Jetzt
Rio
Diego schaut mir gespannt in die Augen, doch als er keine Reaktion darin sieht, ist er wirklich so dreist und presst seine Lippen auf meine. Er zieht tatsächlich seinen letzten Trumpf! Körperlich haben wir uns immer sehr gut verstanden. Da war ein Feuer zwischen uns, das einmalig war. Doch dieses Mal lässt mich sein Kuss kalt. Erstarrt zu einer Statue stehe ich da und auch als er seine Zärtlichkeiten noch vertieft und mir neckend mit der Zunge über die Lippen fährt, entlockt er mir keine Reaktion.
Endlich lässt er seufzend von mir ab. Jetzt hat wohl auch er begriffen, dass es aus ist zwischen uns.
„Schade, Rio. Wir waren so ein gutes Team. Wir hätten es zusammen weit bringen können." Noch einmal streicht er mir sanft über die Wange, bevor er leise in der Dunkelheit verschwindet.
Erst da merke ich, dass ich unwillkürlich die Luft angehalten habe und stoße sie langsam aus. Mit ihr verschwindet auch die Starre in meinen Gliedern und meine Beine werden weich. Ich muss mich einen Moment gegen die Mauer lehnen und meinen inneren Aufruhr niederkämpfen. Ich wünschte, der Kuss hätte mich so kalt gelassen, wie ich es Diego weisgemacht habe. In Wirklichkeit hat er mich tatsächlich ein wenig erregt. Scheiss verräterischer Körper! Ich schüttle über mich selber den Kopf.
„Ist er weg?" Kommt es da plötzlich aus der Dunkelheit. Ich fahre erschrocken zusammen, entspanne mich aber sogleich wieder, als ich Ben erkenne.
„Ja, er ist weg. Und ich hoffe für immer." Erwidere ich und will mich an Ben vorbeischieben, um in meine Zimmer zu gehen. Er jedoch hält mich am Arm fest.
„Ist alles okay bei dir?" Fragt er mich und schaut mir besorgt in die Augen.
„Ja, Ben. Alles in Ordnung. Ich bin froh, ist dieses Kapitel nun endgültig abgeschlossen." Erst jetzt bemerke ich die kurze Flinte in Bens Hand.
„Was wolltest du denn damit?" Frage ich ihn erstaunt. Ich weiss, dass er sie immer sicher verschlossen in der Bar aufbewahrt.
„Wenn nötig, ihn damit vertreiben, natürlich."
„Du wolltest mir helfen?"
„Aber klar doch! Du gehörst doch jetzt zur Familie. Und seine Familie beschützt man."
Gerührt schaue ich ihn an. „Danke," bringe ich nur hervor. Ich habe einen Kloß im Hals. Kurz umarme ich ihn und murmele dann etwas von duschen und bereitmachen für später und verziehe mich schnell in meine Zimmer. Dort setze ich mich zuerst einmal aufs Bett und wische mir übers Gesicht. Erstaunt stelle ich fest, dass meine Hand feucht ist.
Ich bin nicht mehr alleine!
Diese Erkenntnis trifft mich völlig unerwartet und wirft mich fast um.
............................................
Kein Tag vergeht, an dem ich nicht auf meiner Gitarre herumklimpere, so dass sich manchmal sogar Ben beschwert. Aber ich kann nicht anders. Die Musik ist wieder da und ich freue mich unglaublich darüber. Erst jetzt merke ich, wie sehr sie mir in letzter Zeit gefehlt hat.
Bens Beschwerden nehme ich auch nicht wirklich ernst, denn schon ein paar Mal, als er das Gefühl hatte, alleine zu sein, habe ich ihn gehört, wie er wunderschöne Melodien auf dem Klavier spielte. Mir gegenüber hat er immer behauptet, dass er gar nicht spielen könne, dass das Klavier nur zum Gedenken an seine verstorbene Frau hier in der Bar stehen würde. Doch ich habe ihn erwischt, habe aber bisher noch kein Wort darüber verloren. Ich warte auf den passenden Zeitpunkt. Zu gerne würde ich lernen, Klavier zu spielen.
Eines Nachts ist es dann soweit. Wir haben die Bar geschlossen, alles ist aufgeräumt und sauber. Erschöpft ziehe ich den Klavierhocker hervor und setze mich drauf. Gleich darauf gesellt sich auch Ben zu mir und atmet tief durch.
„Viel los heute, was?" Fragt er und streicht geistesabwesend über den Deckel des Klaviers.
„Ja, ich habe schon gedacht, dass sie nie mehr gehen würden." Bei der Erinnerung an die fröhliche Truppe von Polizisten, die einen abgeschlossenen Fall gefeiert haben, muss ich wieder lächeln. Das muss schon ein ganz besonderes Gefühl sein, wenn man einen Schwerverbrecher endlich überführen konnte.
„Ja, sie haben ihn tatsächlich gefasst." Auch er muss lächeln, und wieder berührt er das Klavier.
„Kannst du mir beibringen, wie man spielt?" Frage ich da plötzlich. Ich hoffe, es ist der richtige Moment ihn das zu fragen und halte die Luft an.
„Ich kann nicht spielen, das habe ich dir doch gesagt." Kommt es müde von ihm zurück. Wenigstens wird er nicht gleich wütend und ich unternehme einen neuen Vorstoß. So leicht werde ich nicht aufgeben.
„Hör mal, Ben. Ich weiss, dass du spielen kannst. Ich kenne den Grund nicht, weshalb du es leugnest, es geht mich eigentlich auch nichts an. Doch ich würde es so schrecklich gerne lernen." Bittend schaue ich ihn an. Er jedoch verzieht das Gesicht, als hätte er Schmerzen und steht auf.
„Ich kann nicht Rio. Tut mir leid. Gute Nacht, bis Morgen." Dann verschwindet er in seine Wohnung. Ich bin enttäuscht! Aber ändern kann ich es wahrscheinlich auch nicht. Er lässt sich sicher zu nichts zwingen. Schade!
![](https://img.wattpad.com/cover/95340094-288-k694508.jpg)
DU LIEST GERADE
Rio - from the beginning
RomanceErster Teil Als Baby in einer Krankenhaustoillette ausgesetzt werden ... nicht gerade die besten Voraussetzungen für den Beginn eines Lebens. Doch Rio kämpft sich durch und nach diversen Kinderheimen landet er auf der "Heavens Gate" Farm. Dort lern...