Fünfundsiebzig

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Früher

Rio

Rio weiss nicht mehr, wie lange er neben Max sass, bis endlich Hilfe kam. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Es war schon dunkel, als er endlich Stimmen hörte und mehrere Lichter auf ihn zukamen. Tessa hatte, als Rio nicht mehr wiederkam, Alarm geschlagen und die Anderen informiert. Auch Miss Duncan, die Lehrerin, war noch auf der Farm gewesen und hatte sich sofort an der Suche beteiligt.

Vom langen Sitzen waren Rio die Beine eingeschlafen, er hatte jedoch nicht vor, seine Stellung hier zu velassen. Immer noch ruhte Max Kopf in seinem Schoss, die Tränen waren versiegt und er fühlte sich einfach nur noch leer und hohl.

Da endlich hatte der Suchtrupp den umgestürzten Traktor entdeckt und eilte auf ihn zu. Als sie ihn umrundeten, sahen sie im Licht ihrer Taschenlampen Rio da kauern und kurz darauf fiel ihr Blick auf Max. Sofort stürzten alle herbei. Miss Duncan übernahm sofort das Sagen und schickte Joe Carter zurück, um den anderen Traktor zu holen. Von Hand hätten sie nie die Chance, diesen hier zu bewegen. Dann schickte sie die Mädchen etwas weiter weg und kniete sich neben Rio, der sich noch immer nicht bewegt hatte. Behutsam legte sie zwei Finger an Max Hals, um nach dem Puls zu spüren, doch sie konnte ihn nicht finden. Leise seufzte sie auf und fuhr Rio sanft über den Arm. Dieser schien es jedoch nicht zu bemerken. Immer wieder streichelte er über Max Haar und murmelte Unzusammenhängendes vor sich hin.

„Rio," sprach ihn Miss Duncan sanft an. „Die Anderen werden gleich kommen, um den Traktor wegzuziehen. Dann müssen wir Max nach Hause bringen." Als Rio nicht reagierte, schüttelte sie ihn leicht. „Hast du mich verstanden? Du musst jetzt aufstehen. Ich kann schon den anderen Traktor hören..."

Rio reagierte immer noch nicht und so stand sie vorsichtig auf, um Joe Carter den Weg zu weisen. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen dann, den großen Traktor mit einer starken Kette mit dem Anderen zu verbinden und ihn von Max wegzuziehen.

Noch einmal versuchte Miss Duncan, zu Rio durchzudringen, doch auch diesmal ohne Erfolg. Also versuchten sie zunächst, Max von ihm wegzuziehen, damit sie ihn zur Farm zurücktransportieren konnten, doch sobald sie Max auch nur berührten, klammerte sich Rio nur umso fester an ihn. Schließlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als Rio mit Gewalt fortzuzerren, sonst hätten sie wahrscheinlich die ganze Nacht dort verbracht. Rio wehrte sich mit ganzer Kraft und fing an zu schreien und zu fluchen. Er würde Max niemals verlassen, schrie er. Sie sollen ihn gefälligst in Ruhe lassen, Max brauche nur etwas Zeit, um sich zu erholen. Er hatte noch nicht begriffen, dass ihn Max wirklich für immer verlassen hatte...

Schließlich hatten sie es soweit geschafft, dass Max auf dem Traktor lag und Rio wieder ganz nah bei ihm sein konnte. So war er wenigstens wieder etwas ruhiger geworden. Der Transport zur Farm verlief ohne Zwischenfälle, alle waren ruhig und voller Trauer dem Traktor gefolgt. Als sie ankamen, liessen sie Rio einfach bei Max auf dem Traktor, um weitere Ausbrüche zu vermeiden. Rio sass immer noch da und hielt Max, ganz versunken in seiner eigenen Welt der Trauer.

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt