Fünfundsechzig

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Jetzt

Rio

Ich habe die Schnauze voll!

Jeden Monat habe ich mindestens zwei Kämpfe und muss mich mit wildfremden Männern prügeln. Und das um Geld!

Außerdem war es genau so gekommen, wie es Damien vorausgesagt hatte. Clay ließ mich ein paar Mal gegen Weicheier antreten, die das Gaspedal nicht von der Bremse unterscheiden konnten und natürlich habe ich gewonnen. Dann ist tatsächlich der Tag gekommen, an dem er mich gebeten, nein, nicht gebeten! An dem er mir befohlen hat, absichtlich zu verlieren. Zuerst habe ich mich geweigert. Doch als dann auch noch Diego auf mich eingeredet hat, habe ich schlussendlich nachgegeben. Und ich habe es gehasst. Ich hätte den Typen mit links schlagen können und musste ihn in den letzten Metern an mir vorbeiziehen lassen. Am Liebsten hätte ich laut geschrien. Ich war so sauer!

Clay und Diego waren natürlich glücklich, hatten sie doch einen Haufen Geld dadurch gewonnen. Auch ich bekam meinen Teil davon, aber das hob auf keinen Fall das hämische Grinsen von Damien auf. Am Liebsten hätte ich ihm die Fresse poliert. Ich bin dann aber einfach abgehauen. Ich musste alleine sein.

Warum nur ist mir gerade jetzt die Szene von mir und Max damals am Fluss eingefallen? Als ich ihn das erste Mal richtig berühren durfte, war das für mich wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Er hat mir dadurch ein riesengrosses Geschenk gemacht. Damals war es, als würde dieser Sommer niemals enden. Es war der Schönste meines Lebens. Und jetzt sitze ich hier. In meinem Porsche, der mir eigentlich gar nicht gehört und denke an mein Leben. An das von damals und an das von Heute. Unterschiedlicher könnte es gar nicht sein...

Ich bin an den Rand des Sees gefahren und beobachte nun die Lichter, die sich im See spiegeln. Ich bin gerne in der Stadt, doch ich vermisse auch das Landleben. Ich vermisse die Tiere, die wundervollen Gerüche.

Ich vermisse Max!

So sehr!

Müde lege ich meinen Kopf aufs Lenkrad und lasse es endlich zu, dass die Tränen überfliessen, die schon lange gegen meine Lider gedrückt haben. Leise Schluchzer dringen aus meiner Kehle, ich kann es nicht verhindern. Lange Zeit sitze ich so da und zerfließe in meinem Elend. Endlich kann ich mich soweit beruhigen, dass ich mir das nasse Gesicht abwischen und wieder einigermaßen klar sehen kann. Als ich den Motor anlasse und wegfahre, lenke ich den Porsche automatisch in eine bestimmte Richtung. Ich war schon oft dort. Es ist eine der ruhigeren Gegenden von Greengarden. Hübsche Häuser säumen die breiten Straßen. Überall sieht man grüne Wiesen mit großen, alten Bäumen zwischen den Häusern. Zu dieser späten Stunde ist alles dunkel. Nur vereinzelt ist hier und da ein Licht hinter den Fenstern zu sehen.

Ich halte in einiger Entfernung von einem bestimmten Haus. Es ist hell und einladend von außen und ich weiss, dass es bestimmt von innen auch so aussieht. Mein Blick wandert die Fassade hoch und dort sehe ich es. Das kleine, flatternde Licht einer Kerze.

Sie hat mir einmal gesagt, dass sie immer ein Licht für mich anzünden würde. Ich wäre jederzeit bei ihnen willkommen. Nur hatte ich bis jetzt nicht den Mut, mich bei ihnen zu melden.

Etwas beruhigt, dass das Licht immer noch brennt, lehne ich mich im Auto zurück. Auch heute werde ich mich nicht bei Emilie und Finn melden. Aber es ist schön zu wissen, dass ich es könnte.

Warum nur tut er es nicht?

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt