Einundfünfzig

44 9 12
                                    

Früher

Emilie

Das Richtfest für die neue Scheune war in vollem Gang und Emilie schaute sich stolz um. Einen ganz kleinen Teil hatte auch sie zu dem Bau beigetragen, sei es auch nur, dass sie die Kinder mit Süßigkeiten bei Laune gehalten hatte. Sie hatten jeden Tag so hart geschuftet und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Doch auch ein wenig Wehmut schlich sich in ihre Gedanken. Jetzt hatte sie keinen Grund mehr, um regelmäßig hier her zu kommen... sie würde die Kinder vermissen. Besonders Rio hatte es ihr angetan. Er war noch so jung und doch war er in seinen Gedanken seinem Alter weit voraus. Er hatte einen scharfen Verstand und eigentlich war er viel zu schade, um auf dieser Farm hier zu versauern. Doch für alle Kinder war es zu schade, sie hier zu lassen, doch Emilie hatte schon vor einiger Zeit akzeptieren müssen, dass es Sachen gab, die man nicht ändern konnte. Ihre Gedanken schweiften ab... wie lange hatten Finn und sie versucht, ein Kind zu bekommen. Doch es hatte nicht geklappt und nach einer Untersuchung hatte sich herausgestellt, dass sie unfruchtbar war. Ihre Vergangenheit hatte sie wiedereinmal eingeholt... all die Misshandlungen, die sie als Kind und Jugendliche über sich hatte ergehen lassen müssen, waren jetzt der Grund dafür, dass sie Finn keine Kinder schenken konnte. Beschädigte Ware... das war sie.

„Woran denkst du, mein Engel?" Fragte da plötzlich eine leise Stimme an ihrem Ohr. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie Finn zu ihr getreten war.

„Ach, ich finde es nur schade, dass ich die Kinder nun nicht mehr so oft sehen werde. Ich werde sie vermissen." Seufzte sie und lehnte sich leicht an den geliebten Mann. Finn nahm sie auch sogleich in die Arme. „Was hindert dich daran, auch weiter regelmäßig hier raus zu kommen?" Fragte da Finn und durch Emilie lief ein Ruck. „Du hast recht. Es gibt keinen Grund, weshalb ich nicht auch weiterhin her kommen könnte. Finn, du hast wirklich gute Gedanken." Schnell drehte sie sich zu ihm um und küsste ihn stürmisch, bevor sie sich auf die Suche nach den Kindern machte.

Jetzt

Rio

Ich parke meinen Porsche lieber zwei Straßen weiter, Diego muss ihn ja nicht unbedingt als Erstes sehen. Noch ganz euphorisch von der schnellen Fahrt hierher stürme ich in die Wohnung. Jetzt brauche ich zuerst einmal einen Whiskey und dann überlege ich mir, was ich für uns gutes kochen werde. Als ich vor mich hin pfeifend in die Küche komme, sitzt da Diego und starrt mir entgegen. Oh je, ich sehe im direkt an, dass er sauer ist... er kann doch nicht wissen, wo ich gerade war? Oder doch? Na ja, auch egal. Ich lasse mir meine gute Laune nicht verderben und gehe zur Bar, um mir einen Drink einzuschenken.

„Möchtest du auch einen?" Frage ich ihn und versuche seinen starren Blick zu ignorieren.

„Wo warst du?" Fragt er da, ohne auf meine Frage einzugehen. „Das habe ich dir doch geschrieben. Hast du meinen Zettel nicht gefunden? Ich war laufen."

„Und beim Laufen findet man dann einfach so einen neuen Porsche?"

Ups, erwischt. Doch woher weiss er das jetzt schon wieder? Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Den Wagen konnte er vom Fenster aus nicht sehen und ich habe meine Laufklamotten an. Also woher... jetzt dämmert es mir. Das Kribbeln im Nacken!

„Du lässt mich beobachten?" Frage ich erstaunt und merke, wie ich langsam wütend werde. „Sag mal, tickst du noch richtig?" Meine Stimme wird immer lauter. „Was gibt dir das Recht, mich auszuspionieren?" Ich stehe jetzt dicht vor ihm. Auch er ist aufgestanden und wir stehen uns wie zwei Streithähne gegenüber.

„Ich habe alles Recht dieser Welt zu wissen, wo du dich gerade aufhältst und was du machst. Du lebst hier in meiner Wohnung, durch mich verdienst du eine Menge Geld. Verdammt, Rio! Du gehörst mir! Mir! Hast du das jetzt endlich begriffen?"

Geschockt starre ich ihn an. Natürlich habe ich gemerkt, dass Diego etwas besitzergreifend ist, doch dass er soweit geht und mich noch beschatten lässt, hätte ich nicht gedacht.

Plötzlich ist alle Wut verpufft. Ich bin nur noch müde und enttäuscht. Und auch etwas desillusioniert. Habe ich doch tatsächlich gedacht, dass wir hier eine Beziehung führen würden. Wie naiv konnte ich nur sein?

Nach einem letzten Blick in sein wütendes Gesicht wende ich mich ab und verschwinde ins Schlafzimmer.

Diego

Diego ist so unsagbar wütend. Er macht alles für diesen Jungen und der hintergeht ihn immer nur. Diego besorgt Rio lukrative Kämpfe, die er auch dank dem Training, das Diego bezahlt, einer nach dem Anderen gewinnt. Er lässt Rio bei sich wohnen und hat ihn auch ein kleines Bisschen in sein Herz gelassen. Und jetzt trifft Rio sich hinter seinem Rücken mit diesem Angeber Clay Hunter und wird tatsächlich noch wütend, wenn er ihn darauf anspricht. Und jetzt, mitten im Streit, dreht er sich einfach um und verschwindet im Schlafzimmer. Immer noch wütend folgt Diego Rio und bleibt in der Türe abrupt stehen.

Rio packt! Er hat seine alte Tasche hervorgeholt und schmeißt wahllos Kleider hinein. Der Koffer mit seiner Gitarre steht schon geschlossen neben dem Bett.

„Was soll das?" Fragt Diego immer noch aufgebracht.

„Nach was siehts denn aus?" Kommt die patzige Antwort.

„Rio, du kannst jetzt nicht einfach verschwinden. Ich habe so viel für dich getan..."

„Und was erwartest du jetzt?" Fährt ihm da Rio ins Wort. „Ich lasse mich nicht einsperren. Ich dachte, dass du das bei unserem letzten Streit begriffen hast. Ich bin damals nur hier geblieben, weil du mir versprochen hast, deinen Kontrollwahn zu beherrschen. Und was machst du? Du lässt mich beschatten. Sorry, Diego, aber das geht gar nicht. Ich haue ab!"

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt