Neunzehn

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Früher

Max

Leise fing Max an zu erzählen:

„Bis ich sieben Jahre alt war, war ich das glücklichste Kind auf der ganzen Welt. Ich hatte ein schönes Zuhause und wurde von meinen Eltern geliebt," bei der Erinnerung musste er kurz innehalten und schwer Schlucken, bevor er weiterreden konnte. „Ich hatte einen kleinen Bruder... na ja, klein ist übertrieben, er war nur ein Jahr jünger als ich. Sein Name war Jason und wir steckten immer zusammen. Meine Eltern waren sehr unkonventionell, sie lebten noch immer wie im Hippiezeitalter. So richtig mit Blumen im Haar und langen Röcken. Wir wohnten in einem abgelegenen, alten Bauernhaus, das sie Zimmer für Zimmer liebevoll selber restaurierten. Natürlich mussten wir in die Schule gehen, Bildung war sehr wichtig für meine Eltern, da sie beide in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen waren und nicht sehr viel davon genossen haben."

Wieder hielt Max kurz inne und schwelgte in Erinnerungen, die ihm diesmal jedoch ein Lächeln ins Gesicht zauberten.

„Meine Mutter verkaufte auf Märkten selbstgemachte Sachen. Sie war auch eine begabte Malerin, währenddem mein Vater sehr gut mit Holz umgehen konnte. Mit dem Erlös der verkauften Sachen kamen wir einigermassen über die Runden.

Mein Bruder Jason hatte diesen Freund, Lenny, der ständig bei uns rumhing, weil seine Eltern beide berufstätig waren und erst am Abend nach Hause kamen. Was wir drei immer für Streiche ausgeheckt haben... wir hatten so viel Spaß zusammen.

Du hast mich gleich von Anfang an diesen Freund erinnert, dieselben schwarzen, verstrubbelten Haare. Allerdings hatte er blaue Augen und nicht so leuchtend Grüne wie du."

Eine Weile betrachtete Max Rio eingehend, bevor er mit einem Seufzer fortfuhr.

„Dann kam dieser Tag... es war ein wunderschöner Frühlingstag und meine Eltern wollten mit Jason und mir einen Ausflug in unserem alten Campingbus machen. Solche Ausflüge waren immer das reine Abenteuer, wir wussten nie, wo wir landen würden. Doch unsere Katze war kurz davor, ihre Jungen zu bekommen und ich wollte nicht weg von Zuhause. Meine Eltern hatten Verständnis dafür und fuhren alleine nur mit Jason weg. Der Tag verging für mich wie im Flug, denn tatsächlich kamen die jungen Kätzchen zu Welt und ich konnte es fast nicht abwarten, sie Jason zu zeigen.

Es wurde Abend. Normalerweise waren meine Eltern immer zu Hause, bevor es dunkel wurde, doch an diesem Tag kamen sie nicht. So langsam machte ich mir Sorgen und ich rief bei Lenny an, um mich zu erkundigen, ob sie etwa bei ihm Zwischenstopp gemacht hätten. Doch auch er wusste nichts, genauso wenig wie seine Eltern. Da sie aber gute Freunde meiner Eltern waren, versprachen sie, sich zu erkundigen. Eine weitere Stunde verging, ohne dass sich etwas tat. Da plötzlich sah ich Licht in der Auffahrt auftauchen und ich stürzte voller Erleichterung zur Tür raus. Doch es waren nicht wie erwartet meine Eltern, sondern ein Polizeifahrzeug und dahinter Lenny mit seinen Eltern. Ich stand da wie erstarrt und wusste sofort, dass etwas Schlimmes passiert war."

Auf dem Heuboden war es nunmehr ganz dunkel geworden und Rio kuschelte sich etwas enger an seinen Freund. Auch weil er merkte, wie schwer es Max fiel, das alles noch einmal zu durchleben.

„Die Polizei erzählte mir dann von dem Unfall. Anscheinend ist bei voller Fahrt ein Reifen geplatzt und mein Vater hat die Kontrolle über den alten Bus verloren. Sie sind eine Böschung runter gestürzt, direkt in einen Baum. Der Bus hat sofort Feuer gefangen. Wenn sie nicht schon der Aufprall getötet hat, so hat es auf jeden Fall das Feuer. Es ist nichts mehr von ihnen übrig geblieben."

Max wischte sich mit der Hand übers Gesicht und konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Da richtete sich Rio auf und nahm seinen großen Freund ganz fest in die Arme. Langsam wiegte er ihn hin und her und Max ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Immer wieder wurd er von heftigen Schluchzern geschüttelt... noch lange sassen sie da, eng umschlungen auf dem Heuboden und trauerten ihrer verlorenen Kindheit nach.

Jetzt

Rio

Die nächsten Wochen vergehen wie im Flug. Ich bin fast den ganzen Tag am Trainieren und habe richtig Freude daran gewonnen. Am Meisten liebe ich es, in der Abenddämmerung um den See zu laufen. Es ist wunderschön zu beobachten, wie sich die untergehende Sonne im Wasser spiegelt. Wie sich die Farben von leuchtendem Orange in dunkles Rot verwandeln und das Licht dann ganz allmählich verblasst, bis nur noch Schatten übrig sind, wenn der Mond dann aufgeht.

Auch treffe ich da immer dieselben Leute, mit denen ich mich schon vor einiger Zeit angefreundet habe. Erst gestern habe ich Elaine wiedergesehen. Sie hat mir manchmal bei sich Unterschlupf gewährt, wenn es zu kalt zum draussen schlafen war. Oder, wenn ihr einfach nach Gesellschaft zumute war.

Wenn ich dann zurück zur Lagerhalle komme, wartet meistens schon Diegos Limousine auf mich. Er hat nicht aufgehört, mich zu umwerben, obschon ich ihn abgewiesen habe. Ich bewundere seine Hartnäckigkeit und langsam merke ich, wie ich weich werde. Fast jeden Abend führt er mich in teure Restaurants aus, manchmal auch nur in kleine, private Clubs. Eine vollkommen neue Welt eröffnet sich mir. Doch am Meisten genieße ich die Abende bei ihm zu Hause, wenn wir einfach den Kühlschrank plündern und auf dem Fußboden ein Picknick veranstalten. Diego ist so lebendig und unterhaltsam, dass wir meistens den ganzen Abend nur lachen und uns ausgelassen unterhalten. Natürlich sind wir uns auch näher gekommen, doch mehr als Küssen und etwas anfassen ist nicht passiert. Langsam sehne ich mich nach mehr...

Was sagt ihr zu der Geschichte von Max?
Und was läuft da inzwischen bei Rio und Diego?

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt