte, rolle ich mich wieder aus meinem Bett und schalte Musik ein. Es tut gut einige meiner Lieblingssongs zu hören. So verbringe ich mehrere Stunden. Bevor ich einschlafe, springe ich schnell unter die Dusche und putze mir die Zähne.

Ich träume in dieser Nacht von ihm. Genervt stehe ich auf und schreibe neue Bewerbungen. Es muss ja noch einen anderen Job für mich geben! Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass ich mich langsam umziehen muss, um zu Marcos Spiel zu fahren.

Dieses Mal entscheide ich mich für eine etwas romantischere Variante. Ein kurzes Kleid mit Blumenprint, hohe Schuhe, ich flechte meine Haar. Ich weiß, im Stadion wäre eigentlich Trikot und alles in Schwarz-Gelb angesagt, aber darauf habe ich keine Lust. Angeblich würde ich bei den anderen Spielerfrauen sitzen, da konnte ich nicht in Jeans und T-Shirt aufschlagen. Außerdem würde ich mich unwohl fühlen. Ich liebe dieses Kleid, es gibt mir Selbstbewusstsein. Ich habe mich also entschieden und fahre mit dem Taxi zum Stadion.

Es ist voll, wahnsinnig viele Menschen in Trikots, mit schwarz-gelben Schals und Bierflaschen stehen vor dem Stadion. Es dauert eine Weile, bis ich endlich an meinem Platz angekommen bin. Ich halte mich abseits von den anderen jungen Frauen. Sie sehen mich an, tuscheln.
Schon klar, ich bin die Neue, die keiner kennt. Ich hasse es. Auch die anderen Fans gucken mich blöd an. Vielleicht hätte ich mich doch für Jeans und T-Shirt entscheiden sollen.
Doch die Stimmung ist wirklich gut. Die Fangesänge dröhnen in meinen Ohren und ich suche das Spielfeld nach Marco ab. Als ich ihn gefunden habe, muss ich lächeln. Er sieht gut aus in seiner "Arbeitskleidung". Er wirkt cool, aber konzentriert. Nach dem Anpfiff kocht die Stimmung fast über. Es ist krass, wie ansteckend das ist. Irgendwann gröhle ich selbst mit und feuere die Jungs kräftig an. Die anderen vermeintlichen "Spielerfrauen" werfen mir ab und zu einen abfälligen Blick zu. Doch das interessiert mich nicht. Ganz besonders nicht als Marco in der 89. Minute den Siegtreffer erzielt. Ich jubele mit allen anderen und bin am Ende des Spiels ein bisschen heiser.

Marco hatte mir genau gesagt, wo ich auf ihn warten soll. Das tue ich dann auch. Immer noch werde ich von den anderen Frauen beäugt. Ich tippe auf meinem Handy herum und vertreibe mir so die Zeit.
Da umarmt mich jemand von hinten. Ich erschrecke mich kurz. "Hey, da bist du ja. Wartest du schon lange?", haucht mir Marco ins Ohr. Ich bekomme eine Gänsehaut als er mir einen Kuss in den Nacken gibt. Wieso tut er das? Ich drehe mich zu ihm um.
"Hi, na geht so. Gutes Spiel. Schönes Tor, Schatz!" Ich sage es extra laut, damit die anderen es auch bloß hören. Kaum habe ich "Schatz" zu ihm gesagt, geht das Getuschel hinter mir wieder los. War ja klar. "Danke, Püppi! Lass uns gehen, ich hab Hunger." Er legt seinen Arm um meine Hüfte und zieht triumphierend unter den Blicken seiner Kollegen und ihren Frauen mit mir von dannen. Dafür hab ich meinen gesamten Nachmittag geopfert? Für diese 5 Minuten Show? Darüber bin ich fast verärgert. Solch ein Aufriss für so ein paar Minuten. Als wir an seinem Auto sind, hält er mich zurück bevor ich einsteigen kann. Im Augenwinkel erkenne ich einige seiner Mitspieler. Alles klar, er will eine Zugabe - kann er haben.

Er zieht mich zu sich, sieht mir in die Augen. Mein Herz schlägt schnell, ich zittere beinahe. Als seine Lippen mich berühren, beginnt mein Herz zu rasen. Ich genieße den Kuss viel zu sehr, entspanne mich dabei. Wir küssen uns lange, seine Kumpels pfeifen sogar und rufen uns irgendetwas zu. Doch ich verstehe sie nicht und hoffe bloß, dass Marco nicht so schnell auf die Idee kommt, mich loszulassen.
Jetzt hab ich doch schon wieder die Kontrolle verloren, das ist ja furchtbar mit dem Kerl! Wir steigen ein und er grinst mich an.
"Gut gemacht , Hanna. So langsam vergess ich zwischendurch selbst, dass das alles nur gespielt ist!" Er lacht. Ich lache auch, doch in meinem Inneren fühle ich mich gerade gar nicht so wohl.
Ich bin dabei endgültig die Kontrolle zu verlieren, denke ich bloß. Das ist gefährlich.

ONLINE [1] [Marco Reus] | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt