Dreiundfünfzig

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Jetzt

Rio

Am nächsten Morgen werde ich abrupt geweckt, weil jemand nicht aufhören will, an die Scheibe zu klopfen. Missmutig öffne ich die Augen und sehe Diego mit einem dampfenden Becher neben dem Auto stehen. Ich lasse die Scheibe etwas herunter.

„Was willst du?" Frage ich unfreundlich.

„Ich wollte dir nur einen Kaffee bringen. Ich nehme nicht an, dass dieses Auto über eine Kaffeemaschine verfügt." Ich verdrehe genervt die Augen, reiße sie aber gleich darauf ganz auf, als mir der Duft in die Nase steigt. Kaffee! Nichts ist schöner als die erste Tasse Kaffee am Morgen. Diego weiss genau, wie sehr ich das liebe. Obschon ich immer noch sauer auf ihn bin, kann ich nicht anders und steige aus dem Auto aus. Ich bin ganz steif und muss mich zuerst einmal strecken. Diego lässt mich nicht aus den Augen und als ich ihm die Tasse aus der Hand nehme, einen Schluck daraus trinke und genüsslich die Augen schliesse, lacht er leise. „Ich habe auch frische Brötchen oben", versucht er, mich zu verlocken. Und zu meiner Schande muss ich eingestehen, dass ich tatsächlich schwach werde. Ich schaue in seine schönen, braunen Augen und überlege mir ernsthaft, auf sein Angebot einzugehen.

„Rio, bitte. Ich möchte mich entschuldigen. Ich habe mich total daneben benommen. Ich werde dich von jetzt an nicht mehr verfolgen lassen und du kannst tun und lassen, was du willst. Hauptsache, du kommst wieder zurück zu mir." Er kommt einen Schritt näher und sein ganz eigener Duft steigt mir in die Nase. Er hatte mich schon, als er mir den Kaffee gebracht hatte. Seine Entschuldigung hätte ich eigentlich nicht erwartet, ich nehme ihm jedoch ab, dass es ihm wirklich leid tut. Ob er sich ändern wird? Nun, das wird die Zeit zeigen. Ich bin auf jeden Fall bereit, es noch einmal zu versuchen. Ob ich wohl gerade einen riesengroßen Fehler mache? Keine Ahnung...

Früher

Rio

Schon nach nur einem Monat konnte sich Rio auf der Gitarre selbst begleiten. Er hatte dank des kleinen Heftchens schnell die wichtigsten Griffe herausgefunden und wann immer er ein paar Minuten Zeit hatte, übte er unermüdlich. Nicht selten war Max in der Nähe, wenn Rio auf der Gitarre spielte. Er sass dann mucksmäuschenstill und genoss die sanften Töne. Abends sassen sie dann auf einem der Betten und während Rio übte, gab Max vor, ein Buch zu lesen. In Wirklichkeit ließ Max Rio nicht aus den Augen. Rio spielte meistens mit geschlossenen Augen und war ganz in die Musik vertieft. Doch manchmal schaute er auf und begegnete Max Blick. Dann verzog sich sein Mund zu einem kleinen Lächeln, weil sich Max ertappt fühlte und schnell wegschaute.

Irgendetwas hatte sich in ihrer Beziehung verändert seit dem Brand. Sie hatten immer noch ihre Betten zusammengeschoben und schliefen nicht ein, ohne sich irgendwo zu berühren. Doch eine gewisse Leichtigkeit war abhanden gekommen. An ihre Stelle war eine Vorsicht getreten, die vorher nicht da gewesen war. Sie fühlten sich immer noch wie Brüder, doch da war noch ein anderes Gefühl, das jedoch keiner von Beiden so recht benennen konnte.

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt