Kapitel 13

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5. Dezember, 1955

Ich weiß, ich weiß. Eigentlich ist es seltsam, dass ich die Zeit habe, Tagebuch zu schreiben. Immerhin ist bald Weihnachten! Aber das war mal. Es gibt kein Weihnachten mehr in diesem Haus. Kein Verwandter will mehr zu uns kommen und ich ehrlich gesagt auch nicht. Er hat es kaputt gemacht. Er hat Weihnachten kaputt gemacht.

Heute

Als mir Clara am nächsten Morgen die Decke wegzieht, ist meine Stimmung im Keller. Ich habe ihr gestern Abend nichts mehr davon erzählt, dass Jon jetzt für mehrere Wochen hierbleiben wird. Ich konnte es einfach nicht. In dem Moment als ich gerade an der Glocke läuten wollte, ist mir klargeworden, dass ich sie nicht ständig belästigen kann. Sie hat immerhin auch ein Privatleben.

Ohne Murren stehe ich auf und gehe ins Bad. Sie sieht mir verblüfft hinterher. "Was ist denn mit unserem Morgenmuffel passiert?", fragt sie und kichert. Ich zucke mit dem Schultern, während sie die Schuluniform herausholt.

Ich sehe sie genauer an. Was weiß ich eigentlich über sie? Klar, sie ist Clara, mit den hellbraunen Zöpfen, der caramelfarbenen Haut, den lockeren, billigen T-Shirts und zerrissenen Jeans, meine Dienerin und beste Freundin, aber ich kann mich immer nur an Situationen erinnern, in denen ich Probleme gehabt habe. Es ging nie um sie.

"Sag mal, Clara... Was hast du eigentlich am Samstag vor?", frage ich sie und öffne meinen Dutt von gestern Abend. Sie sieht auf. "Wahrscheinlich für Sie arbeiten, wieso?", will sie wissen und legt das fertige Outfit auf mein Bett.

"Ich halte es für eine gute Idee, wenn wir den Tag zusammen verbringen. Wir können Shoppen gehen, ins Kino...", schlage ich vor und nehme meine Bürste, aber sie winkt ab.

"Erstens erlaubt Ihre Mutter das bestimmt nicht, da es nicht zu meinen Aufgaben zählt, mit in die Stadt zu kommen. Und zweitens... Habe ich kein Geld", sagt sie und schaut weg.

Ich sehe sie an. Sie ist erst neunzehn und wird wahrscheinlich in ihrem Leben trotzdem keinen anderen Job mehr haben als diesen. "Ach, Quatsch. Ich bin deine Vorgesetzte und ich entscheide, wozu ich dich brauche. Und für dein anderes Problem... Ich habe 14 Milliarden auf dem Konto. Ich denke, ich kann das übernehmen", sage ich und zwinkere ihr aufmunternd zu. Außerdem habe ich nicht vor, meiner Mutter etwas davon zu sagen. Sie hielt es ja auch nicht für nötig, mich zu fragen, ob Jon kommen sollte.

Aber sie schüttelt erneut den Kopf. "Das kann ich doch nicht annehmen...!", murmelt sie und spielt an ihren Zöpfen herum. "Doch, kannst du. Also Samstag?", frage ich erneut, um sicherzugehen. Sie hat es einfach verdient, es sich auch mal gut gehen zu lassen.

Sie seufzt. "Sie geben echt nie auf, oder?", lacht sie. Ich schüttele grinsend den Kopf. "Na, meinetwegen. Und jetzt: Machen Sie sich endlich fertig!"

**

Etwa eine halbe Stunde später komme ich fröhlich zum Frühstückstisch. Dort erwarten mich allerdings nur finstere Gesichter. Laina ist anscheinend immer noch sauer, und Emmy... Ja. Ihr kennt Emmy.

Ich setze mich neben Laina und beginne schweigend zu Essen. Nach einigen Minuten jedoch halte ich es schon nicht mehr aus. "Komm schon, Laina! Du kannst nicht ewig sauer sein!", rufe ich und lasse meine Gabel fallen.

Sie wirft mir einen wütenden Blick zu. "Ich höre keine Entschuldigung", knurrt sie und konzentriert sich dann wieder auf ihren Teller. Pah! Soweit kommt's noch! Ich entschuldige mich hier für gar nichts.

"Wie läuft's mit der Hochzeit, Emmy?", fragt Laina nach einigen weiteren Minuten des Schweigens. Sofort scheint ein Alarm in ihrem Kopf loszugehen, denn sie fährt Laina direkt an. "Warum interessiert dich das?"

Laina zuckt zurück. Mit dieser Reaktion hat sie wohl nicht gerechnet. "Entschuldigung, man wird ja wohl noch...", fängt sie an, aber Emmy unterbricht sie. "Es läuft großartig, okay? Und jetzt hör auf, zu fragen, wir müssen sowieso los", murmelt sie und steht auf.

Ich wechsele einen verstörten Blick mit Laina, als die Tür des großen Saals mit einem Lauten Knallen zuschwingt. Im Moment weiß ich zwei Dinge ziemlich sicher: Erstens: Laina hat mir wieder verziehen (und das ohne Entschuldigung- wusste ich's doch, dass sie mir nicht lange böse sein kann!) und zweitens: Irgendetwas ist da bei Emmy im Busch.

Und ich werde um jeden Preis herausfinden, was.

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