Dreiundsiebzig

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Jetzt

Rio

Nach einer weiteren Woche im Krankenhaus bin ich bereit, jeden zu töten, der sich mir in einem weißen Kittel auch nur nähert. Also werde ich in gegenseitigem Einverständnis entlassen mit der Auflage, mich noch zu schonen. Ja ja, ihr könnt mich mal, denke ich und spaziere erleichtert an die frische Luft. Draußen werde ich schon von Emilie erwartet, die mich auch sogleich in ihr Auto verfrachtet und in ihr Stadthaus fährt. Ich werde vorerst dort wohnen, bis ich weiss, wie es mit mir weiter gehen soll. Zurück zu Diego ist keine Option, dieser Scheißkerl hat mich in dem Wrack einfach blutend sitzen gelassen. Irgendetwas wird sich schon ergeben.

Als wir bei ihrem Haus angekommen sind, schwirrt Emilie wie eine Glucke um mich herum und nötigt mich in einen Sessel, legt mir die Füße hoch und erwartet allen Ernstes, dass ich still sitzen bleibe. Ich hoffe sehr, dass sich schnell etwas ergeben wird, ich werde das nicht lange aushalten hier.

Nach einer Woche bei Emilie und Finn habe ich es so satt, betüdelt zu werden, dass ich aus der Haut fahren könnte. Ich muss hier weg! Doch da mir Emilie das Versprechen abgenommen hat, nie wieder einfach so zu verschwinden, ist wohl ein Gespräch angesagt.

An diesem Abend ist es soweit. Gleich nach dem Essen spreche ich das Thema an und erkläre den Zweien, dass es so für mich nicht weitergehen kann. Sie fragen mich nach meinen Plänen, doch da ich keine konkreten habe, schaue ich sie nur ratlos an.

„Ich habe echt keine Ahnung, was ich aus meinem Leben machen möchte. Als Max noch lebte, war alles klar, doch jetzt... macht das alles keinen Sinn mehr." Emilie legt behutsam ihre Hand auf meine und gibt mir dadurch den Trost, den ich brauche. Es tut immer noch so weh, an Max zu denken. Selbst nach drei Jahren.

Da meldet sich Finn zu Wort."Ich habe mir schon gedacht, dass das hier nicht lange gut gehen wird." Nach einem kurzen Blick auf Emilie fährt er fort. „Wir möchten dich jedoch sehr gerne in der Nähe wissen. Deshalb habe ich einen alten Freund aufgesucht : Ben Summer. Ihm gehört eine Bar und er wäre froh, wenn ihm jemand zur Hand gehen würde. Du darfst zwar mit deinen achtzehn Jahren noch keinen Alkohol ausschenken, jedoch bist du groß und stark und kannst Kisten und Flaschen schleppen. Dort hättest du genügend Zeit, um dir zu überlegen, was du machen möchtest. Es wäre schön, wenn du dir auch die Möglichkeit, wieder zur Schule zu gehen, durch den Kopf gehen lassen würdest."

Ich verziehe das Gesicht, als ich das Wort Schule höre, doch sein Vorschlag mit der Bar hört sich interessant an.

„Und wo würde ich wohnen?"

„Es gibt dort bei der Bar ein Hinterzimmer mit einer kleinen Dusche und Toilette. Ben wohnt direkt über der Bar. Also hättest du dein eigenes Reich mit separatem Eingang und doch noch jemanden in der Nähe, wenn du ihn brauchst. Es gibt nur einen kleinen Hacken..."

Ich verdrehe genervt die Augen. „Wusste ich es doch..."

„Ben ist ehemaliger Polizist. Und seine Bar ist sehr beliebt bei der Polizei."

„In eine Bullenbar willst du mich stecken?" Frage ich schockiert. Muss mir aber dann das Lachen verkneifen. Das birgt schon eine gewisse Ironie, dass ich nach allem, was ich angestellt habe, ausgerechnet für einen Polizisten arbeiten soll. Finn erwidert nichts, schaut mich nur an.

„Okay," sage ich dann, „lass uns die Bar samt Polizisten einmal anschauen gehen. Es wäre eventuell eine Möglichkeit." Finn klatscht erfreut in die Hände. „Sehr gut, dann lass uns gleich morgen Mittag rüber gehen. Da ist die Bar noch geschlossen und du und Ben könnt euch schon mal ein wenig beschnuppern."

Dann ist das also beschlossene Sache. Ich in einer Bullenbar... ob das gutgeht?

Am nächsten Tag ist es soweit und Finn und ich machen uns zu Fuss auf den Weg in die High Street, wo Bens Bar, das „Blue Light", zu finden ist. Es sind wirklich nur ein paar Blocks, die wir gehen müssen und als wir davor stehen, bin ich schon ein wenig enttäuscht. Es sieht so nach gar nichts aus. Nur ein kleines Schild weist darauf hin, dass sich hinter der großen Holztüre eine Bar befinden soll. Wir treten ein und meine Augen werden groß. Sowas hätte ich nun gar nicht erwartet. Wir stehen direkt in einem großen Raum, der durch halbhohe Trennwände und große Holzbalken in gemütliche, kleine Nischen unterteilt ist. Überall ist viel Holz, das jedoch durch geschickt eingefügte Metallteile unterbrochen wird. Mitten im Raum steht ein Flügel. Ganz schwarz und glänzend. Im hinteren Teil des Raumes nimmt eine Bartheke aus verwittertem Holz die gesamte Länge in Anspruch. Dahinter stehen hunderte von Flaschen akkurat aufgereiht vor einem riesigen Spiegel. Alles wirkt sauber und aufgeräumt.

Von hinten hören wir plötzlich ein Poltern, dann ein lautes Fluchen, bei dem sogar ich rote Ohren bekomme, so obszön ist es.

Na? Was sagt ihr zu dieser Wendung?
Kann sich Rio in dieser Bar einfügen?

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt