-Kapitel 86-

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Wir saßen bereits im Flieger zurück in die Heimat. Die Maschine würde wie gewöhnlich in Warschau zwischenlanden, wo die meisten von uns auch aussteigen würden, um dort ihre freie Zeit zu verbringen. Sicher waren auch einige dabei, die zu ihren Familien weiterfuhren. Es war auch unwichtig. Kuba, Agata, Łukasz und ich flogen weiter nach Deutschland. Die beiden würden einige Tage mit den Kindern zusammen bei Łukasz verbringen. So ging es auch erstmal nicht mit dem Umzug voran. Eigentlich war es auch nicht wirklich schlimm. Ich hatte mich noch kein bisschen darauf vorbereitet. Somit wurde mir ein kleiner Puffer geschaffen, der mir Zeit ließ genau zu überdenken, was ich mit zu Łukasz nehmen wollte und von was ich mich schweren Herzens trennen musste. 

In dem recht kleinen LOT Flugzeug saß nun Łukasz links neben mir, rechts war der Gang und auf der anderen Seite saß Agata, die immer wieder skeptisch versuchte zu mir Blickkontakt aufzunehmen. Bis jetzt hatte ich dieses recht gut abblocken können. Wie gesagt, bis jetzt. Łukasz strich leicht über meinen linken Arm und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. "Ich komme gleich wieder" Er richtete sich auf und verschwand den Gang hinter Richtung Trainerteam. Nun war ich ausgeliefert. Es war nur eine Frage der Zeit, dass mich Agata ansprechen würde. Und  mein Gefühl lag nicht falsch. "Habt ihr euch ausgesprochen?" Ich atmete tief durch und wandte  meinen Blick auf die junge blonde Frau. Stumm nickte ich und versuchte mein bestes Lächeln aufzusetzten. "Aber?" Ich konnte ihr einfach nichts vormachen. "Was aber?" Vielsagend zog sie eine Augenbraue nach oben. Kurz striff mein Blick Jakub. Dieser schlief tief und fest und trug dazu auch noch seine Kopfhörer. Agata konnte aber auch immer die besten Momente abpassen. "Ania, du weißt genau was ich meine. Wenn alles geklärt wäre würdest du dich nicht so verhalten. Du bist total anders." Warum musste sie sowas immer in den unpassendsten Momenten machen. Anscheinend sagte genau das auch mein Blick aus. Sie nickte verständnisvoll "Gut Ania, du hast gewonnen. Sobald wir in Dortmund sind bist du dran, verlass dich  drauf." stumm und genervt nickte ich ihr zu. Ich wusste, dass Widerstand zwecklos war.  Sie wusste sofort wenn irgendwas faul war. Sie konnte perfekt einschätzen, wie Łukasz und ich miteinander umgingen. Es war ein Phänomen. Wir sahen uns so wenig und sie hatte trotzdem was das an beging den Durchblick. Aber wahrscheinlich war es mir auch anzumerken, dass es nicht so wie immer war. Denn wie sehr ich es auch versuchte, ich bekam die Worte nicht aus meinem Kopf. An meiner Liebe zu ihm hatte ich keine Sekunde gezweifelt, nichtsdestotrotz war ich sehr enttäuscht von dem, was er mir da an den Kopf warf. War das verständlich oder übertrieb ich einfach nur? Ich konnte es mir einfach nicht selbst beantworten und mit Agata wollte ich dieses Thema im jetzigen Moment auch nicht ausdiskutieren. Es musste schließlich nicht das ganze Flugzeug davon Wind bekommen wie es in Łukasz' und meiner Beziehung zuging. Das ging nur ihn und mich etwas an. Und maximal unsere Familie und engsten Freunde. Auch wenn dies schon fast zu viel war. Doch ich musste darüber reden. Agata hatte recht. Ich musste mir den Schmerz irgendwie von der Seele reden. Und das nicht nur mit Łukasz. Ich musste mich sammeln. Ich durfte keine Veränderung meiner seelischen Verfassung zeigen und erst recht nicht zulassen. Das machte es ja nun wirklich nicht besser. 

Genau in der Sekunde, in der ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte stand Łukasz liebevoll lächelnd vor mir. Wenig später ließ er sich wieder neben mir nieder und legte seinen Arm um mich. Mir war klar, dass er sein Verhalten zu tiefst bereute und sicher nicht in diesem Ausmaß wiederholen würde, trotzdem nagte es an mir. Und das ungemein. Ich war mir nicht sicher woran dies genau lag. Was die Gründe für meine Gefühlslage waren, da ich ja wusste wie er für mich fühlte und dem ganzen gegenüberstand. Ich wollte es verfluchen, es unterdrücken und verbannen. Łukasz zuliebe, dem Kind zuliebe und auch mir zuliebe. Es musste doch irgendwie möglich sein. Oder nicht? Ich drehte meinen Kopf zu Łukasz, der seinen Blick auch auf mir gehaftet hatte. Ich versuchte ehrlich zu lächeln und schaffte es sogar ein Stück weit. "Ich liebe dich Łukasz. Bitte vergiss das nicht!" Das wichtigste: es waren echte und wahre Worte, die ich meinem Mann da sagte. Denn wir würden es überstehen. Ich konnte mich nur immer und immer wieder wiederholen. Wir würden es überstehen.

Ona i On (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt