Zweiunddreissig

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Früher

Rio

Die Adoptionsparty hatte auch etwas Gutes gehabt. Rio hatte Musik kennengelernt. So richtige Musik, nicht diese eher langweiligen Kirchenlieder, die sie jeden Sonntag mit den Carters singen mussten. Einer der potentiellen Väter hatte ein kleines, tragbares Radio dabei gehabt, das dann den ganzen Tag Rock- und Poplieder spielte. Natürlich hatte das den Carters nicht gepasst, diese weltliche, obszöne Musik auf ihrer Farm zu hören, doch konnten sie nichts dagegen unternehmen und machten gute Mine zum bösen Spiel. Rio war fasziniert von den wunderschönen Liedern und mehr als einmal sass er einfach vor dem Radio und war versunken in die Musik, bis ihn ein scharfer Befehl Joes wieder aufschreckte. Natürlich war das Max nicht entgangen und gegen Ende des Tages, als alle am Aufbrechen waren, war das kleine Radio einfach unauffindbar. Niemand wusste, wohin es gekommen war, wer es vielleicht genommen hatte. Und außerdem blieb auch keine Zeit mehr, um sich groß Gedanken darüber zu machen, da die Leute und die Kinder müde waren und so schnell wie möglich nach Hause wollten.

Zwei Tage später bedeutete Max Rio, ihm in den kleinen Wald hinter den Weiden zu folgen. Angeblich, um vermisste Kälber zu suchen. Doch was er dann hinter einem Baum hervorzauberte, verschlug Rio den Atem. Das Radio!

Mit großen Augen bestaunte es Rio und wagte nicht, das kleine Ding anzufassen.

„Na nun nimm es schon," sagte da Max und hielt es ihm vor die Nase. Vorsichtig griff Rio danach. „Du hast es also genommen?" Ehrfürchtig drehte er das kleine Ding herum und betätigte den Knopf zum Anlassen. Als leise Musik ertönte, kamen Rio die Tränen. Seit zwei Tagen verfolgten ihn die Lieder und er hatte sie nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Leider konnte er sich nicht mehr genau an alle Texte erinnern und das hatte ihn schier wahnsinnig gemacht. Und jetzt hatte er die Möglichkeit, die Musik immer und immer wieder zu hören. Dank Max!!

Stürmisch fiel er ihm um den Hals. Max war überrascht von der Heftigkeit der Umarmung und gemeinsam kugelten sie auf den Waldboden, jedoch immer darauf bedacht, dass dem Radio nichts geschah. Und dann lagen sie da, eng umschlungen und lauschten der wunderschönen Musik.

Jetzt

Rio

Der Arzt war vor einer halben Stunde noch einmal da und hat mich für die nächsten paar Tage zum Schweigen verdammt. Nur so könne mein Hals wieder vollständig gesund werden und somit auch meine Stimmbänder. Ich bin erleichtert, dass der Kampf keine bleibenden Schäden an meiner Stimme hinterlassen wird. Ich könnte mir ein Leben ohne Musik und singen nicht vorstellen.

Diego kümmert sich rührend um mich. Er lässt mich kaum eine Sekunde aus den Augen und bemuttert mich von vorne bis hinten.

Er geht mir sowas von auf die Nerven!

Wie lange wird Rio wohl Diegos Nähe noch aushalten?

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt