Kapitel 64

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Die Mittagspause verläuft zwar einigermaßen ruhig, trotzdem kann ich es kaum erwarten, endlich hier raus zu sein. Meine Finger trommeln schon die ganze Zeit auf den Tisch, und ich hoffe nur, dass meine Freundinnen es nicht mitbekommen.

Sie führen weiter ihre Gespräche und ab und zu lasse ich mal ein "Aha" oder zustimmendes "Hmm" fallen, aber eigentlich sieht jeder, dass mein Blick die ganze Zeit auf der Uhr lastet. Na ja, könnten Sie sehen. Wenn sie sich auch nur im Geringsten für mich interessieren würden.

**
Es ist die längste Mittagspause meines Lebens. Ich habe das Gefühl, hier stundenlang zu sitzen, bis ich endlich das vertraute Geräusch des Gongs höre. Hörbar atme ich aus.

"Alles gut, Nia?", höre ich auf einmal die Stimme von Joyce, die es anscheinend bemerkt hat. Thess ist noch immer voll und ganz mit sich selbst beschäftigt.

Mein Blick fällt auf Joyce, und irgendwie macht mich ihr fragendes Gesicht unglaublich sauer. Ich meine, sie hätten die ganze Zeit meine Stimmung bemerken können. Dass es erst eine mündliche Äußerung dazu geben muss, finde ich echt schlimm.

"Nein, alles okay", fauche ich und blitze sie wütend an.

Joyce' Blick verändert sich. "Wir sehen doch, dass etwas nicht stimmt, Süße!", meint sie.

Na ja, das hätte sie wohl meinen sollen.

Denn in Wirklichkeit sagt sie: "Okay, na dann..."

Und dann unterhält sie sich einfach weiter mit Thess. So als wäre ich nicht da. Als wäre ich nur ein Problem, das grade aus der Welt geschafft worden wäre.

Wütend stehe ich auf, knalle meinen Stuhl gegen den Tisch und verlasse den Raum. Eigentlich ist alles was ich will, zum Tanzsaal zu kommen. Aber jetzt ändern sich meine Pläne und ich stürme in die Toilette, wo ich mich in einer Kabine gegen die Wand fallen lasse.

Und sowas schimpft sich Freundin! Entweder hatten Joyce und Thess sich wahnsinnig verändert, oder ich. Die ganzen Erlebnisse der letzten Wochen lassen mich geradezu verachtend auf mein voriges Leben zurückblicken.

Warum habe ich solche Freunde? Warum bedeuten mir solche Leute so viel, wenn ich ihnen offensichtlich nichts bedeute?

Das zweite Klingeln ertönt und ich wische mir schnell ein paar Tränen aus dem Gesicht. Tja, mein Hang zur Sensibilität hat sich wohl nicht geändert.

Ich gehe zum großen Spiegel und frische mein Make-Up auf, dann mache ich mich auf den Weg zum Tanzsaal.

**

Die meisten Mädchen stehen schon davor, die Jungen kann ich noch nicht entdecken. Wahrscheinlich stehen sie an der anderen Flügeltür, die ebenfalls in den Raum führt.

Ich suche nach meiner Gruppe, um mich dazuzustellen, als ich sie sehe, überlege ich es mir aber anders. Ich kann jetzt gerade einfach keine Zeit mit diesen Mädchen verbringen.

Ich nehme mir meine Tasche und stelle mich möglichst weit weg von ihnen, auch, wenn das wahrscheinlich ziemlich einsam aussieht.

Nach zehn Minuten kommt endlich unsere Tanzlehrerin und erlöst mich von den verstohlenen Blicken der anderen Schülerinnen, die wahrscheinlich genau das gleiche wie ich zu meinem Anblick gedacht haben.

"Hallo, Leute! Kommt rein!", sagt sie und holt einen Schlüssel aus ihrer Tasche. Wir gehen durch die Tür und steuern auf die Umkleide zu.

Nach zehn Minuten sind wir alle fertig und haben wahrscheinlich wie immer eine Sauerstoffvergiftung von dem Deo, aber ansonsten geht es mir super. Denn ich sehe schon von weitem, dass Jon auf mich zukommt und mich umarmt.

Ich schließe meine Arme um seinen Brustkorb und drücke ihn fest an mich. Ich weiß, es waren nur wenige Stunden, in denen ich ihn nicht gesehen habe.

Aber für mich hat es sich angefühlt wie mindestens zwei Ewigkeiten.

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