Kapitel 63

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Ich sehe sie fassungslos an. Dann wiederhole ich nochmal sehr langsam, was sie mir gerade unter Tränen erzählt hat.

"Zwei. Monate.", verdeutliche ich es mir langsam und eindringlich nochmal, was die Sache wohl allerdings nicht besser macht. Ari beginnt nämlich schon wieder zu schluchzen.

Ich beiße mir auf die Lippe. Oh Gott, ich habe keine Ahnung, was man in so einer Situation macht. Ich lege meine Hände auf ihre Schulter und sehe ihr tief in die Augen. "Ari, es tut mir so...", beginne ich, werde aber von der zuschlagenden Tür unterbrochen.

"Morgen, allerseits", murmelt die Lehrerin, die gerade den Raum betritt und uns alle mustert als würde sie am Liebsten sofort wieder den Raum verlassen und Bekanntschaft mit einem Therapeuten machen.

Sie beginnt langsam, die Anwesenheit abzurufen und die Klasse wird langsam still.

Nur Ari kann sich nicht zusammenreißen und ihr entfährt ein Schluchzer nach dem nächsten.

Wer kann es ihr verübeln?

Unsere Lehrerin kann.

Genervt sieht sie vom Klassenbuch hoch und starrt Ari an, als würde sie eine Entschuldigung von ihr erwarten.

"Möchten Sie vielleicht rausgehen? Ich denke, etwas Ruhe würde Ihnen guttun", rät sie Ari, und diese nickt ergeben. Längeres Diskutieren würde sowieso nichts bringen.

"Kann ich vielleicht mitkommen?", werfe ich noch schnell ein, als sie schon fast aus der Tür ist. Die Lehrerin wirft mir allerdings nur ein sarkastisches Lächeln zu.

"Es ist herzzerreißend, wie sehr Sie sich um ihre Freundin sorgen, aber ich denke, Miss Mettner findet den Ausgang auch selbst."

Ich werfe Ari einen entschuldigenden Blick zu, da ist sie allerdings schon fast aus der Tür und die Frau an der Tafel fährt mit dem Unterricht fort, als wäre nie etwas gewesen.

**

In der Pause ist Ari nicht mehr da.

Wahrscheinlich ist sie nach Hause gegangen, und ich glaube, das alles hier hätte sie auch nicht länger ertragen.

Es ist so schlimm, wie egal es den Lehrern ist, wie scheiße es ihr geht. Manchmal kotzt mich diese ganze Schule so sehr an.

Thess, Joyce und ich haben uns schon fast daran gewöhnt, dass Ari nicht mehr dabei ist, aber auch unter uns hat sich etwas geändert.

Es ist, als wären Thess und ich nur noch auf Krawall gebürstet und Joyce ist einfach nur die, die verhindert, dass es zum Ausbruch kommt.

Es ist nicht mal mehr so, als wären wir wirklich Freundinnen und mir wird immer mehr klar, wie fake einfach alles in meinem Leben ist.

Es ist wohl gerade nicht nur die Schule, die mich wahnsinnig ankotzt.

Das Einzige, was mich noch einigermaßen durch den Tag bringt, ist die Tatsache, dass ich Jon heute Nachmittag sehen werde. Er ist der Einzige von meinen Freunden, der sich momentan noch einigermaßen normal verhält.

Die ganzen Stunden kann sich mein Blick kaum von der Uhr lösen, bis uns endlich die Klingel erlöst und wir in die Mittagspause entlassen werden.

Ich glaube sogar, das ist das erste mal, dass ich die Mittagspause gegen Unterricht tauschen würde.

Denn erstens habe ich keine Lust, noch vierzig Minuten mit Thess zu verbringen.

Und zweitens würde ich grade alles tun, um in der Nähe von Jon zu sein.

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