70. 20 Prozent

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Hallöchen meine Herzchen, ich sitze hier in einem Chaos aus Kisten und Kartons, aber erstmal gibt's ein neues Pitel *-* Ich freu mir ja nen Ast, dass ihr so fleißig lest, votet und Kommis schreibt! Weitermachen! :D

Dicken Knutscha! <3

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> Marco <

Ungewiss, was jetzt passieren wird, halte ich den Atem an. Hannas Mund ist leicht geöffnet, ihre Augen strahlen im schummrigen Schein der Nachttischlampe. Dann beugt sie sich vor und küsst mich. Ohne Vorwarnung, ohne ein Wort. Sie küsst mich einfach. Das allerdings so liebevoll und auch so sehnsüchtig, dass mir schwindelig wird. Wie sehr ich diese Momente vermisst habe. Sie in meinem Arm, kurz vorm Einschlafen und diese Zärtlichkeiten. Seelig lächle ich leicht, während sie ihre Lippen auf meine drückt. Das hier, dieser Beweis, dass ich ihr noch so viel bedeute, ist noch besser als der heutige gemeinsame Nachmittag. Obwohl ich gedacht hatte, dass dieser an Glücksgefühlen nicht mehr übertroffen werden könnte. Doch ich habe mich geirrt. Hannas Lippen auf meinen - jetzt - in diesen Sekunden lassen das Glück in mir noch mehr wachsen.

Erst nach langer Zeit lösen wir uns voneinander, sie lächelt verlegen und beißt sich auf die Unterlippe. Auch wenn ich riskiere, dass ich die Stimmung damit zerstöre - diese eine Frage brennt so sehr in mir, ich muss sie ihr stellen. "Hann, du musst mir nicht antworten, ich frage dich einfach nur okay?", setze ich unsicher an. Sie nickt schweigend und wartet. "Wieso - also wieso hast du nur noch eine 20 prozentige Chance schwanger zu werden?" Jetzt ist es raus. Diese verdammte Zahl will mir nicht aus dem Kopf, seit sie sie ausgesprochen hat und ich verstehe das einfach nicht. Schon mehrere Male habe ich versucht herauszufinden, wie das möglich ist, aber dieses Fachchinesisch im Internet war so unverständlich, da habe ich irgendwann kapituliert. Hann schließt kurz die Augen und atmet tief durch. "Du musst mir keine Antwort geben, wenn es dich zu sehr aufregt", versuche ich zurück zu rudern, aber sie schüttelt den Kopf. "Nein. Du verdienst eine Antwort. Es ist nur nicht ganz leicht für mich darüber zu reden." Angespannt blicke ich in ihre Augen, in denen sich Tränen sammeln. Besorgt beginnt mein Herz schmerzhaft schnell in meiner Brust zu pochen. Schon jetzt bereue ich, Hanna diese Frage ausgerechnet jetzt gestellt zu haben. Zu meiner Überraschung spricht sie dann doch. Ruhig und gefasst.

"Es ist alles total blöd gelaufen damals. Ich hatte eine Eileiterentzündung, die ich verschleppt habe, meine Ärzte haben das einfach nicht kapiert und mich viel zu spät zum Frauenarzt überwiesen. Dort wurde das dann festgestellt und im gleichen Atemzug allerdings auch, dass der andere Eierstock auch verändert ist und so war das Endergebnis, dass ich nur noch eine 20prozentige Chance habe auf eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege. Damals habe ich die Tragweite des Ganzen noch nicht wirklich verstanden. Ich war ja noch sehr jung. Gerade mal 18. Da hab ich mir noch nicht so sehr den Kopf zerbrochen, was das bedeutet. Es war halt so und eigentlich wollte ich auch nie Kinder. Das Verhältnis zu meiner Mutter war immer schon etwas angespannt und da reizte mich dieser Gedanke wirklich null. Als ich dann aber von meinem Ex ungeplant schwanger wurde, war ich schockiert. Weil es doch geklappt hatte und ich von meiner Ärztin zu hören bekam, dass das wirklich ein kleines Wunder sei. Eigentlich hatte ich mit ihm kein Kind haben wollen, obwohl tief in mir der prinzipielle Wunsch aufgekeimt war. Ich wünschte mir nun doch eine Familie. Ich war bereit das Baby zu bekommen, ich habe so sehr gehofft, dass er der richtige Mann dafür sei. Dass wir eine kleine Familie werden könnten. Aber ich verlor das Baby, bevor ich es ihm überhaupt sagen konnte. Er war damals im Ausland unterwegs und ich hatte warten wollen, bis ich es ihm persönlich verkünden kann. Dazu kam es nie. Er fand es trotzdem heraus und glaubte mir nicht. Er unterstellte mir, ich hätte abgetrieben. Kurz danach trennten wir uns. Ich ertrug es nicht, dass er mir so wenig vertraute und er hat mir nie wirklich geglaubt, dass ich nicht doch abgetrieben habe. Dieses Misstrauen war für mich eine einzige Qual. Die Fehlgeburt damals war der Horror. An diesem Tag wurde mir klar, dass ich mir wirklich nichts Wertvolleres vorstellen kann, als ein eigenes Kind - mit dem richtigen Mann dazu. Und dann kamst du...", beendet sie mit brüchiger Stimme ihre Erzählung und mir bricht es vermutlich ein weiteres Mal das Herz, sie so traurig sehen zu müssen. "Das tut mir so leid, Süße." Was soll ich denn sagen? Sicher mache ich es mit jedem Wort nur noch schlimmer. Sie presst ihr Gesicht an meine Brust und weint. Vorsichtig lege ich meine Hand in ihren Nacken, kraule zärtlich die warme Haut. Es tut mir wirklich unendlich leid für mein Mädchen und es macht mir bewusst, wie unfassbar erschütternd die zweite Fehlgeburt gewesen sein muss. Mit dieser Vorgeschichte. Ich verstehe auch noch besser, warum Hanna so unglaublich enttäuscht von mir war.

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