Sechsundfünfzig

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Früher

Max

Max drückte sich schon seit einer halben Stunde hinter der Scheune herum und wartete auf Emilie. Eigentlich sollte sie schon da sein, aber aus irgendeinem Grund hatte sie sich verspätet. Ausgerechnet heute, wo Max doch so dringend mit ihr reden musste. Unruhig trat er von einem Fuß auf den Anderen und als er ihren Jeep endlich in der Auffahrt auftauchen sah, atmete er erleichtert auf.

Als sie ausstieg, ging er sofort auf sie zu, doch auch die andren Kinder hatten sie bemerkt und kamen aus allen Richtungen angerannt, um sie zu begrüßen. Unschlüssig blieb Max stehen und sah dem Tumult zu, der sich um Emilie gebildet hatte. Die kleine Maria war da und plapperte drauflos, die größeren Mädchen Charlotte und Tessa drängten sich an sie, um sie zu umarmen. Und natürlich war auch Rio da. Er stand breit lächeln an Emilies Seite und ließ sie nicht aus den Augen.

Als sich die Aufregung etwas gelegt hatte, scheuchte Emilie die Kinder ins Haus, um dort die mitgebrachten Sachen zu verteilen. Dabei fiel ihr Blick auf Max und sie winkte ihn näher. Zögernd machte er ein paar Schritte, er wusste nicht, wie er sie nach einem Gespräch unter vier Augen fragen konnte, ohne dass es gleich die ganze Kinderschar mitbekam. Da kam sie ihm schon zu Hilfe: „Kinder, geht doch schon mal rein und nehmt gleich die große Tasche hinten im Auto mit. Ich komme gleich nach." Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Max zu. Rio half indessen die schwere Tasche aus dem Auto zu hiefen und schleppte sie gemeinsam mit den Anderen zum Haupthaus. Dabei war ihm jedoch nicht entgangen, dass sich Max etwas komisch verhielt. Immer wieder warf er einen Blick zurück und fragte sich, was Max da wohl mit Emilie zu besprechen hatte. Doch dann zuckte er mit der Schulter und dachte, dass ihm Max später schon von dem Gespräch erzählen würde und verschwand mit den Anderen im Haus.

„Max, was ist los? Möchtest du mir etwas sagen?" Fragte Emilie, als sich Max immer noch nicht rührte.

„Können wir rüber zu den Pferden gehen?" Fragte Max da nur. Emilie nickte und gemeinsam schlenderten sie rüber zu der Weide, wo gerade die Stuten mit ihren Fohlen grasten. Schon bald mussten sie die Fohlen von ihren Müttern trennen... doch an das wollte Max im Moment nicht denken, zu fest brannte ihm etwas Anderes auf der Seele.

„Emilie, wie ist das, wenn man jemanden liebt? Ich meine, so richtig liebt, dass man nur noch in dessen Nähe sein möchte und ihn immer anschauen und berühren muss?"

Emilie schaute Max eine Weile an, drehte sich dann jedoch weg und schaute auf die Pferde.

„Das ist ja seltsam, Max. Genau über dieses Thema wollte ich heute mit dir sprechen." Jetzt schaute sie ihn wieder an. „Reden wir hier über dich und Rio?"

Max keuchte überrascht auf. „Woher...?"

„Ich habe das schon vor ein paar Wochen beobachtet, dass sich in eurer Beziehung irgendetwas verändert hat. Hast du schon mit Rio darüber gesprochen?"

„Nun ja... gesprochen nicht so richtig, aber... wir haben uns geküsst."

Nun machte Emilie große Augen. „Aha... vom wem aus ist denn das gegangen und wie war bei euch beiden die Reaktion?"

„Es hat sich einfach so ergeben. Aber eigentlich kam es von Rio aus, wenn ich es mir recht überlege. Er hat mich zuerst geküsst und ich war doch sehr überrascht am Anfang. Doch dann habe ich es genossen und wir haben es noch ein paar Mal getan. Und seither immer wieder." Etwas hilflos schaute Max zu Emilie. „Ich weiss, dass das eigentlich falsch ist, dass Gott das so nicht vorher gesehen hat. Aber es ist einfach passiert. Und es war schön, Emilie, so schön."

Emilies Herz floss über vor Zuneigung zu diesem Jungen, der eigentlich gar nicht wusste, wie ihm geschah.

„Aber mehr ist noch nicht passiert? Mehr als küssen, meine ich."

„Nein! Natürlich nicht. Rio ist erst zwölf und wir wissen ja auch gar nicht... na ja... wie das gehen soll."

Jetzt musste sich Emilie ein klein wenig das Lachen verkneifen. „Weißt du Max, wenn es soweit ist, dann geht einfach nach eurem Gefühl. Aber ich hoffe, dass es noch ein paar Jahre nur beim Küssen bleibt. Wie du gesagt hast, ist Rio noch sehr jung, obschon er älter aussieht und wirkt. Lasst es einfach langsam angehen. Und genießt diese Gefühle. Lasst euch von niemandem einreden, dass es falsch ist, so zu fühlen, hast du mich verstanden? Aber ich fände es besser, wenn ihr nicht gerade in aller Öffentlichkeit herumknutscht. Wegen den Anderen, du weißt schon."

„Ja, natürlich. Das ist klar. Uff, jetzt bin ich erleichtert, konnte ich mit dir darüber sprechen. Ich hätte sonst nicht gewusst, wem ich das hätte anvertrauen können. Vielen Dank Emilie!" Mit diesen Worten umarmte Max sie stürmisch, was ihr ein glückliches Lachen entlockte. Dann gingen sie gemeinsam rüber zum Haupthaus, um zu sehen, ob noch etwas von den Naschereien übrig war, die Emilie mitgebracht hatte.

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt