-Kapitel 45-

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Ania P.O.V.

Müde schleppte ich mich zu meinem Frauenarzt. Ich hoffte einfach dass so früh am Morgen noch nicht all zu viel los war. Wenn könnte ich ja noch auf Arbeit gehen. Zwar hatte ich mich für heute krank gemeldet aber ich würde sicherlich eine Ausrede finden. Wenn nicht würde ich einfach von einer Routineuntersuchung sprechen. Ich war müde. Einfach nur müde. Ich hatte die Nacht schlecht geschlafen. Hatte ich überhaupt geschlafen? Wohl eher gedöhst. Immer und immer wieder sah ich die beiden Balken vor mir. Łukasz' Worte schallten ununterbrochen durch meinen Kopf. Alle Bilder spielten sich erneut ab. Immer und immer wieder. Jede einzelne Szene war fest verankert. Wie eingebrannt. Und ich? Ich konnte nichts dagegen tun.

"Guten Morgen. Haben sie einen Termin?" Kaputt schüttelte ich meinen Kopf und legte meine Chipkarte auf den Tresen. "Puh..ich rede kurz mit dem Doktor. Vielleicht kann er sie irgendwie reinschieben. Einen kurzen Moment" Kaum merkbar nickte ich und sah der Schwester hinterher. Sie verschwand im Sprechzimmer und ich stand immer noch schweigend und ausgelaugt am Tresen. An der Wand hingen unzählige Bilder von neugeborenen Kinder. Sie schauten mit ihren großen dunklen Augen in die Kamera und fast jeder hatte ein schelmiges grinsen auf den Lippen. Auf einigen Bildern waren auch die Eltern zu sehen. Sie lächelten über beide Ohren. In ihren Augen war Freude Stolz und vor allem Liebe zu sehen. Automatisch schaute ich skeptisch auf meinen Bauch. Wie sollte ich Liebe für das Wesen entwickeln wenn es nicht mal gewollt war. Es war ein Unfall. Mehr nicht. Es würde mein ganzes Leben verändern. Daran war ich nicht interessiert.

"Frau Matuszek? Der Doktor hat vor seiner ersten Patientin noch Zeit. Kommen Sie bitte?" Ich trottete in ihre Richtung und betrat das Sprechzimmer. "Guten Morgen. Frau Matuszek" Der Doktor lächelte mich herzlich an und zeigte auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ich erwiderte ein gequältes Lächeln und setzte mich. Mein Arzt war schon älter. Hatte einen Schnurrbart und eine Hornbille. Ich war seit meinem ersten Frauenarztbesuch bei ihm. Vertraute ihm und seinen Wissen. Ich kannte ihn nur so. Mit Bart und Brille. Mit dem Jahren sind sie Haare weniger und grauer geworden. Sonst hatte sich nichts geändert. "So. Was kann ich denn für sie tun?" Offen schaute er mich an und spielte mit einem der Kugelschreiber in der Hand. Die Arzthelferin sah mich ebenfalls interessiert an und wartete auf eine Antwort meinerseits. "Ich glaube ich bin schwanger. Was heißt ich glaube. Ich habe gestern einen..was heißt einen. Ich habe zwei Tests gemacht." Ich war völlig durcheinander. Meine Stimme überschlug sich. "Und beide waren positiv?" Stumm nickte ich. "Na dann werden wir das mal untersuchen ob die Tests auch die Wahrheit sagen?" Der Doktor lächelte. Er versuchte immer locker zu sein. Nahm mir schon des öfteren meine Unsicherheit oder Angst. Diesmal half es nicht. Kein bisschen."

Angestrengt schaute er auf den Bildschirm des Ultraschallgerätes. Ich hoffte dass dieser prüfende Blick einfach bedeutete dass er keinen Embryo entdecken konnte. Ich hoffte es so sehr. "Ach da haben wir ihn ja. Es hat sich die ganze Zeit versucht zu versteckt. Aber jetzt haben wir ihn. " Leicht schmunzelte er und drehte den Bildschirm in meine Richtung. "Sehen sie dieses schwarze etwas?" Er zeigte mit dem Kuli auf eine dunkle ganz kleine Fläche.

Ich nickte mal wieder nur stumm

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Ich nickte mal wieder nur stumm. "Dann kann ich ihnen gratulieren. Sie befinden sich in der dritten Schwangerschaftswoche." Er strahlte über das ganze Gesicht und drückte mir ein paar Papiertücher in die Hand um meinen Bauch zu säubern. Ich hatte noch immer nichts gesagt und strich frustriert meinen Bauch sauber. "Wollen Sie ein Bild haben?" Ich schaute ihn nun das erste mal in die Augen. Ich richtete mich von der Liege auf und atmete tief durch. "Ehrlich gesagt würde ich lieber einige Informationen zu einer Abtreibung haben." Binnen weniger Sekunden schlief sein Gesicht sein. Damit hatte er sicherlich überhaupt nicht gerechnet. "Informationen zu einer Abtreibung?" Unsicher hakte er nach. Auch die Arzthelferin war sofort blasser geworden. "Ja. Ich hätte gern ein paar Informationen." Der Doktor schob seine Brille zurecht und öffnete schnaufend eine seiner Schreibtischschubladen. "Ich öffne diese Schublade nicht gerne. Aber hier haben sie ein paar Prospekte. Lesen Sie sich die bitte sorgfältig durch. Denken sie gut drüber nach. Sprecher sie auch bitte mit dem Kindesvater. Er spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle. Wir machen in zwei Wochen nochmal einen Termin. Kontrollieren den Embryo und sprechen nochmal ausführlich darüber. Dann können sie mir fragen stellen. Ich kann ihnen auch nochmal einige Aspekte nennen und dann treffen wir eine Entscheidung. Entweder in zwei Wochen oder wenn sie und der Vater noch etwas mehr Zeit brauchen können wir auch gern einen weiteren Termin machen. Ja?" Stumm nickte ich und erhob mich dann von dem Stuhl. Ich bedankte mich und lief wieder zur Schwester im Anmeldezimmer. "Ich hätte gern in zwei Wochen einen Termin." Nickend blätterte sie im Terminplaner und nannte mit noch freie Zeiten. Als dies auch geklärt war verließ ich die Arztpraxis und machte mich auf den Weg nach Brackel. Es war inzwischen 9 Uhr. Ich hatte also nur eine halbe Stunde versäumt und konnte so wenigstens versuchen noch etwas zu schaffen. Auch wenn ich sicherlich eher an etwas anderes denken würde. Die Prospekte würde ich sicherlich auch heute noch lesen. Ich wollte alles genau wissen. Was die Risiken waren und wie lange ich maximal Zeit hatte mich endgültig zu entscheiden. Łukasz würde ich sicherlich nicht einbeziehen. Er würde sich eh dagegen sträuben. Er hätte kein Verständnis. Niemand hätte Verständnis dafür. Niemand hatte einen blassen Schimmer. Niemand wusste wie es mir damit erging. Es war am Ende des Tages aber immer noch mein Körper. Ich entschied was damit passierte und was nicht. Ich hatte die Verantwortung und würde danach auch dazu stehen.

Ona i On (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt