Achtundsechzig

30 9 6
                                    


Jetzt

Rio

Noch begreife ich nicht, was da genau passiert ist, jetzt habe ich auch keine Zeit zum überlegen, sondern muss schauen, dass wir hier wegkommen. Flink lenke ich den Wagen durch die herannahenden Polizeiautos hindurch. Einige versuchen, sich mir in den Weg zu stellen, doch ich kann jedes Mal rechtzeitig ausweichen, immer Damien im Blick, der sich immer weiter entfernt.

Einige der Polizeiautos nehmen unsere Verfolgung auf und es entsteht eine wilde Jagd durch das schlafende Greengarden. Zum Glück ist es mitten in der Nacht, so dass nur wenige andere Fahrzeuge unterwegs sind. Hinzu kommt, dass Damien und ich einen Riesenvorteil gegenüber den Polizisten haben. Wir sind schon oft bei unseren Rennen in rasendem Tempo durch die Stadt gefahren und kennen jede Kurve und jede Unebenheit in der Fahrbahn. Ich werfe einen kurzen Blick rüber zu Diego. Dieser sitzt leichenblass auf dem Beifahrersitz und versucht sich irgendwie festzuhalten. Ich muss mich jetzt jedoch voll und ganz auf das Fahren konzentrieren, wenn nicht ein Unglück geschehen soll. Und doch kann ich nicht verhindern, dass meine Gedanken sich im Kreis drehen. Was war das nur für ein Spiel, das Clay da abgezogen hatte? Weshalb hatte er plötzlich eine Pistole in der Hand und woher kam die Polizei so schnell? Abrupt werde ich mit meinen Gedanken wieder ins hier und jetzt zurückgeholt, als Damien vor mir plötzlich auf die Bremse steigt. Vor uns steht eine Wand aus Polizeifahrzeugen. Überall blinkt es blau/weiss und die Sirenen sind ohrenbetäubend.

Ich sehe noch, wie Damiens Auto ins Schleudern gerät. Durch das abrupte Bremsen und die taufeuchte Strasse, hat er die Kontrolle verloren. Dann verliere ich ihn aus den Augen, da auch mein Porsche sich nicht mehr steuern lässt und ins Rutschen gerät. Ich versuche noch, gegenzusteuern, doch ich bin machtlos gegen das, was jetzt passiert. Immer näher kommt die Böschung, die zum See runter steil abfällt. Ich umklammere verzweifelt das Lenkrad und höre Diego neben mir schreien. Dann höre ich nichts mehr...

Früher

Rio

Die Stimmung zwischen Rio und Max war nach wie vor etwas angespannt. Doch zum Glück konnten sie sich soweit einigen, dass sie es ein Jahr in der Stadt versuchen würden. Mit der Hilfe von Emilie und Finn sollte das kein Problem sein. Zufrieden mit der Lösung machte sich Rio auf die Suche nach Maria. Sie bekam heute ihre erste Reitstunde. Die Kleine hatte ihn so lange angebettelt, dass Rio jetzt die Argumente dagegen ausgegangen waren. Schließlich war er damals sogar noch jünger gewesen, als Max ihn das erste Mal auf Rafi gesetzt hatte.

Voller Vorfreude stand sie schon neben dem blitzblank geputzten Grauschimmel auf dem Reitplatz und wartete ungeduldig. Wie Max es bei ihm damals gemacht hatte, sollte auch Maria von Anfang an lernen, das Gleichgewicht ohne Sattel zu halten.

„Bist du bereit, Kleines?" Fragte Rio sie und als sie vor Aufregung keinen Ton herausbrachte und nur nickte, musste er ein amüsiertes Lächeln unterdrücken. „Dann mal los!" Und schon packte er sie und hob sie auf das grosse Pferd. Rafi kannte seine Aufgabe genau und stand mucksmäuschenstill. „Alles okay bei dir da oben?" Fragend schaute Rio Maria an, die auf einmal blass geworden war. „Ganz schön hoch..." Flüsterte sie ehrfürchtig. Woraufhin Rio in lautes Gelächter ausbrach. „Was hast du denn gedacht?" Dann trat Rio etwas zurück und ließ Rafi in einem ruhigen Schritt im Kreis um sich herumgehen. Anfangs kauerte Maria noch zusammengekrümmt auf dem Pferd und klammerte sich panisch an dessen Mähne fest. Doch mit der Zeit und dank Rios ruhigen Anweisungen, entspannte sie sich zusehends. Sie setzte sich gerade hin, ließ die Beine locker an den Seiten des Pferdes baumeln und am Schluss wagte sie sich sogar, eine Hand aus der Mähne zu nehmen. Ihr strahlendes Gesicht war Gold wert und Rio ging das Herz auf. Die Kleine war einfach zuckersüß.

Nach einer guten halben Stunde ließ er Rafi wieder in die Mitte kommen und half Maria runter vom Pferd. Sicherheitshalber hielt er sie noch ein wenig fest, bis er sicher war, dass sie fest auf den Beinen stand. Er erinnerte sich doch noch sehr genau an seine erste Reitstunde, wo er nach dem Absteigen gleich auf seinem Hintern gelandet war, da ihn die Beine nicht mehr getragen hatten.

Plötzlich erscholl Applaus vom Zaun her und als sich Rio und Maria umsahen, standen dort alle anderen inklusive Miss Duncan und klatschten begeistert in die Hände. Da nahm Rio Marias Hand und gemeinsam verbeugten sie sich vor ihrem Publikum, ein grosses Grinsen im Gesicht. Etwas wackelig auf den Beinen ging Maria dann zu rüber zum Zaun und ließ sich umarmen. Rio stellte sich zu Max, der ihn angrinste. „Gut gemacht ihr drei!" Er umarmte Rio kurz aber herzlich, wirbelte Maria durch die Luft, was sie vor Freude aufjuchzen ließ und klopfte Rafi lobend den Hals. Dann brachten sie gemeinsam das Pferd zurück in den Stall.

Rio - from the beginning Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt