-Kapitel 48-

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Stumm schaute ich kurz zu ihm um mich sekunden später wieder abzuwenden und in die Ferne zu schauen. "Gut" antwortete ich gleichgültig und abwesend. "Sicher?" Es war klar dass Łukasz meine Antwort hinterfragte. "Ja. Sicher. Mir geht es gut." Er atmete tief aus. Kurz danach war es wieder still. Man hörte nur das was die Nacht hergab. Den Verkehr. Umherirrende Jugendliche und den Wind. So wie vorhin eben als ich noch allein war. "Ich hab die Prospekte im Wohnzimmer auf dem Tisch liegen sehen" ich weitete meine Augen was durch sie Dunkelheit hoffentlich nicht allzu sehr auffiel. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Jetzt war also das passiert was ich vermeiden wollte. Das was ich bis zu meiner Entscheidung vertuschen wollte war noch am gleichen Tag herausgekommen. Jetzt würde also das passieren was der Doktor mir eh geraten hatte: Ein Gespräch mit dem Kindsvater. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Also war es wohl die beste Entscheidung zu schweigen. Nichts zu sagen und abzuwarten.

"Willst du das wirklich durchziehen?" Wieder schwieg ich. Ich sah es nicht ein mich zu rechtfertigen. Warum auch? Es war mein Kind. Mein Körper und meine nur meine Entscheidung. Und wenn schon?! Dann würden sie nicht eben alle hassen. Bis jetzt wusste es ja "nur" Łukasz. Auch wenn mir wahrscheinlich jeder andere mehr recht gewesen wäre. Naja bis auf Emy. Die hätte mich wahrscheinlich schon lange gekillt. Aber was sie nicht weiß macht sie nicht heiß. Das passte in dem Fall mehr als perfekt. "Ania. Ich weiß ja nicht was du dir dabei denkst. Schweigen bringt nichts. Vielleicht verdrängst du das aber ich bin der Vater. Ich kann das doch nicht einfach zulassen dass du mein Kind umbringst." Sofort hob ich den Zeigefinger. Łukasz hatte recht. Schweigen brachte nun wirklich nichts mehr. "Ich trage das Ding immer noch in mir. Du hast doch keine Ahnung. Du hast kein bisschen Ahnung." Erschrocken schüttelte er seinem Kopf. "Bezeichne unser Kind nicht als 'Ding' es ist immerhin ein Lebewesen." "Es ist irgendein schwarzer Fleck auf dem Bildschirm." "Trotzdem lebt es. Du kannst das doch nicht einfach töten." Ich wendete meinen Blick von ihm ab. "Besser jetzt als wenn es auf der Welt wäre oder? Und außerdem würde ich eines Tages eh allein damit dastehen. Das will ich vermeiden." Ironisch lachte er auf. "Das hätte ich dir noch weniger zugetraut. Ania ich bitte dich. Wer sagt denn dass du irgendwann alleine mit dem Baby dastehst?" Ich schüttelte inzwischen ununterbrochen meinen Kopf. Ich wollte nicht mehr. Die vorherige Entspannung war schon lang verflogen. Sie war weg. Alles hatte sich in Wut Frust und Aufregung verwandelt. Innerlich spürte ich mein Herz rasen. Es pochte so laut und mein Puls dröhnte ununterbrochen. "Wenn ich dann dick und ein wandelndes Hormonmonster bin. Wenn ich keine Zeit mehr für dich oder uns hätte. Nur an dem Bett von diesem nervigen Kind stehen muss weil es einfach nicht einschlafen will. Da hab ich keine Lust drauf. Und du sicherlich auch nicht. Die Sache ist doch eh durch. Du kannst mich nicht umstimmen." "Das kann nicht dein ernst sein. Denkst du nicht dass es wahrscheinlicher ist dass du allein dastehst wenn du wirklich diesen Schritt gehst. Ich gebe es ja zu. Anfangs war ich auch nicht begeistert. Ich hatte keines Falls Interesse daran jetzt schon Vater zu werden. Das hätte von mir aus ruhig noch ein paar Monate oder sogar Jahre dauern können. Jetzt ist es aber so. Du bist schwanger und wir können daran nichts ändern" "Oh doch können wir. Siehst du doch. Du hast ja die Prospekte gesehen. Und wie schon gesagt. Du kannst daran nichts ändern. Verstehs doch endlich. Und außerdem wirst du schon wieder
laut." Łukasz fuhr sich wie immer in solchen Momenten durchs Haar. "Das kannst du doch nicht machen. Und ich habe wohl ein gutes Recht laut zu werden." "Doch kann ich und du hast kein Recht laut zu werden. Wir leben im 21. Jahrhundert und nicht in den 60er Jahren wo das noch illegal war. Es ist legal und ich wäre nicht die einzige die diesen Schritt geht. Ich hoffe das ist dir bewusst." Kurz fokussierte er mich. "Ist das dein letztes Wort?" Stumm nickte ich. Łukasz stand wortlos auf und verließ den Balkon. Wenig später hörte ich wie sich leise die Wohnungtür schloss.

Jetzt war ich also wieder allein. Von einen auf den anderen Augenblick war es wieder mucksmäuschenstill. Ich saß wieder allein auf dem Balkon und starrte in die Dunkelheit. Das war mal wieder aus dem Ruder geraten. Wie immer eigentlich wenn Łukasz und ich nicht einer Meinung war. Das ging nie ruhig zu. Zumindest nicht das ich mich daran erinnern könnte. Es war schon immer so. Nur respektierte er meine Entscheidung nicht. Es enttäuschte mich. Sehr sogar. Dann musste ich das eben allein durchziehen. Allein. Ohne jegliche Hilfe. Traurig eigentlich. Ändern konnte ich es nicht. Ich war doch stark. Ich würde das schon schaffen. Irgendwie.

Hasst mich ruhig. ✌

Ona i On (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt