Sechzehn

43 10 14
                                    

Jetzt

Rio

Diego lässt die Limousine nicht zur alten Lagerhalle fahren, wie ich überrascht feststelle, sondern in eine der reicheren Gegenden von Greengarden. Was machen wir hier? Fragend schaue ich ihn an, doch er ist wieder einmal mit seinem Handy beschäftigt. Also schaue ich aus dem Fenster und versuche, ruhig zu bleiben. Mein Misstrauen ist erwacht, ganz wohl ist mir nicht bei der Sache. Fast lautlos gleiten wir durch die breiten Strassen, bis wir vorne an dem kleinen See angekommen sind, der den Mittelpunkt der Stadt markiert. Ich mag den See sehr, dort habe ich viele schöne Stunden verbracht und auch die eine oder andere Nacht. Außerdem habe ich da auch einige interessante Leute kennengelernt. Als ich vor einem Jahr hier in der Stadt angekommen bin, haben mich der Lärm und die vielen Menschen fast erschlagen, bis ich dann dieses ruhige Plätzchen für mich entdeckt habe. Ab da wurde es erträglicher.

Ich bin todmüde. Erst die ganze Aufregung des Kampfes, dann der Alkohol und jetzt die weichen Polster und das regelmäßige Brummen der Limousine. All das wirkt trotz meiner inneren Unruhe einschläfernd auf mich und langsam fallen mir die Augen zu.

Sanft wecken mich seine Berührungen. Federleicht streicht mir Diego mit den Fingern über den Arm und legt dann seine Hand auf meine Brust. Ganz warm wird mir dabei und als ich die Augen öffne, sehe ich ihm direkt in die dunkelbraunen Augen. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und langsam kommt er immer näher, bis sich unsere Lippen berühren. Sofort werde ich hellwach, bin total elektrisiert und erwidere den Kuss. Leider löst er sich wenig später wieder von mir, ohne den Kuss zu vertiefen. Etwas enttäuscht bin ich schon, aber dann bedeutet mir Diego, auszusteigen. Etwas verwundert stehe ich draußen vor dem riesigen Gebäudekomplex und schaue die zehn Stockwerke hoch.

„Na komm,"ruft mir Diego zu und verschwindet durch die Tür."Ich möchte dir zeigen, wie ich wohne." Okay, denke ich. Kann er mit diesen Kämpfen wirklich so viel verdienen, dass er sich hier eine Wohnung leisten kann? Oder sind da noch andere Dinge im Spiel? Langsam folge ich ihm. Im Fahrstuhl nach oben steht er dicht neben mir und ich kann die Hitze spüren, die von ihm ausgeht. Als die Türen aufgehen, komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Sie öffnen sich direkt in den Eingangsbereich der Wohnung, der sich dann zu einem grossen Wohnzimmer hin verbreitert. Der Boden besteht aus glänzendem, schwarzem Marmor, die Möbel sind ganz in weiss gehalten. Farbige Akzente bringen nur einige große Pflanzen, die hübsch angeordnet in dem Raum stehen. Es ist nicht wirklich mein Geschmack, zu kalt, zu steril. Aber ich muss schon sagen, dass es etwas hat. Diego läuft voraus ins Wohnzimmer und steuert direkt die Bar an, wo er zwei Gläser fingerbreit mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit füllt. Ich nähere mich den bodentiefen Fenstern und der Ausblick ist atemberaubend. Der See glänzt in der Dunkelheit und darüber schimmern die Lichter der Stadt. Einfach wunderschön. Diego holt mich aus meiner Bewunderung und übergibt mir ein Glas. Nachdem wir uns zugeprostet haben, nehme ich einen kleinen Schluck. Dieses mal bin ich auf das einsetzende Brennen des Whiskeys vorbereitet und genieße es. Doch mir schwirrt sowieso schon der Kopf und ich stelle das Glas zurück auf die Bar, ohne noch mehr zu trinken.

„Möchtest du den Rest der Wohnung sehen?" Fragt mich Diego, der mich bis dahin nicht aus den Augen gelassen hat. Ohne eine Antwort abzuwarten, ergreift er auch schon meine Hand und zieht mich durch das Wohnzimmer und die angrenzende Küche hindurch in einen breiten Gang. Von dort geht es durch eine Tür in ein Schlafzimmer. Das Bett ist riesig und füllt einen großen Teil des Raumes aus. Auch dort ist alles in Schwarz und Weiss gehalten.

„Na, was sagst du?" Aufgeregt schaut mich Diego an und ich kann nicht anders, als über seine überschwängliche Art zu lachen.

„Es ist sehr hübsch, Diego," und dann kann ich es mir nicht verkneifen zu sagen: "Und ein bisschen groß für nur eine Person."

„Ach was," wischt er meine Einwände beiseite. "Ich kann es mir leisten und ich brauche viel Platz für mich. Obschon ich mich in letzter Zeit dabei ertappe, wie ich mir vorstelle, diesen Platz mit jemandem Bestimmten zu teilen..." Seine braunen Augen sind dabei auf mich gerichtet und er schaut mich intensiv an. Ich bin zwar auf einer Farm aufgewachsen und habe nicht sehr viel Erfahrung in solchen Dingen, doch ich merke sofort, auf was er hinaus will. Nachdenklich schaue ich mich um. Könnte ich mir wirklich vorstellen, eine Beziehung mit ihm einzugehen? Mit ihm hier in dieser Wohnung zusammen zu leben? Oder ist er einfach nur auf Sex aus und es wäre praktisch, wenn ich einfach in der Nähe wäre? Nein, es gäbe wahrscheinlich dutzende von hübschen Jungs, die nur zu gerne hier wohnen würden und ihm jederzeit seine Wünsche erfüllen würden. Warum also gerade ich?

Ja warum wohl??

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt